Ursula von der Leyen: Wir müssen berechnen, was ein Mensch zum Leben braucht, das Existenzminimum. Das hat das Verfassungsgericht so vorgegeben. ??? finden zurzeit statt, die Daten werden im Herbst vorliegen, aber im Augenblick gibt es noch keinerlei Hinweise, dass die Hartz-IV-Regelsätze in irgendeine Höhe ansteigen werden.
Jürgen Liminski: Das war Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zum Thema Hartz IV, eine Gruppe Menschen, unter denen man besonders viele Wähler der Linkspartei vermuten könnte. Diese dürften allerdings weniger über die Ansicht der Arbeitsministerin denn über das Finanzgebaren des Co-Vorsitzenden der Linkspartei Klaus Ernst verwundert sein. Über beide Themen wollen wir jetzt sprechen mit der Kollegin von Klaus Ernst, dem zweiten Mitglied der Doppelspitze der Partei, Gesine Lötzsch. Sie ist nun am Telefon. Guten Morgen, Frau Lötzsch!
Gesine Lötzsch: Guten Morgen!
Liminski: Frau Lötzsch, fangen wir mit Hartz IV an. Die Arbeitsministerin sprach in dem eben gehörten O-Ton vom Existenzminimum. Wie hoch veranschlagen Sie es?
Lötzsch: Die Linke fordert, die Regelsätze von Hartz IV auf 500 Euro anzuheben, und wir sind uns da sehr einig zum Beispiel mit den Sozialverbänden, die ja in den letzten Tagen auch wieder eine deutliche Anhebung der Regelsätze gefordert haben. Ich sehe auch einen engen Zusammenhang zwischen der Höhe der Hartz-IV-Regelsätze und Löhnen in unserem Land, denn im Augenblick wirkt es ja so, dass die Hartz-IV-Sätze die Auswirkung haben, dass die Löhne nicht gesteigert werden, und darum sind auch die Arbeitgeberverbände so sehr daran interessiert, Hartz IV nicht ansteigen zu lassen. Wir brauchen unbedingt endlich einen gesetzlichen Mindestlohn, um auch dieser Diskussion, dass der Lohnabstand nicht genügend groß wäre, entgegentreten zu können.
Liminski: Dazu kommen wir gleich noch mal. Noch mal um das zu konkretisieren: Existenzminimum, also Hartz IV gleich Existenzminimum, das heißt für Sie dann 500 Euro?
Lötzsch: Wir fordern eine Anhebung auf 500 Euro, wir sind natürlich über jeden Zwischenschritt auch sehr froh und wir ziehen da, das kann ich noch einmal betonen, am gleichen Strang wie die Sozialverbände, die sich ja sehr deutlich in den letzten Tagen geäußert haben, dass man von dem Hartz-IV-Regelsatz, wie er jetzt ist, 359 Euro, nicht menschenwürdig leben kann und dass vor allen Dingen auch Familien, die Kinder erziehen sollen, mit diesem wenigen Geld wenig Chancen haben, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihren Kindern Bildungsmöglichkeiten auch zu eröffnen.
Liminski: Die Koalition pocht auf das Lohnabstandsgebot, Arbeit müsse attraktiver bleiben als Transferleistungen. Wo sehen Sie die Grenze zwischen Niedriglohn und Hartz-IV-Leistung?
Lötzsch: Für mich ist die entscheidende Frage, dass wir in Deutschland endlich menschenwürdige Löhne in allen Bereichen einführen, und dafür ist die Basis, kann nur die Basis der gesetzliche Mindestlohn sein, wie er ja auch in den meisten Mitgliedsländern der Europäischen Union umgesetzt wird. Und ich finde, es wird immer die Diskussion, oder von vielen wird die Diskussion von der falschen Seite aufgezäumt: Es wird über die Regelsätze viel gesprochen und über die Löhne viel zu wenig. Und wir haben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in den letzten Jahren eine negative Lohnentwicklung und wir brauchen unbedingt höhere Löhne, um nämlich das zweite Standbein unserer Wirtschaft, unserer Volkswirtschaft zu stärken, nämlich die Binnennachfrage. Es wird sehr viel exportiert, Deutschland hängt vom Export ab, die Menschen haben aber zu wenig Geld in der Tasche, um das zweite Standbein einer Volkswirtschaft stützen zu können.
