Jane Korman: Als ich ihm erzählt habe, dass ich ihn gerne tanzen sehen würde, hat er sehr schnell verstanden, worum es mir geht. Er hat mich unterstützt und gesagt: Ja, wir haben gelitten, wir lagen am Boden, und jetzt tanzen wir.
Alex Buchwald: Warum ist Ihre Mutter nicht mitgekommen?
Korman: Als der Krieg ausbrach, war meine Mutter 14 Jahre alt. Sie ist auf eine nicht-jüdische Schule gegangen, während mein Vater auf einer jüdischen Schule war. Sie hat also sehr viel mehr Antisemitismus zu spüren bekommen und hatte den Eindruck, dass sie ihre ganz eigenen Kämpfe zu kämpfen hatte. Sie ist nicht mitgekommen, weil sie sich von ihrem polnischen Nachbarn, die ihre Familie an die Nazis ausgeliefert haben, verraten fühlt. Außerdem ist es sehr schwierig für sie, nach Auschwitz zurückzukehren, weil sie eine sehr enge Beziehung zu ihrer Mutter hatte. Meine Mutter war 16, als sie nach Auschwitz kam, ihre Mutter 36. Das war das letzte Mal, dass sie ihre Mutter gesehen hat. Es war also zu emotional für sie.
Buchwald: Ihr Film wurde das erste Mal im Dezember 2009 bei einer Ausstellung in Australien gezeigt. Anschließend gab es harsche Kritik, Sie würden nur auf Publicity setzen. Haben Sie das erwartet?
Korman: Ich weiß nicht, ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Ich glaube, mit dieser harschen Kritik habe ich nicht gerechnet. Natürlich weiß man, wenn man an einem solch kontroversen Projekt arbeitet, dass es Menschen geben wird, die es gutheißen, und andere, die werden das nicht tun. Damals waren die Meinungen geteilt. Ich glaube, dass die jüdische Gemeinde in Melbourne meine Arbeiten nicht unterstützt hat. Sie hat sie als sehr verletzend empfunden. Ich denke aber auch, dass sie sehr viel konservativer ist als zum Beispiel die Menschen in Israel, die sehr viel offener sind, experimentierfreudiger, offener auch gegenüber anderen Ausdrucksformen.
Buchwald: Sie sind gerade in Israel, wie fallen denn die Reaktionen dort aus?
Korman: Sehr interessiert, positiv, soweit ich das sagen kann. Ich kann die Reaktionen nur anhand der Kommentare beurteilen, die ich auf der YouTube-Seite im Internet bekommen habe. Da gab es Tausende faszinierende Kommentare, sehr, sehr positive von Menschen, die während des Films geweint haben. Es gab auch sehr hasserfüllte Bemerkungen, die aus der rechten Ecke kamen, wie "Stirb, Jude." Und dann gab es solche von Menschen, die überhaupt keine Verbindung zu Neonazis haben und trotzdem sagen: Sie sollten das nicht tun, das ist geschmacklos.
Buchwald: Vielleicht, weil Millionen Menschen in Lagern wie Auschwitz oder Treblinka ums Leben gekommen sind, wahrscheinlich mehr, als überlebt haben. Verstehen Sie jene, die den Film kritisieren, weil Sie dort tanzen, wo Millionen gestorben sind?
Korman: Ja, natürlich verstehe ich das. Aber meine Antwort lautet: Zunächst einmal tanzen wir einen Freudentanz, der nur an diesen Orten stattfinden konnte. Wenn wir irgendwo auf der Straße oder irgendwo in Israel getanzt hätten, wäre das lange nicht so wirkungsvoll gewesen, und es war mir sehr wichtig, dieses Kunstwerk über die Vergangenheit und über die Zukunft zu schaffen, für die nächste Generation, die nächste jüdische oder nicht-jüdische Generation, ganz egal, um an den Holocaust zu erinnern und daran, wie die Menschheit mit Vorurteilen solch ein Elend verursachen konnte. Wir müssen sehr sorgsam sein, was wir denken und was wir tun. Das ist die Botschaft und die Lektion, die ich der nächsten Generation mitgeben möchte. Die üblichen Bilder, die sie über den Holocaust sehen, haben sie schon oft gesehen, da sind sie abgestumpft. Ich wollte etwas schaffen, um sie wieder zu sensibilisieren, um zum Nachdenken anzuregen, und das passiert gerade.
Buchwald: Ich finde, einer der besten Kommentare ist: Irgendwie glaube ich, dass meine Familie, die nicht überlebt hat, auch irgendwo tanzt. Welcher ist Ihr Lieblingskommentar?
Korman: Ich habe so viele persönliche Favoriten, dass ich eine Seite mit guten und eine mit wütenden Bemerkungen zusammengestellt habe. Eine Nachricht, die ich gestern Nacht bekommen habe, hat mich wirklich zu Tränen gerührt, ganz ehrlich, ich habe ein paar Sekunden geweint. Sie war von einem jungen Mann in Deutschland, der schrieb: Liebe Jane Korman, lieber Adolek Kohn, ich bin ein junger Mann aus Deutschland, 21 Jahre alt. Und dann schrieb er: Entschuldigung, einfach nur: Entschuldigung. Dass er das einfach so geschrieben hat, nachdem er das Video gesehen hat, und dass ihn das so tief bewegt hat, hat mich selbst so gerührt, dass ich ihm einfach geantwortet habe: Vielen Dank für die Nachricht, aber bitte, bitte entschuldige dich nicht. Und dann wusste ich nicht mehr, was ich schreiben sollte. Ich schrieb etwas, wie: Das Leben geht weiter. Wir können nur aus unseren Fehlern lernen und wir können unser Verhalten immer wieder überdenken.
