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"Wir fühlen uns ganz einfach im Recht"

Dieses mal sind es 11 Atommüllbehälter, die ins Endlager Gorleben sollen. Und wie schon seit den ersten Protesten 1977 werden die erfahrenen Gleissitzer und neuen Protestler ihre Meinung zur Atommüllfrage kundtun. Mehr oder weniger. Friedlich oder mit Gewalt.

Von Susanne Schrammar |
    "Kann Blockieren Sünde sein? Plagt es Dein Gewissen, wenn Du Dich setzt? Und ein klitzekleines Gesetz verletzt?"

    Zusammengerechnet haben sie fast 170 Jahre Widerstand und damit jede Menge Sitzblockaden hinter sich. Darum machen es sich Birgit, Ulrike, Christa, Barbara, Wilhelmina, Edelgard und Marianne – alle jenseits der 55 - an diesem kalten grauen Herbstsonntag mit ihren Klappstühlen auf der Straße gemütlich. Gemeinsam mit anderen singen sie, stricken Socken oder unterhalten sich mit der Thermoskanne im Arm. Denn an diesem Wochenende rollt er wieder, der Castor-Transport. Elf Atommüllbehälter bringt der Zug von der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague ins niedersächsische Wendland. Diesmal werden besonders viele Protestaktionen erwartet. Weil das Endlager Gorleben wieder Gegenstand der politischen Diskussion geworden ist und weil im Atommülllager Asse in diesem Jahr so viele Pannen bekannt geworden sind. Zur Vorbereitung für die Proteste hat die Seniorengruppe "Graue Zellen" zur so genannten Stuhlprobe eingeladen, eine Art Organisationsbörse, erzählt Edelgard Gräver von den Grauen Zellen.

    "Hier ist der Ort, wo wir uns treffen, Wochen vorher schon, um uns langsam auf den Transport einzustimmen, um uns auszutauschen, um uns Kraft und Stärke zu geben. Und um noch mal sehr deutlich zu sagen: Wir, die wir im Widerstand hier grau geworden sind in den letzten dreißig Jahren, wir sind immer noch dagegen, und wir bleiben dabei, und wir werden alles, was wir tun können, dazu tun, um diesen Transport mindestens zu erschweren. "

    Hier, am Treffpunkt der Grauen Zellen, dem Dannenberger Verladekran, werden voraussichtlich am kommenden Sonntag die elf Castoren von Eisenbahnwaggons auf große Lastwagen gehievt. Um dann die letzten 20 Kilometer bis zu ihrem Bestimmungsort auf der Straße zurückzulegen. Das Ziel: das oberirdische Zwischenlager für hoch radioaktive Stoffe in Gorleben. Hier werden die Castoren rund 30 Jahre gelagert, bis sie vielleicht eines Tages tief unter der Erde im Salzstock bei Gorleben landen, dem geplanten Atommüll-Endlager. Schon auf der Schiene werden Atomkraftgegner wie Edelgard Gräver versuchen, den Transport zu stoppen oder zu behindern. Seit Monaten wird zum "Fröhlichen Beinschwingen" auf den Gleisen geladen, werden Fahrradtouren gemacht, es laufen Pferdeprozessionen, Kaffeetafeln im Freien, Gorlebengebete und Theaterworkshops. Möglichst kreative Blockadeaktionen, die gehören im Wendland seit Jahren zum Protest dazu.

    Genau wie die gelben Xe. Zwei lange gekreuzte Holzlatten finden sich vor fast jedem zweiten Hauseingang im Wendland. Auch bei der Stuhlprobe werden massenhaft Xe gebaut. "Wir stellen uns quer" wollen sie sagen, das wissen rund um Gorleben sogar Kinder wie der 10-jährige Niklas.

    "Wegen dem Castor. Das ist Atommüll. Der soll ja in Gorleben, das ist ein Salzstock, und da soll ein Endlager gemacht werden, aber das wollen wir Leute alle nicht. Und wenn die da jetzt das Endlager hinbauen, dann sind wir irgendwann atomverseucht."

    Gewaltfrei soll er sein, der Protest in Gorleben und er soll Spaß machen. Einer der Gründe, warum die Wendländer es geschafft haben, den Widerstand 31 Jahre lang aufrecht zu erhalten.