Liminski: Ein höheres Existenzminimum, das natürlich Folgen hätte auch für andere Transferleistungen, höhere Löhne, Mindestlohn – wie soll das finanziert werden? Der Staat ist jetzt schon überschuldet.
Lötzsch: Also um es ganz deutlich zu sagen: Der Staat soll ja nicht die Mindestlöhne finanzieren, die Mindestlöhne müssen die Arbeitgeber, die Unternehmen finanzieren. Und ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass ja auch viele Unternehmen die Möglichkeit nutzen, von dem System Hartz IV zu profitieren: Sie zahlen Niedriglöhne und sagen zu den Menschen ganz unverblümt: Und den Rest holt ihr euch vom Amt. Wenn wir hier einen Riegel vorschieben würden, insbesondere durch die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne, würden wir sogar den Bundeshaushalt deutlich entlasten, und das ist natürlich auch unser Ziel. Wir haben da zwei Aspekte, der eine Aspekt ist natürlich eine menschenwürdige Arbeit – denn wer die ganze Woche arbeiten geht jeden Tag, der soll auch nicht noch hinterher aufs Amt gehen –, und die andere Seite ist natürlich auch, was uns als Linke auch sehr interessiert: die Entlastung des Bundeshaushaltes.
Liminski: Aber das, was sozusagen ausgegeben wird als Transferleistung muss ja auch erst mal erwirtschaftet werden. Noch mal: Wie soll das finanziert werden?
Lötzsch: Ja, das ist richtig. Wir haben ja in Deutschland immer noch die Situation, dass die Verursacher der Krise überhaupt nicht zur Finanzierung herangezogen werden. Deutschland ist immer noch eine Steueroase für Erben, Steuerhinterzieher und Spekulanten, um das mal nebenbei zu erwähnen. Wir brauchen vernünftige Steuern, wir brauchen insbesondere die Millionärssteuer, dann könnten wir unseren Staatshaushalt gut wieder stabilisieren. Und auch Frau Merkel hat ja in letzter Zeit viel über die Finanztransaktionssteuer gesprochen, sie hat sie leider nur nicht durchgesetzt, und da müssen wir ansetzen.
Liminski: Millionärssteuer, Erbschaftssteuer – fürchten Sie bei solchen Plänen keine Kapitalflucht? Das ist heute sehr viel leichter als früher.
Lötzsch: Die fürchte ich nicht, denn wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen, sind wir ja, was die Steuerforderung betrifft, am unteren Ende, was den europäischen Durchschnitt betrifft. Und wenn wir uns anschauen, welche hervorragende Infrastrukturangebote zum Beispiel Deutschland vorhält und wenn wir sehen, dass zum Beispiel viele Unternehmen, die abgewandert sind ins Ausland, doch wieder zurückgekehrt sind, dann glaube ich sollten wir den Standort Bundesrepublik Deutschland auch nicht künstlich schlechtreden.
Liminski: Frau Lötzsch, einer, der sicher bei der Verwirklichung solcher Pläne mehr zu zahlen hätte, wäre ihr Kollege Klaus Ernst, 17.000 Euro verdient er brutto, ist in den Zeitungen nachzulesen. Ein Teil davon ist der Lohn für die Parteiarbeit. Sie, Frau Lötzsch, arbeiten in derselben Funktion – umsonst, sicher nicht vergeblich, aber umsonst, also ehrenamtlich.
Lötzsch: Das will ich ja hoffen, dass ich nicht vergeblich arbeite. Da strenge ich mich an.
Liminski: Hat denn der Lohn von Herrn Ernst da nicht ein Geschmäckle?
