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"Wir drehen am Klima - na und?"
Forderung nach einem Plan B

Der Klimawandel ist nicht aufzuhalten. Aber was lässt sich dagegen tun? Die Energiewende jedenfalls bringt nicht die Lösung, schreibt Gerd Ganteför und provoziert: Ohne Klimakontrolle durch den Menschen können wir den Klimawandel nicht beherrschen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Wenn es in diesem Bücherherbst zwei Antipoden gibt, dann sind es Gerd Ganteför und Hans-Joachim Schellnhuber. Schellnhubers Buch ist ein Aufschrei angesichts der unendlich langsamen Reaktion auf die globale Bedrohung Klimawandel, ein leidenschaftlicher Appell an jeden Bürger, selbst zu handeln und nicht auf die Politiker zu warten. Ganteförs "Wir drehen am Klima – na und?" hingegen ist ein Buch der Hoffnung: Darauf, dass die Menschheit mit einem blauen Auge davon kommt, weil der Klimawandel langsamer läuft, als vorhergesagt - und dass wir in der Zukunft unsere Probleme schon lösen werden.
    Derzeit sieht er uns auf dem Holzweg: Die Energiewende sei zu langsam, die Erneuerbaren zu teuer, ihre Potenziale zu gering, um neben Atomstrom auch Gas, Öl und Kohle zu ersetzen. Setzt Deutschland bei der Energiewende den eingeschlagenen Kurs fort, warnt der Autor, werde die Natur der Energieerzeugung geopfert, ganze Industriezweige wegen exorbitanter Strompreise abwandern und die Sozialsysteme angesichts einer schrumpfenden Wirtschaft unbezahlbar.
    Gerd Ganteför wirft Fragen auf. Etwa die, ob die Gesellschaft überhaupt die Opfer bringen will, die der Umstieg von einer auf den Konsum in eine auf die Ökologie orientierte Gesellschaft bedeutet. Welchen Verlust bringt dieser Umbau mit sich, welche Beschneidung persönlicher Freiheiten?
    "Das Klimaproblem und die Energieverknappung liefern für fundamentalistische Gruppierungen einen idealen Vorwand, ihre Überzeugungen in der Gesellschaft durchzusetzen", schreibt er. Er sieht in der vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung geforderten "Großen Transformation" das "Ergebnis einer ideologischen Überbetonung der ökologischen Nachhaltigkeit, eines negativen Menschenbildes und einer verklärten Wahrnehmung freundlicher Natur".
    Aber wenn der Autor feststellt, dass Klimaalarmisten ebenso wie -skeptiker die Naturwissenschaft als Werkzeug nutzen, "um ideologische Überzeugungen durchzusetzen", kann sich der Leser des Eindrucks nicht erwehren, dass sich der Konstanzer Physikprofessor da durchaus an die eigene Nase fassen sollte.
    Er wählt die Studien, Zahlen und Argumente so aus, dass sie zu seiner Theorie passen. Polemisch geht er beispielsweise das 1972 vom Club of Rome veröffentlichte Buch "Die Grenzen des Wachstums" an: Die Vorhersagen hätten sich nicht bewahrheitet, die große Hungerkatastrophe sei ausgeblieben, obwohl heute mehr als sieben Milliarden Menschen auf der Erde lebten.
    Mit Innovationen in der Landwirtschaft habe man die Krise vermieden. Das ist eine bestenfalls kurzsichtige Analyse, denn industrielle Landwirtschaft und die Landnahme der Menschheit zählen beispielsweise zu den wichtigen Triebfedern beim Verlust der Artenvielfalt. Der läuft inzwischen so schnell, dass die Menschheit diese planetare Grenze wohl überschritten hat. Auch wenn wir die Folgen noch nicht spüren, weil die Systeme eine Weile puffern: Machen wir weiter so, lehrt uns die Erdgeschichte, was passiert, wenn ein Aussterben erst einmal Fahrt aufgenommen hat. Dann ist niemand mehr sicher.
    "Wir drehen am Klima - na und" ist ein Buch, an dem sich der Leser reiben kann und sollte. Am Ende fasst Ganteför zusammen, dass die globale Energiewende scheitern wird und die Menschheit einen Plan B für das Klima braucht. Dabei schätzt er die technologische Innovationskraft unserer Nachkommen sehr hoch ein. Sie sollen schaffen, was wir nicht können: Sie sollen das Steuer herumreißen und den Klimawandel stoppen, globale Lösungen für globale Probleme finden, eines Tages die Wolken manipulieren, um die Erde zu kühlen und unendlich viel Fusionsstrom beziehen.
    Wenn die Visionen des Physikprofessors Wirklichkeit werden sollen, hilft vermutlich nur eines: Ab in die nächste Kirche, eine Kerze anzünden und beten, dass unsere Nachfahren beim Erfinden schneller sind als der Klimawandel.
    Buchinfos:
    Gerd Ganteför: "Wir drehen am Klima - na und?", Wiley-VCH, 248 Seiten, Preis: 24,90 Euro, ISBN 978-3-527-33778-1