    Er beginnt am 22. Februar 1977. An diesem Tag benennt der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht das Elbdorf Gorleben zum Standort für ein Nukleares Entsorgungszentrum. Geplant: ein Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, ein Zwischenlager für Castorbehälter mit hoch radioaktiven, abgebrannten Brennelementen und ein Endlager im Salzstock Gorleben-Rambow. Dazu Ernst Albrecht:
    "Ein geeigneter Standort muss mehrere Voraussetzungen erfüllen. Er muss zunächst einen Salzstock besitzen, der in hervorragender Weise für die Lagerung der radioaktiven Stoffe geeignet ist. Das ist in Gorleben der Fall. Und wir waren der Meinung, dass das Gebiet in Niedersachsen, das es mit am schwersten in den letzten dreißig Jahren gehabt hat, dann auch den Vorteil dieser Anlage haben sollte."
    Neben Gorleben sind auch andere Salzstöcke in Niedersachsen im Gespräch: Lutterloh und Lichtenhorst im Landkreis Celle sowie der Salzstock Wahn im Emsland. Dass die Wahl auf das Wendland fällt, hat vor allem politische Gründe: Das 600 Seelen-Dorf Gorleben im nordöstlichsten Zipfel Niedersachsens liegt damals direkt an der Grenze zur DDR. Albrecht, so heißt es, habe die Regierung der DDR damit ärgern wollen, nachdem die ein atomares Endlager in Morsleben, ebenfalls direkt an der Grenze, errichtet hat. Ein zweiter Punkt: Das strukturschwache Wendland ist damals so dünn besiedelt wie keine andere Region in Westdeutschland. Das Nukleare Entsorgungszentrum soll 5000 Arbeitsplätze bringen.
    Mit Protesten aus der Bevölkerung hat die niedersächsische Landesregierung gerechnet, nicht jedoch mit einem solchen Sturm der Entrüstung. Der gipfelt 1979 das erste Mal in einem einwöchigen Treck Wendländer Atomkraftgegner in die Landeshauptstadt Hannover. Zur Abschlusskundgebung auf dem Klagesmarkt kommen fast 100.000 Demonstranten – die größten Protestveranstaltung in der Geschichte Niedersachsens.
    "Mein lieber Herr Albrecht. Wir wollen Dein Schiet nich hebben. Nicht für uns und auch nicht anderswo. Niemals!"
    Als Folge dieses Massenprotestes gibt Ministerpräsident Albrecht 1979 den Plan auf, auch eine Wiederaufbereitungsanlage in Gorleben zu bauen. Wirtschaftlich sei dies machbar, so Albrecht, doch politisch nicht durchsetzbar. Einen solchen Erfolg können die Kernkraftgegner nie wieder verbuchen, die Erkundungen am Salzstock gehen weiter. Bis ins Jahr 2000. Dann beschließt die rot-grüne Bundesregierung ein Erkundungsmoratorium. Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin veranlasst einen zehnjährigen Erforschungsstopp für Gorleben:
    "Wir haben, weil wir Zweifel an der Geeignetheit des Wirtsgesteins Salz haben und verschiedene andere Fragen, die bei der Auswahl des Erkundungsstandorts nie berücksichtigt worden sind, hier eine Unterbrechung durchgeführt. Diese Unterbrechung hat zum Ziel, dass in der Zwischenzeit ein von uns eingerichteter Arbeitskreis zur Klärung der Endlagerfragen Standortkriterien für ein Endlager für alle atomaren Abfälle zu entwickeln ist."
    Doch passiert ist nicht viel in den vergangenen acht Jahren. Abgesehen von den Pannen, die im Atommülllager Asse bekannt geworden sind. Das Salzbergwerk, das als einsturzgefährdet gilt, wurde einst als Forschungsprojekt für Gorleben gesehen. Spätestens nach dem Eindringen von Wasser in die Asse, sind die Menschen alarmiert, was Gorleben angeht, sagt Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Niedersachsen.
    "Auch in Gorleben gibt es Laugeneinbrüche. Das ist genau dieselbe Situation, die wir vorher in der Asse hatten, bevor es zu diesen massiven Schwierigkeiten kam, die dann letztlich auch zu diesem Skandal geführt haben. Deshalb ist das, was in der Asse passiert ist, auch ein Fanal für Gorleben. Aus meiner Sicht ist die Nutzung dieses Lagermediums Salz grundsätzlich in Frage zu stellen. Ich glaube, dass Gorleben schlicht und einfach nicht geeignet ist."
    So drastisch formuliert es der Bundesumweltminister nicht. Doch weil auch Sigmar Gabriel nicht vollkommen von der Eignung des Salzstocks Gorleben als atomares Endlager überzeugt ist, will er sich bundesweit auch nach anderen Standorten umsehen. Vielleicht auch, weil er als Niedersachse seinen Wahlkreis im Landkreis Wolfenbüttel hat, dort wo das Pannen-Atommülllager Asse angesiedelt ist. Doch Gabriel argumentiert anders.