Lötzsch: Also erst mal muss ich sagen, da kursieren auch Zahlen, die nicht so haltbar sind, denn die Summe, die Sie gerade genannt haben, beinhaltet ja auch die Kostenpauschale, die die Abgeordneten bekommen, um ihr Wahlkreisbüro zu unterhalten, und im Fall von Herrn Ernst ist es ja auch erforderlich, einen zweiten Wohnsitz in Berlin zu haben, da er ja im Gegensatz zu mir nicht aus Berlin, sondern aus Bayern stammt.
Wir haben da klare Regelungen. Herr Ernst ist eingetreten sozusagen in die Nachfolge von Lothar Bisky, der auch von der Partei die entsprechende Entlohnung bekam. Ich habe mich schon vor der Wahl entschlossen, in dieser Frage die Nachfolge von Oskar Lafontaine anzutreten, der ehrenamtlich gearbeitet hat als Parteivorsitzender.
Liminski: Aber der Unterschied ist nach wie vor da. Hat der Lohn von Herrn Ernst nicht ein Geschmäckle?
Lötzsch: Ich finde nicht, dass er ein Geschmäckle hat. Hier gibt es eine Beschlusslage des Parteivorstandes und natürlich ist es so, dass wir die Diskussionen, die es innerhalb der Partei aber auch in der Öffentlichkeit gibt, sehr ernst nehmen und sowohl mit unseren Vertretern aus den Kreisen, die uns schreiben, als auch aus den Landesverbänden darüber diskutieren und hoffen, dass wir gemeinsam zu einem Konsens kommen.
Liminski: Derzeit wird heftig debattiert über den Fachkräftemangel in Deutschland, über den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland. In der Debatte geht es um die Gehaltsgrenze für Einwanderer, sie soll unter 50.000 oder gar 40.000 Euro brutto pro Jahr fallen, meinen nun die Experten diverser Institute. Ist das für Sie okay, sollen wir Fachkräfte aus dem Ausland holen?
Lötzsch: Also ich glaube, man muss … in dieser Frage gibt es keine simplen und einfachen Antworten. Für mich ist eine ganz entscheidende Frage, dass wir den Menschen, die in Deutschland keine entsprechende Ausbildung genießen konnten, eine Ausbildung anbieten. Da denke ich an die vielen jungen Leute, die bisher keinen Berufsbildungsabschluss haben. Der zweite Punkt, den ich sehe, ist, dass wir nicht einerseits immer davon reden, dass die Menschen wesentlich länger arbeiten müssen wegen unseres demografischen Problems, wie es so schön beschrieben wird, aber andererseits gesagt wird, … jemand, der 40, 45 Jahre ist, schon zu alt ist für den Arbeitsmarkt. Wir müssen also auch Menschen weiter während ihres Arbeitslebens qualifizieren. Den dritten Punkt, den wir gerne in der Diskussion unterschlagen, möchte ich auch betonen, und zwar haben wir sehr viele Menschen, die Berufsabschlüsse im Ausland erworben haben, die aber hier in Deutschland nicht entsprechend anerkannt werden. Also wir haben viele Menschen, die sogenannten Russlanddeutschen, die aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zugezogen sind aus den verschiedensten Gründen, die haben teilweise Universitätsabschlüsse, Fachschulabschlüsse, die nicht anerkannt werden. Auch hier brauchen wir eine zügigere Anerkennung. Und natürlich – wir sind ja schließlich … wir leben in einer internationalisierten Welt, wir sind ein weltoffenes Land – brauchen wir unbürokratische Möglichkeiten für Menschen, die aus dem Ausland kommen, hier arbeiten wollen, und da brauchen wir keine Gehaltsgrenzen, wir haben ja auch demnächst die Freizügigkeit.
Was ich aber nicht gut finde, ist, zu sagen, Begrüßungsprämien in Aussicht zu stellen und auch den Eindruck zu erwecken, als gäbe es hier nicht genügend Menschen, die man ausbilden könnte. Aber ich sage noch einmal: Wenn wir ein internationales Land sind, dann muss es natürlich auch möglich sein für Menschen aus dem Ausland, hier zu arbeiten, denn auch der eine oder andere Bürger der Bundesrepublik möchte auch mal im Ausland arbeiten.