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Alex Buchwald: Warum ist Ihre Mutter nicht mitgekommen?
Korman: Als der Krieg ausbrach, war meine Mutter 14 Jahre alt. Sie ist auf eine nicht-jüdische Schule gegangen, während mein Vater auf einer jüdischen Schule war. Sie hat also sehr viel mehr Antisemitismus zu spüren bekommen und hatte den Eindruck, dass sie ihre ganz eigenen Kämpfe zu kämpfen hatte. Sie ist nicht mitgekommen, weil sie sich von ihrem polnischen Nachbarn, die ihre Familie an die Nazis ausgeliefert haben, verraten fühlt. Außerdem ist es sehr schwierig für sie, nach Auschwitz zurückzukehren, weil sie eine sehr enge Beziehung zu ihrer Mutter hatte. Meine Mutter war 16, als sie nach Auschwitz kam, ihre Mutter 36. Das war das letzte Mal, dass sie ihre Mutter gesehen hat. Es war also zu emotional für sie.
Buchwald: Ihr Film wurde das erste Mal im Dezember 2009 bei einer Ausstellung in Australien gezeigt. Anschließend gab es harsche Kritik, Sie würden nur auf Publicity setzen. Haben Sie das erwartet?
Korman: Ich weiß nicht, ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Ich glaube, mit dieser harschen Kritik habe ich nicht gerechnet. Natürlich weiß man, wenn man an einem solch kontroversen Projekt arbeitet, dass es Menschen geben wird, die es gutheißen, und andere, die werden das nicht tun. Damals waren die Meinungen geteilt. Ich glaube, dass die jüdische Gemeinde in Melbourne meine Arbeiten nicht unterstützt hat. Sie hat sie als sehr verletzend empfunden. Ich denke aber auch, dass sie sehr viel konservativer ist als zum Beispiel die Menschen in Israel, die sehr viel offener sind, experimentierfreudiger, offener auch gegenüber anderen Ausdrucksformen.
Buchwald: Sie sind gerade in Israel, wie fallen denn die Reaktionen dort aus?
Korman: Sehr interessiert, positiv, soweit ich das sagen kann. Ich kann die Reaktionen nur anhand der Kommentare beurteilen, die ich auf der YouTube-Seite im Internet bekommen habe. Da gab es Tausende faszinierende Kommentare, sehr, sehr positive von Menschen, die während des Films geweint haben. Es gab auch sehr hasserfüllte Bemerkungen, die aus der rechten Ecke kamen, wie "Stirb, Jude." Und dann gab es solche von Menschen, die überhaupt keine Verbindung zu Neonazis haben und trotzdem sagen: Sie sollten das nicht tun, das ist geschmacklos.
Buchwald: Vielleicht, weil Millionen Menschen in Lagern wie Auschwitz oder Treblinka ums Leben gekommen sind, wahrscheinlich mehr, als überlebt haben. Verstehen Sie jene, die den Film kritisieren, weil Sie dort tanzen, wo Millionen gestorben sind?
Korman: Ja, natürlich verstehe ich das. Aber meine Antwort lautet: Zunächst einmal tanzen wir einen Freudentanz, der nur an diesen Orten stattfinden konnte. Wenn wir irgendwo auf der Straße oder irgendwo in Israel getanzt hätten, wäre das lange nicht so wirkungsvoll gewesen, und es war mir sehr wichtig, dieses Kunstwerk über die Vergangenheit und über die Zukunft zu schaffen, für die nächste Generation, die nächste jüdische oder nicht-jüdische Generation, ganz egal, um an den Holocaust zu erinnern und daran, wie die Menschheit mit Vorurteilen solch ein Elend verursachen konnte. Wir müssen sehr sorgsam sein, was wir denken und was wir tun. Das ist die Botschaft und die Lektion, die ich der nächsten Generation mitgeben möchte. Die üblichen Bilder, die sie über den Holocaust sehen, haben sie schon oft gesehen, da sind sie abgestumpft. Ich wollte etwas schaffen, um sie wieder zu sensibilisieren, um zum Nachdenken anzuregen, und das passiert gerade.
Buchwald: Ich finde, einer der besten Kommentare ist: Irgendwie glaube ich, dass meine Familie, die nicht überlebt hat, auch irgendwo tanzt. Welcher ist Ihr Lieblingskommentar?
Korman: Ich habe so viele persönliche Favoriten, dass ich eine Seite mit guten und eine mit wütenden Bemerkungen zusammengestellt habe. Eine Nachricht, die ich gestern Nacht bekommen habe, hat mich wirklich zu Tränen gerührt, ganz ehrlich, ich habe ein paar Sekunden geweint. Sie war von einem jungen Mann in Deutschland, der schrieb: Liebe Jane Korman, lieber Adolek Kohn, ich bin ein junger Mann aus Deutschland, 21 Jahre alt. Und dann schrieb er: Entschuldigung, einfach nur: Entschuldigung. Dass er das einfach so geschrieben hat, nachdem er das Video gesehen hat, und dass ihn das so tief bewegt hat, hat mich selbst so gerührt, dass ich ihm einfach geantwortet habe: Vielen Dank für die Nachricht, aber bitte, bitte entschuldige dich nicht. Und dann wusste ich nicht mehr, was ich schreiben sollte. Ich schrieb etwas, wie: Das Leben geht weiter. Wir können nur aus unseren Fehlern lernen und wir können unser Verhalten immer wieder überdenken.
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