    "Bei der Endlagersuche ist es so wie beim Pferderennen. Besser, Sie lassen ein paar Pferde aus dem Stall, und dann gucken Sie mal, welches ist das Stärkste und Kräftigste. Wenn Sie nur eines aus dem Stall lassen, ist die Gefahr ziemlich groß, dass es sich unterwegs ein Bein bricht oder vom Oberverwaltungsgericht erschossen wird. Und dann ist es schwierig, dann fangen Sie nämlich von vorne an. Ich hab ja gar nichts dagegen, dass Gorleben – aber bitte im Vergleich zu anderen und mit internationalen Standards. Und nicht aus der Tiefe des bayerischen Gemüts sagen: Da muss es hin."
    Doch CDU/ CSU wollen keine weiteren teuren Standorterkundungen. Sie verweisen auf den Koalitionsvertrag, der eine zügige Endlagerlösung vorsieht und wollen sich jetzt endgültig auf Gorleben festlegen. Seit 1977 schließlich werde in dem Salzstock untersucht, gebohrt und geprüft, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel.
    "Schwierig ist es nur, dass wir Milliarden und Abermilliarden für die Endlagerforschung zum Beispiel in Gorleben ausgegeben haben. Obwohl bis jetzt alle Schritte, die gemacht worden sind, auf eine Eignung dieses Endlagers hinweisen. Und jetzt kommen wieder die Sozialdemokraten und sagen, jetzt wollen wir uns mal alle Stellen in der Bundesrepublik angucken, ob die vielleicht auch geeignet wären, und dann können wir entscheiden, ob wir weitermachen. Ich hab keine Lust, weitere Milliarden auszugeben. Man könnte in der Endlagerfrage weiter sein. "
    Das Zwischenlager Gorleben hingegen ist längst in Betrieb. Das Gelände der Gesellschaft für Nuklear-Service liegt zwei Kilometer außerhalb von Gorleben und ist mit hohen Zäunen und Kameras gesichert. Hier stehen sogar gleich zwei Hallen, in denen Atommüll zwischengelagert wird. Während in der einen schwach- und mittelradioaktive Abfälle lagern, gibt es in der anderen 420 Stellplätze für die so genannten Castoren - die Behälter, die hoch radioaktives Material umschließen. Betriebsleiter Jürgen Auer.
    "Dieses Zwischenlager ist eben genehmigt für die Zwischenlagerung von ausgedienten Brennelementen und zum weiteren für Glaskokillen, die entstehen bei dem Recycling der Brennelemente, eingebunden in einer Glasmasse, die sind zur Endlagerung dann vorgesehen, müssen aber auch dreißig Jahre zwischengelagert werden und dafür kommen die jetzt hier in unser Zwischenlager nach Gorleben, um dann, wenn sie soweit abgekühlt sind und dann ein Endlager auch betriebsbereit ist, dorthin gebracht zu werden."
    80 dieser Atommüllbehälter stehen bereits auf dem Boden der hellgrünen Halle. An diesem Wochenende werden 11 weitere der beigefarbenen, sechs Meter langen und 120 Tonnen schweren Castoren erwartet. Im nächsten Jahr ist kein Castor-Transport vorgesehen, doch innerhalb der nächsten Jahre sollen weitere 33 Transportbehälter angeliefert werden. Dass sie alle jahrzehntelang nur geschützt von einer Stahlbetonhalle gelagert werden sollen, macht vielen Anwohnern Angst. Doch die ist unbegründet, sagt Auer, der Behälter selbst schützt den Inhalt so sicher, dass er sogar ohne Halle draußen stehen könnte.
    "Man hat ja sogar einen Flugzeugabsturz auf die Behälter schon in den 80er Jahren simuliert und dabei auch festgestellt, dass das Inventar dabei dicht eingeschlossen blieb. Also selbst diese extremsten Unfälle sind betrachtet worden, und ich finde es auch ganz gut so, dass die Sicherheit nicht das Gebäude übernehmen muss, sondern der Behälter selber schon bringt. Denn sonst könnten wir mit Recht darüber diskutieren, was ist denn bei einem Ereignis beim Transport."
    Dass beim Transport nichts passiert, dafür sollen Tausende von Polizisten sorgen, die die elf Atommüllbehälter auf dem Weg ins Zwischenlager Gorleben begleiten. In den Hochzeiten der Proteste in den 90er Jahren waren im Wendland fast 20.000 Polizeibeamte zur Sicherung der Castortransporte im Einsatz – Bereitschaftspolizisten vor allem aus Niedersachsen und dem gesamten Bundesgebiet. Schon seit Wochen sind zahlreiche Einsatzwagen im Wendland unterwegs, Polizisten stehen bei Versammlungen und Veranstaltungen in einigen Metern Entfernung und beobachten das Geschehen. Sie greifen nicht ein, sind aber für den Ernstfall vorbereitet.
    "Wasserwerfer – In Höhe der Störer Wasserregen – Wasser marsch!"