Liminski: Fachkräftemangel, Hartz IV und der Fall Ernst – das war hier im Deutschlandfunk die Co-Vorsitzende der Linkspartei Gesine Lötzsch. Besten Dank für das Gespräch, Frau Lötzsch!
Lötzsch: Vielen Dank, auf Wiederhören!
Jürgen Liminski: Das war Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zum Thema Hartz IV, eine Gruppe Menschen, unter denen man besonders viele Wähler der Linkspartei vermuten könnte. Diese dürften allerdings weniger über die Ansicht der Arbeitsministerin denn über das Finanzgebaren des Co-Vorsitzenden der Linkspartei Klaus Ernst verwundert sein. Über beide Themen wollen wir jetzt sprechen mit der Kollegin von Klaus Ernst, dem zweiten Mitglied der Doppelspitze der Partei, Gesine Lötzsch. Sie ist nun am Telefon. Guten Morgen, Frau Lötzsch!
Gesine Lötzsch: Guten Morgen!
Liminski: Frau Lötzsch, fangen wir mit Hartz IV an. Die Arbeitsministerin sprach in dem eben gehörten O-Ton vom Existenzminimum. Wie hoch veranschlagen Sie es?
Lötzsch: Die Linke fordert, die Regelsätze von Hartz IV auf 500 Euro anzuheben, und wir sind uns da sehr einig zum Beispiel mit den Sozialverbänden, die ja in den letzten Tagen auch wieder eine deutliche Anhebung der Regelsätze gefordert haben. Ich sehe auch einen engen Zusammenhang zwischen der Höhe der Hartz-IV-Regelsätze und Löhnen in unserem Land, denn im Augenblick wirkt es ja so, dass die Hartz-IV-Sätze die Auswirkung haben, dass die Löhne nicht gesteigert werden, und darum sind auch die Arbeitgeberverbände so sehr daran interessiert, Hartz IV nicht ansteigen zu lassen. Wir brauchen unbedingt endlich einen gesetzlichen Mindestlohn, um auch dieser Diskussion, dass der Lohnabstand nicht genügend groß wäre, entgegentreten zu können.
Liminski: Dazu kommen wir gleich noch mal. Noch mal um das zu konkretisieren: Existenzminimum, also Hartz IV gleich Existenzminimum, das heißt für Sie dann 500 Euro?
Lötzsch: Wir fordern eine Anhebung auf 500 Euro, wir sind natürlich über jeden Zwischenschritt auch sehr froh und wir ziehen da, das kann ich noch einmal betonen, am gleichen Strang wie die Sozialverbände, die sich ja sehr deutlich in den letzten Tagen geäußert haben, dass man von dem Hartz-IV-Regelsatz, wie er jetzt ist, 359 Euro, nicht menschenwürdig leben kann und dass vor allen Dingen auch Familien, die Kinder erziehen sollen, mit diesem wenigen Geld wenig Chancen haben, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihren Kindern Bildungsmöglichkeiten auch zu eröffnen.
Liminski: Die Koalition pocht auf das Lohnabstandsgebot, Arbeit müsse attraktiver bleiben als Transferleistungen. Wo sehen Sie die Grenze zwischen Niedriglohn und Hartz-IV-Leistung?
Lötzsch: Für mich ist die entscheidende Frage, dass wir in Deutschland endlich menschenwürdige Löhne in allen Bereichen einführen, und dafür ist die Basis, kann nur die Basis der gesetzliche Mindestlohn sein, wie er ja auch in den meisten Mitgliedsländern der Europäischen Union umgesetzt wird. Und ich finde, es wird immer die Diskussion, oder von vielen wird die Diskussion von der falschen Seite aufgezäumt: Es wird über die Regelsätze viel gesprochen und über die Löhne viel zu wenig. Und wir haben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in den letzten Jahren eine negative Lohnentwicklung und wir brauchen unbedingt höhere Löhne, um nämlich das zweite Standbein unserer Wirtschaft, unserer Volkswirtschaft zu stärken, nämlich die Binnennachfrage. Es wird sehr viel exportiert, Deutschland hängt vom Export ab, die Menschen haben aber zu wenig Geld in der Tasche, um das zweite Standbein einer Volkswirtschaft stützen zu können.
