Hier, mitten im Zentrum von Tirana, waren sie vier Wochen lang im Hungerstreik: rund 20 Häftlinge aus der Zeit der Hoxha-Diktatur. Zwei Männer übergossen sich mit Benzin und zündeten sich an, einer von ihnen, 47, starb vor wenigen Tagen im Krankenhaus. Es war schockierend, sagt der albanische Politikwissenschaftler Olsi Baze:
"Ich denke, die Art und Weise, wie der Hungerstreik ablief, war sehr schockierend für die Bevölkerung. Der Mann, der jetzt gestorben ist, hat zwei kleine Töchter. Sie haben jetzt keinen Vater mehr. Ich denke, die Ex-Gefangenen haben jedes Recht, das Geld einzufordern, das ihnen als Entschädigung zusteht. Aber sie sollten auf anderen Wegen, mit juristischen Mitteln, um ihre Rechte kämpfen."
Baze, der der heutigen Regierung nahesteht, ist 35, er hat die Diktatur unter Enver Hoxha nur als Kind erlebt. Anders der Schriftsteller Visar Zhiti, 59, der selbst eingekerkert war. Zhiti hat die Hungerstreikenden regelmäßig besucht:
"Sie sind meine Bekannten, meine Freunde, Leute mit denen ich gemeinsam gelitten, gearbeitet habe, in den Minen, in denen wir wie Sklaven gehalten wurden. Ich habe öffentlich an die Regierung appelliert: Ihr müsst den Hungerstreikenden zuhören. Und zu meinen Freunden sagte ich, ihr dürft nicht das Teuerste, Euer Leben opfern, es reicht, dass wir in der Gefangenschaft unser Leben geopfert haben. Wir müssen unser Recht verlangen, aber mit Ordnung und Würde."
Wenn Zhiti über seine eigene Haft erzählt, beginnt man zu begreifen, was die Gefangenen bis 1990 durchgemacht haben. Enver Hoxha, 1944 an die Macht gekommen, wurde zum brutalsten Diktator Osteuropas. Bis zu seinem Tod 1985 brach er zunächst mit Jugoslawien, dann mit der Sowjetunion, kehrte schließlich auch China den Rücken, um im völlig isolierten Albanien Hunderttausende Betonbunker zu bauen und Zehntausende Regimegegner zu verschleppen. Zhiti wurde als 26-Jähriger zu zehn Jahren Straflager verurteilt. Sein Verbrechen: Er schrieb Gedichte:
"Wir schliefen im Straflager mit mehr als 50 Mann in einem Raum, in Dreierstockbetten, eng wie ein Sarg. Die Glocke zum Wecken schlug um Fünf Uhr früh, sieben Tage die Woche. Das Frühstück war immer gleich, auf einem Teller Undefinierbares, wie eine Schuhsohle, auf dem anderen Reis oder Nudeln, dazu immerhin ein Glas Milch. Dann ging es kilometerlang zu Fuß in eines der Bergwerke. Dort haben wir bei bis zu 50 Grad Hitze Eisenerz abgebaut, die Norm war pro Mann pro Tag einen Lastwagen mit Anhänger voll. Von oben tropfte Säure, die einem die Augen verätzen konnte. Die Kleidung war jahrelang nicht gewaschen und schon von vielen anderen benutzt, oft arbeiteten wir nackt. Wir haben das zwar erlebt, doch heute frage ich mich, wie wir es überlebt haben."
Die Realität der Hoxha-Diktatur wird in Albanien weitgehend verdrängt. Wenn in den kommenden Wochen der 100. Jahrestag der nationalen Unabhängigkeit gefeiert wird, geht es viel um den mittelalterlichen Nationalhelden Skanderbeg, auch um den früheren albanischen König Zogu, aber nicht um Lehren aus der kommunistischen Diktatur. Dennoch: Lulzim Basha, als Bürgermeister von Tirana die politische Nummer zwei im Land, sagt zur Frage, ob der Hungerstreik gerechtfertigt war:
"Ich glaube nicht, nein. Wir haben 21.400 Bürger Albaniens, die als Diktatur-Opfer anerkannt sind, die inhaftiert waren, verschleppt wurden oder deren Angehörige exekutiert wurden. Sie alle beziehen eine spezielle Rente und haben zudem Anrecht auf Entschädigung von umgerechnet 14 Euro pro Tag in Haft. Das ist meines Wissens die höchste Entschädigung für Opfer des Kommunismus und es ist keine geringe Summe für ein Land wie Albanien."
Umstritten bleibt allerdings, wie viel die Regierung bisher an Entschädigung ausgezahlt hat. Den meisten Hungerstreikenden wurde am Ende die nächste Rate zugesagt. Das Thema wird nicht verschwinden, sagt der Schriftsteller Visar Zhiti.
"Wir haben hier keine Kultur des Erinnerns. Wir haben diejenigen, die die kommunistische Diktatur getragen haben, noch nicht bestraft, auch moralisch nicht. Man hat uns Ex-Häftlingen zwar Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten gegeben. Aber unsere heutigen Chefs sind immer Leute aus der alten Nomenklatur. Es geht uns besser als früher. Aber auch unseren Verfolgern geht es besser. Die einstigen Feinde des Privateigentums gehören heute zu den Reichsten in Albanien. Und wer damals viel verloren hat, hat auch heute wenig oder nichts."