    Ein Truppenübungsplatz im Norden von Hannover. Ein riesiges grünes Fahrzeug, aus dessen Dachrohren Wasser spritzt, nähert sich einer demonstrierenden Menschengruppe, gesichert von mehreren Dutzend Polizisten. Kein realer Einsatz für die Beamten der Bereitschaftspolizei Hannover, sondern eine Übung für den Castor. Vor allem für die neuen Kollegen, die gerade von der Polizeiakademie Niedersachsen kommen, sagt Übungsleiter Dirk Waldmann.

    "Dass man dann auch unsere neuen Einsatzkräfte zusammen im Echteinsatz mit den Wasserwerfern einsetzen kann. Das ist der erste Teil, und der zweite Teil wird eine kleine Aufzugsbegleitung sein mit verschiedenen Störereinlagen, wo dann unsere neuen Kollegen drauf reagieren müssen.

    Wir wollen Euch hier nicht – Haut ab! Haut ab!"

    Aufzug ist der polizeiliche Fachbegriff für Demonstration. Störer sind die, die sich bei Demonstrationen mit Gewalt Gehör verschaffen wollen. Mit schwarzen Kapuzenpullis, Sonnenbrillen und Schirmmützen hat sich eine Gruppe von Polizisten als Störer verkleidet. Mit Blechbüchsen, Trillerpfeifen und steingefüllten Plastikkanistern machen sie ohrenbetäubenden Krach. Die meisten Demonstranten beim Castor sind friedlich, doch wir müssen auf das Schlimmste gefasst sein, sagt Rico Wirsich, der den Rädelsführer der Störer mimt.

    "Es fängt mit leichtem Schubsen an, geht dann in Hauen und Stechen über, also körperliche Schläge – auch das nicht ausgeschlossen, aber soweit gehen wir jetzt erst mal nicht. Wir machen jetzt erst mal ganz ruhig, damit die erst mal ein Gefühl dafür kriegen, wie ist das überhaupt mit dem Gegenüber, wie gehe ich damit um."

    Deeskalation – das ist die offizielle Strategie der Polizei im Umgang mit Protesten auch im Wendland. Mit den Demonstranten reden, Autorität ausstrahlen und sich nicht provozieren lassen. Diese Arbeitsauffassung hat auch Frank Busse. Der Hauptkommissar führt bei der Bereitschaftspolizei Hannover eine Hundertschaft an. Die Proteste gegen die Atommülltransporte im Wendland, sagt der 45-Jährige, sind für die niedersächsischen Beamten etwas ganz Besonderes. Zum einen, weil sie auch schon lange vor dem Castortransport vor Ort sind und so mit vielen Bewohnern ins Gespräch kommen, persönliche Bindungen aufbauen können. Und zum anderen, weil viele Polizisten für das Anliegen der Atomkraftgegner durchaus Verständnis aufbringen.