Liminski: Ein höheres Existenzminimum, das natürlich Folgen hätte auch für andere Transferleistungen, höhere Löhne, Mindestlohn – wie soll das finanziert werden? Der Staat ist jetzt schon überschuldet.
Lötzsch: Also um es ganz deutlich zu sagen: Der Staat soll ja nicht die Mindestlöhne finanzieren, die Mindestlöhne müssen die Arbeitgeber, die Unternehmen finanzieren. Und ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass ja auch viele Unternehmen die Möglichkeit nutzen, von dem System Hartz IV zu profitieren: Sie zahlen Niedriglöhne und sagen zu den Menschen ganz unverblümt: Und den Rest holt ihr euch vom Amt. Wenn wir hier einen Riegel vorschieben würden, insbesondere durch die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne, würden wir sogar den Bundeshaushalt deutlich entlasten, und das ist natürlich auch unser Ziel. Wir haben da zwei Aspekte, der eine Aspekt ist natürlich eine menschenwürdige Arbeit – denn wer die ganze Woche arbeiten geht jeden Tag, der soll auch nicht noch hinterher aufs Amt gehen –, und die andere Seite ist natürlich auch, was uns als Linke auch sehr interessiert: die Entlastung des Bundeshaushaltes.
Liminski: Aber das, was sozusagen ausgegeben wird als Transferleistung muss ja auch erst mal erwirtschaftet werden. Noch mal: Wie soll das finanziert werden?
Lötzsch: Ja, das ist richtig. Wir haben ja in Deutschland immer noch die Situation, dass die Verursacher der Krise überhaupt nicht zur Finanzierung herangezogen werden. Deutschland ist immer noch eine Steueroase für Erben, Steuerhinterzieher und Spekulanten, um das mal nebenbei zu erwähnen. Wir brauchen vernünftige Steuern, wir brauchen insbesondere die Millionärssteuer, dann könnten wir unseren Staatshaushalt gut wieder stabilisieren. Und auch Frau Merkel hat ja in letzter Zeit viel über die Finanztransaktionssteuer gesprochen, sie hat sie leider nur nicht durchgesetzt, und da müssen wir ansetzen.
Liminski: Millionärssteuer, Erbschaftssteuer – fürchten Sie bei solchen Plänen keine Kapitalflucht? Das ist heute sehr viel leichter als früher.
Lötzsch: Die fürchte ich nicht, denn wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen, sind wir ja, was die Steuerforderung betrifft, am unteren Ende, was den europäischen Durchschnitt betrifft. Und wenn wir uns anschauen, welche hervorragende Infrastrukturangebote zum Beispiel Deutschland vorhält und wenn wir sehen, dass zum Beispiel viele Unternehmen, die abgewandert sind ins Ausland, doch wieder zurückgekehrt sind, dann glaube ich sollten wir den Standort Bundesrepublik Deutschland auch nicht künstlich schlechtreden.
Liminski: Frau Lötzsch, einer, der sicher bei der Verwirklichung solcher Pläne mehr zu zahlen hätte, wäre ihr Kollege Klaus Ernst, 17.000 Euro verdient er brutto, ist in den Zeitungen nachzulesen. Ein Teil davon ist der Lohn für die Parteiarbeit. Sie, Frau Lötzsch, arbeiten in derselben Funktion – umsonst, sicher nicht vergeblich, aber umsonst, also ehrenamtlich.
Lötzsch: Das will ich ja hoffen, dass ich nicht vergeblich arbeite. Da strenge ich mich an.
Liminski: Hat denn der Lohn von Herrn Ernst da nicht ein Geschmäckle?
Lötzsch: Also erst mal muss ich sagen, da kursieren auch Zahlen, die nicht so haltbar sind, denn die Summe, die Sie gerade genannt haben, beinhaltet ja auch die Kostenpauschale, die die Abgeordneten bekommen, um ihr Wahlkreisbüro zu unterhalten, und im Fall von Herrn Ernst ist es ja auch erforderlich, einen zweiten Wohnsitz in Berlin zu haben, da er ja im Gegensatz zu mir nicht aus Berlin, sondern aus Bayern stammt.
