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"Wir brauchen unsere Autos, um zu arbeiten"

Europa hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2020 20 Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxids einzusparen. Frankreich plant schon jetzt eine CO2-Abgabe. Diese Klimasteuer auf fossile Brennstoffe kommt bei den ländlichen Bewohnern durchweg schlecht an.

Von Hans Woller |
    "Die Grundidee ist : diese Steuer ist gut für die Kaufkraft der Haushalte, das gilt es sich zu merken,"

    … verkündete Frankreichs Umweltminister Borloo, nachdem er den bereits heftig umstrittenen Bericht zur Klimasteuer entgegengenommen hatte.Für die Ohren der Franzosen freilich klingt dies reichlich demagogisch und provozierend. Denn bei ihnen ist hängen geblieben , dass man ihnen einfach eine x-te, weitere Steuer auferlegt - eine Steuer auf die fossilen Brennstoffe Öl, Gas, Kohle oder Holz, die anfangs 32 Euro pro Tonne CO2 beträgt, im Lauf der Jahre aber auf 100 Euro ansteigt. Cedric Musso vom Verbraucherschutzverband UFC, der gemeinhin keinen besonders engstirnigen Ruf hat:

    "Je mehr die Steuer ansteigt, desto weniger Ausgleichszahlungen sind vorgesehen, am Ende dann gar keine mehr. Das Problem ist : Hinter ökologischen Vorwänden versteckt sich ein schlichtes Steuer-Holdup."

    Angesichts der französischen Siedlungsstruktur und der weiten Wege auf dem flachen Land , gab es vor allem unter der ländlichen Bevölkerung einen Aufschrei - denn die gibt im Schnitt ohnehin schon über sieben Prozent ihres Einkommens für Sprit und Heizöl - Stadtbewohner nur zwei Prozent. Cedric Mussos Kollege Claude Carlier:

    "Ölheizungen sind auf dem Land nun mal viel, viel häufiger als in städtischen Regionen , also ist hier der Beitrag wesentlich höher, als für Städter, die mit Strom heizen und auf dem Land sind die zurückgelegten Kilometer wesentlich zahlreicher."

    Guy Verbin ist Bauer in der Gegend der westfranzösischen Stadt Poitiers – mit seinen zwei dieselgetriebenen Autos legt die Familie jährlich 40.000 Kilometer zurück : Wird der Liter Diesel, wie vorgesehen, um 8,5 Cent teurer, heißt das für den Haushalt der Familie: knapp 300 Euro zusätzlich pro Jahr.
    "Anders als die Leute in der Stadt, die über öffentliche Verkehrsmittel verfügen, haben wir hier gar nichts , wir brauchen unsere Autos, um zu arbeiten."

    Nicht zu vergessen, den Traktor : 5000 Liter Diesel pro Jahr – das sind nochmals 425 Euro zusätzliche Steuern. Das Nachbarehepaar von Bauer Verbin arbeitet im 20 Kilometer entfernten Poitiers – zusammen legen Mann und Frau täglich 80 Kilometer zurück. Serge Pelletier:

    "Im Prinzip kann man nicht gegen diese Klimasteuer sein , der CO2-Ausstoss muss sicherlich verringert werden, aber wenn man das macht, dann muss es ohne jeden Zweifel Kompensationszahlungen geben."

    Bislang ist vage von einem "grünen Scheck" die Rede, den die Haushalte jährlich vom Staat, entsprechend ihrer Einkommen und ihrer Wohnlage zurückbekommen könnten. Corinne Lepage, in den 90er-Jahren Umweltministerin der konservativen Regierung Juppé:

    "Diese Steuer muss gerecht sein, das heißt, es muss eine Umverteilung entsprechend der finanziellen Situation der Haushalte geben , und es muss klar sein: Stadt und Land, das ist nicht dasselbe. Zweitens muss das Ganze progressiv gestaltet werden, damit sich jeder anpassen kann und die Mittel hat, dies zu tun ."

    Der nun vorliegende Bericht zur Klimasteuer hat nach Meinung vieler einen besonderen Schwachpunkt : Der Stromverbrauch bleibt von der Steuer ausgespart, mit dem Argument, dass Frankreich 80 Prozent seiner Elektrizität in Atomkraftwerken ohne CO2-Ausstoss produziert. Ex-Umweltministerin Lepage:

    "Das ist ein Fehler. Die Elektrizität muss miteinbezogen werden. Zunächst mal, weil es auch da einen leichten CO2-Ausstoss gibt, vor allem aber weil wir alle ein Interesse daran haben mussen, weniger Energie zu verbrauchen, egal welche Energiequelle, einschliesslich der Atomkraft."

    Besonders ungeschickt von der Pariser Regierung : Die Öffentlichkeit weiß zur Stunde zwar, dass die Klimasteuer dem Staat rund neun Milliarden Euro einbringen dürfte und hat eine vage Ankündigung, dass dieses Geld zu Subventionen dienen soll, um Häuser besser zu isolieren und nicht um Löcher im Staatshaushalt zu stopfen – niemand kann aber sagen, welche Steuern gesenkt werden sollen, damit die steuerliche Gesamtbelastung für die Franzosen nicht steigt – immerhin hatte Präsident Sarkozy dies zu Beginn der Diskussion über die Klimasteuer felsenfest versprochen.