    "Den Menschen im Wendland, die jetzt seit 25 Jahren im Widerstand aktiv sind, denen zolle ich meinen Respekt, denn nachvollziehbar ist, dass keiner in seiner Region vor seiner Haustür vor seinem Garten so ein Endlager haben will, nichtsdestotrotz: Das ist aus unserer Sicht und so nüchtern muss man das auch betrachten, das ist ein genehmigter Schwertransport, und wir haben als Polizei den Auftrag, dafür zu sorgen, dass dieses genehmigte Unterfangen durchgeführt werden kann."

    Auch wenn Dutzende von Traktoren, wie es inzwischen Ritual ist, im Wendland auf Straßen und Schienen stehen und den Transport blockieren. Die Protestbewegung im Wendland gilt als bürgerlich. Wenn die Castoren unterwegs sind, sind es vor allem viele Landwirte, die dem Anti-Atom-Protest rund um Gorleben ein Gesicht geben. Mehrere Hundert von ihnen sind lose organisiert in der bäuerlichen Notgemeinschaft Lüchow-Dannenberg. Ihre Sprecherin, Susanne Kamien, ist zwar selbst keine Landwirtin, kennt aber die Sorgen der Bauern bezüglich eines geplanten Atomendlagers in Gorleben.
    "Sie haben wirklich ihr Land zu verteidigen, und in dem Moment, wo wirklich etwas passieren würde, wo Radioaktivität austreten würde aus dem Zwischenlager, würden sie auch komplett ihre Existenz verlieren, weil den Acker, die Tiere können sie nicht mitnehmen."
    Auch Hans-Jürgen Schwarz ist im Nebenerwerb Landwirt. Seit 1832 lebt seine Familie im Wendland.

    "Wir fühlen uns ganz einfach im Recht. Es ist gut, was wir machen. Dadurch, dass wir meinen, wir sind im Recht, ist es auch eine Pflicht, uns selbst gegenüber, auch allen Nachfolgenden."

    Wie viele seiner Kollegen geht der 52-Jährige beim Protest gegen den Castor bis zum Äußersten, das heißt an seinem Traktor, der die Straße oder die Schiene blockiert, hängt nicht nur ein tonnenschwerer Betonklotz, sondern an dem angekettet nicht selten auch er selbst. So auch im Jahr 2003, bei einer Blockadeaktion in der Ortschaft Grippel.

    "Es war eine wirklich kalte Nacht, und man kann sich da ja wirklich nicht rühren. Rührend war allerdings wieder, dass man sehr gut versorgt wurde von den umstehenden Demonstranten. Es wurde Stroh gebracht, wir haben Tee gekriegt, wir haben Kekse gekriegt. Aber die Hand, die da in dem Block war, die man überhaupt nicht bewegen konnte, also das war schon sehr, sehr unangenehm. "

    Auch morgen Mittag wird Hans-Jürgen Schwarz wieder dabei sein, wenn ab 13 Uhr in Gorleben demonstriert wird. Mehrere zehntausend Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet werden zu den Protesten an diesem Wochenende erwartet. Wir haben in diesem Jahr überhaupt keine Probleme, Menschen zu mobilisieren, sagt Jochen Stay, Sprecher der Bürgerinitiative x-tausendmal-quer. Dutzende von Busse seien auf dem Weg ins Wendland, um mit den Protesten Druck zu machen auf die Politik.

    "Also, wenn die Politik den Eindruck hat, das ist gesellschaftlich nicht durchsetzbar, dann lassen sie es auch sein. Eine Frau Merkel hat sich an Gorleben schon mal die Finger verbrannt, als sie 97/98 Umweltministerin war und hier auch schon die Transporte rollten und sie dann so unter Druck war, dass sie einen Transportstopp verkünden musste, der dann vier Jahre angehalten hat, obwohl sie sehr dafür war, persönlich, dass diese Transporte rollen, aber es war nicht mehr durchsetzbar."

    Und so werden sich auch an diesem Wochenende wieder Tausende von Wendländern – trotz weiträumigen Versammlungsverbot – auf Schienen und Straßen niederlassen, um für ihre Sache zu kämpfen.

    "Sitzen kann nicht Sünde sein, und selbst wenn's so wär, dann wär's mir egal. Lieber will ich sündigen mal, als ohne Rückgrat zu sein. "