Wir haben da klare Regelungen. Herr Ernst ist eingetreten sozusagen in die Nachfolge von Lothar Bisky, der auch von der Partei die entsprechende Entlohnung bekam. Ich habe mich schon vor der Wahl entschlossen, in dieser Frage die Nachfolge von Oskar Lafontaine anzutreten, der ehrenamtlich gearbeitet hat als Parteivorsitzender.
Liminski: Aber der Unterschied ist nach wie vor da. Hat der Lohn von Herrn Ernst nicht ein Geschmäckle?
Lötzsch: Ich finde nicht, dass er ein Geschmäckle hat. Hier gibt es eine Beschlusslage des Parteivorstandes und natürlich ist es so, dass wir die Diskussionen, die es innerhalb der Partei aber auch in der Öffentlichkeit gibt, sehr ernst nehmen und sowohl mit unseren Vertretern aus den Kreisen, die uns schreiben, als auch aus den Landesverbänden darüber diskutieren und hoffen, dass wir gemeinsam zu einem Konsens kommen.
Liminski: Derzeit wird heftig debattiert über den Fachkräftemangel in Deutschland, über den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland. In der Debatte geht es um die Gehaltsgrenze für Einwanderer, sie soll unter 50.000 oder gar 40.000 Euro brutto pro Jahr fallen, meinen nun die Experten diverser Institute. Ist das für Sie okay, sollen wir Fachkräfte aus dem Ausland holen?
Lötzsch: Also ich glaube, man muss … in dieser Frage gibt es keine simplen und einfachen Antworten. Für mich ist eine ganz entscheidende Frage, dass wir den Menschen, die in Deutschland keine entsprechende Ausbildung genießen konnten, eine Ausbildung anbieten. Da denke ich an die vielen jungen Leute, die bisher keinen Berufsbildungsabschluss haben. Der zweite Punkt, den ich sehe, ist, dass wir nicht einerseits immer davon reden, dass die Menschen wesentlich länger arbeiten müssen wegen unseres demografischen Problems, wie es so schön beschrieben wird, aber andererseits gesagt wird, … jemand, der 40, 45 Jahre ist, schon zu alt ist für den Arbeitsmarkt. Wir müssen also auch Menschen weiter während ihres Arbeitslebens qualifizieren. Den dritten Punkt, den wir gerne in der Diskussion unterschlagen, möchte ich auch betonen, und zwar haben wir sehr viele Menschen, die Berufsabschlüsse im Ausland erworben haben, die aber hier in Deutschland nicht entsprechend anerkannt werden. Also wir haben viele Menschen, die sogenannten Russlanddeutschen, die aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zugezogen sind aus den verschiedensten Gründen, die haben teilweise Universitätsabschlüsse, Fachschulabschlüsse, die nicht anerkannt werden. Auch hier brauchen wir eine zügigere Anerkennung. Und natürlich – wir sind ja schließlich … wir leben in einer internationalisierten Welt, wir sind ein weltoffenes Land – brauchen wir unbürokratische Möglichkeiten für Menschen, die aus dem Ausland kommen, hier arbeiten wollen, und da brauchen wir keine Gehaltsgrenzen, wir haben ja auch demnächst die Freizügigkeit.
Was ich aber nicht gut finde, ist, zu sagen, Begrüßungsprämien in Aussicht zu stellen und auch den Eindruck zu erwecken, als gäbe es hier nicht genügend Menschen, die man ausbilden könnte. Aber ich sage noch einmal: Wenn wir ein internationales Land sind, dann muss es natürlich auch möglich sein für Menschen aus dem Ausland, hier zu arbeiten, denn auch der eine oder andere Bürger der Bundesrepublik möchte auch mal im Ausland arbeiten.
Liminski: Fachkräftemangel, Hartz IV und der Fall Ernst – das war hier im Deutschlandfunk die Co-Vorsitzende der Linkspartei Gesine Lötzsch. Besten Dank für das Gespräch, Frau Lötzsch!
Lötzsch: Vielen Dank, auf Wiederhören!