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"Wir brauchen private Mittel zur Studienfinanzierung"

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, kritisiert die mangelnde Bereitschaft der Wirtschaft, sich an dem Stipendienprogramm des Bundes zu beteiligen. Darum brauchten die Hochschulen hier die Hilfe der Politik.

Margret Wintermantel im Gespräch mit Silvia Engels | 29.07.2010
    Silvia Engels: Professorin Margret Wintermantel, sie ist die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, das ist der Zusammenschluss der Universitäten und Hochschulen in Deutschland. Guten Morgen, Frau Professor Wintermantel!

    Margret Wintermantel: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Sie haben es gerade gehört: Die Hochschulen bräuchten auch Zeit, um sich an das neue System zu gewöhnen. Sind sie überfordert?

    Wintermantel: Man sagt so gerne, die Hochschulen seien überfordert, aber wir wollen jetzt einfach wissen, ob tatsächlich diese Gelder aus den Unternehmen und von Privatpersonen tatsächlich auch fließen für die Stipendien. Die Hochschulrektorenkonferenz fordert seit Langem ein gutes Stipendiensystem, fordert seit Langem, dass dafür gesorgt wird, dass private Gelder zur Verbesserung der Situation in den Hochschulen und zur Finanzierung der Studierenden lockergemacht werden. Von daher finden wir es gut, wenn es ein Stipendiensystem gibt. Also von Überforderung kann man jetzt da nicht sprechen. Wir brauchen private Mittel zur Studienfinanzierung, weil die öffentlichen Mittel ganz offensichtlich nicht ausreichen.

    Engels: Das noch zur Erläuterung: Das geplante Programm aus Bundesmitteln sieht so aus, dass es nur dann fließt, wenn auch die Hälfte der Gelder durch private Geldgeber ergänzend beschafft werden sollen. Ist das das Problem für die Hochschulen? Kann man gar nicht so viele Programme im Moment auflegen, weil dieser andere, privat finanzierte Teil fehlt?

    Wintermantel: Also im Augenblick sehen wir nicht, dass dieser private Teil tatsächlich fließt, und darum geht es ja. Die Hochschulen werden schon, wenn sie instand gesetzt werden, die Verwaltung wirklich zu übernehmen solcher Stipendien, werden sie das auch tun, aber wir brauchen im Grunde genommen das Signal der Geldgeber, dass sie tatsächlich bereit sind, dieses Geld in dieses Stipendienprogramm zu geben.

    Engels: Also haben Sie gar nicht das große Problem im Moment damit, dass dieses Programm nur mit 6000 Stipendiaten im kommenden Jahr startet, was die Politik angeht, sondern mit der Wirtschaft?

    Wintermantel: Ich würde mir wünschen, dass die Politik dafür sorgt, dass die Wirtschaft tatsächlich sich beteiligt an diesem Programm, und dieses Signal, das fehlt uns derzeit noch. Also noch mal: Wir brauchen ein Stipendiensystem, wir brauchen private Mittel für die Studienfinanzierung. Wir haben keine Stipendienkultur bisher in Deutschland, das heißt, wir begrüßen ein Stipendienprogramm, aber wir brauchen nun wirklich auch die Signale aus der Wirtschaft, dass tatsächlich auch dieses Geld fließt.

    Engels: Kritiker merken ja an, dass gerade durch diese Koppelung zwischen privaten Geldern und öffentlichen Geldern die Hochschulen, die ohnehin gute Kontakte in die Wirtschaft haben, weiter gefördert werden, während die Hochschulen in strukturschwachen Gebieten ohne große Firmen ins Hintertreffen geraten. Droht hier eine Zwei-Klassen-Universität?

    Wintermantel: Also wir haben uns ja dazu auch geäußert, dass wir gewisse Sorge haben, dass in sogenannten, ja, regional schwierigen Umfeldern die Schwierigkeit besteht, dass die Stipendien fließen. Also da muss man sicher sich noch etwas überlegen, das ist ja nicht geregelt bis jetzt in dieser Gesetzesvorlage. Also ich glaube schon, dass man da etwas tun muss, aber von Zwei-Klassen-Gesellschaft würde ich nicht unbedingt sprechen. Wir brauchen einfach eine Stipendienkultur, wie wir sie beispielsweise auch in den Vereinigten Staaten ja haben. Wir brauchen einfach die Bereitschaft privater Geldgeber, zur Studienfinanzierung beizutragen, und deshalb würde ich appellieren, auch an die Politik, dass sie nun auch hilft dafür. Es ist natürlich nicht prioritäre Aufgabe der Hochschulen, für die Finanzierung der Studierenden zu sorgen. Da braucht man einfach wirklich eine Anstrengung aus der Politik, auch tatsächlich diese Dinge in Bewegung zu bringen.

    Engels: Sie appellieren an die Politik, die Wirtschaft aufzufordern. Wäre es nicht auch eine Lösung, dass 100 Prozent vom Staat in das Stipendienprogramm fließen?

    Wintermantel: Nun, das wäre dann eben nicht dieser Versuch, die Stipendienkultur aufzubauen, wenn das nun vollständig vom Staat finanziert werden sollte. Wir haben ja mit dem BAföG ein Studienfinanzierungssystem, was ja nun auch verbessert werden muss, das ist vollkommen klar, aber es geht hier, bei diesem Programm um private Gelder. Und dieses begrüßen wir natürlich, nur wir sehen im Augenblick keine Signale, dass diese Gelder auch kommen.

    Engels: Kurz zum Schluss: Glauben Sie an zehn Prozent Stipendien für Studierende mittelfristig?

    Wintermantel: Ach, wissen Sie, was meinen Glaube da betrifft – ich bin, noch mal, ich bin skeptisch. Ich bin dafür, dass wir diese Stipendienkultur aufbauen, die Hochschulen werden alles dafür tun, dass das funktioniert, weil sie natürlich interessiert sind daran, dass begabte junge Leute ihre Studienangebote tatsächlich auch nutzen können, ohne zusätzlich irgendwie finanziell belastet zu sein.

    Engels: Professor Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Wir sprachen über die gekappten Programme zur Stipendienförderung. Vielen Dank für das Gespräch!

    Wintermantel: Bitte!

    Links bei dradio.de

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