"Ich denke, die Art und Weise, wie der Hungerstreik ablief, war sehr schockierend für die Bevölkerung. Der Mann, der jetzt gestorben ist, hat zwei kleine Töchter. Sie haben jetzt keinen Vater mehr. Ich denke, die Ex-Gefangenen haben jedes Recht, das Geld einzufordern, das ihnen als Entschädigung zusteht. Aber sie sollten auf anderen Wegen, mit juristischen Mitteln, um ihre Rechte kämpfen."
Baze, der der heutigen Regierung nahesteht, ist 35, er hat die Diktatur unter Enver Hoxha nur als Kind erlebt. Anders der Schriftsteller Visar Zhiti, 59, der selbst eingekerkert war. Zhiti hat die Hungerstreikenden regelmäßig besucht:
"Sie sind meine Bekannten, meine Freunde, Leute mit denen ich gemeinsam gelitten, gearbeitet habe, in den Minen, in denen wir wie Sklaven gehalten wurden. Ich habe öffentlich an die Regierung appelliert: Ihr müsst den Hungerstreikenden zuhören. Und zu meinen Freunden sagte ich, ihr dürft nicht das Teuerste, Euer Leben opfern, es reicht, dass wir in der Gefangenschaft unser Leben geopfert haben. Wir müssen unser Recht verlangen, aber mit Ordnung und Würde."
Wenn Zhiti über seine eigene Haft erzählt, beginnt man zu begreifen, was die Gefangenen bis 1990 durchgemacht haben. Enver Hoxha, 1944 an die Macht gekommen, wurde zum brutalsten Diktator Osteuropas. Bis zu seinem Tod 1985 brach er zunächst mit Jugoslawien, dann mit der Sowjetunion, kehrte schließlich auch China den Rücken, um im völlig isolierten Albanien Hunderttausende Betonbunker zu bauen und Zehntausende Regimegegner zu verschleppen. Zhiti wurde als 26-Jähriger zu zehn Jahren Straflager verurteilt. Sein Verbrechen: Er schrieb Gedichte:
"Wir schliefen im Straflager mit mehr als 50 Mann in einem Raum, in Dreierstockbetten, eng wie ein Sarg. Die Glocke zum Wecken schlug um Fünf Uhr früh, sieben Tage die Woche. Das Frühstück war immer gleich, auf einem Teller Undefinierbares, wie eine Schuhsohle, auf dem anderen Reis oder Nudeln, dazu immerhin ein Glas Milch. Dann ging es kilometerlang zu Fuß in eines der Bergwerke. Dort haben wir bei bis zu 50 Grad Hitze Eisenerz abgebaut, die Norm war pro Mann pro Tag einen Lastwagen mit Anhänger voll. Von oben tropfte Säure, die einem die Augen verätzen konnte. Die Kleidung war jahrelang nicht gewaschen und schon von vielen anderen benutzt, oft arbeiteten wir nackt. Wir haben das zwar erlebt, doch heute frage ich mich, wie wir es überlebt haben."
Die Realität der Hoxha-Diktatur wird in Albanien weitgehend verdrängt. Wenn in den kommenden Wochen der 100. Jahrestag der nationalen Unabhängigkeit gefeiert wird, geht es viel um den mittelalterlichen Nationalhelden Skanderbeg, auch um den früheren albanischen König Zogu, aber nicht um Lehren aus der kommunistischen Diktatur. Dennoch: Lulzim Basha, als Bürgermeister von Tirana die politische Nummer zwei im Land, sagt zur Frage, ob der Hungerstreik gerechtfertigt war:
"Ich glaube nicht, nein. Wir haben 21.400 Bürger Albaniens, die als Diktatur-Opfer anerkannt sind, die inhaftiert waren, verschleppt wurden oder deren Angehörige exekutiert wurden. Sie alle beziehen eine spezielle Rente und haben zudem Anrecht auf Entschädigung von umgerechnet 14 Euro pro Tag in Haft. Das ist meines Wissens die höchste Entschädigung für Opfer des Kommunismus und es ist keine geringe Summe für ein Land wie Albanien."
Umstritten bleibt allerdings, wie viel die Regierung bisher an Entschädigung ausgezahlt hat. Den meisten Hungerstreikenden wurde am Ende die nächste Rate zugesagt. Das Thema wird nicht verschwinden, sagt der Schriftsteller Visar Zhiti.
"Wir haben hier keine Kultur des Erinnerns. Wir haben diejenigen, die die kommunistische Diktatur getragen haben, noch nicht bestraft, auch moralisch nicht. Man hat uns Ex-Häftlingen zwar Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten gegeben. Aber unsere heutigen Chefs sind immer Leute aus der alten Nomenklatur. Es geht uns besser als früher. Aber auch unseren Verfolgern geht es besser. Die einstigen Feinde des Privateigentums gehören heute zu den Reichsten in Albanien. Und wer damals viel verloren hat, hat auch heute wenig oder nichts."