Tobias Armbrüster: Die deutschen Sicherheitsbehörden sind seit einigen Tagen in Alarmbereitschaft, seitdem nämlich eine Paketbombe aus dem Jemen für mehrere Stunden unbemerkt am Flughafen Köln-Bonn lagerte. Alarm ausgelöst haben auch die Paketbomben im Kanzleramt in Berlin und in mehreren Botschaften in Athen. Wie kann man vermeiden, dass der internationale Luftfrachtverkehr zum Transport von Sprengsätzen missbraucht wird? Darüber beraten heute die Innenminister der EU. Der deutsche Innenminister, Thomas de Maizière, ist heute Morgen nach Brüssel abgeflogen. Ich hatte vorher Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und ich habe ihn gefragt, was zurzeit falsch läuft im Luftfrachtverkehr.
Thomas de Maizière: Wir haben jetzt festgestellt, dass es Mängel gibt bei der Luftfracht im Zusammenhang mit den Paketen aus Jemen. Wir haben unterschiedliche Sicherheitsstandards, insbesondere dann, wenn Fracht in Passagiermaschinen transportiert wird. Wir haben auch eine zersplitterte Zuständigkeit. All das wollen wir jetzt aufgreifen.
Armbrüster: Sie wollen nun heute in Brüssel einen Fünf-Punkte-Plan vorlegen, der den Verkehr sicherer machen soll. Unter anderem wollen Sie, das lese ich, dass die Regierung Zugriff erhält auf die Datenbanken von Frachtunternehmen, sodass Behörden also überprüfen können, wer da was an wen verschickt. Wie wollen Sie so etwas einem Datenschützer erklären?
de Maizière: Es geht ja hier um Frachtgut und Pakete und nicht um menschliche Daten. Außerdem werden diese Frachtdaten schon ...
Armbrüster: Aber es gibt ja in Deutschland immer noch ein Briefgeheimnis!
de Maizière: Ja. Es geht ja auch gar nicht darum, das irgendwie zu beeinträchtigen, sondern auch jetzt ist es schon so: Wenn ein Koffer einen verdächtigen Inhalt hat beim Durchleuchten, dann wird der auch aufgemacht. Dann findet der Passagier – das haben bestimmt viele unserer Hörer schon mal erlebt -, dann finden wir einen Zettel "Ihr Koffer wurde aufgemacht" im Koffer. Also, worum es geht, ist folgendes: Jedes Paket hat einen Frachtbrief. Darauf steht der Absender, der Empfänger und der Inhalt. Diesen Inhalt bekommen zum Beispiel die Zollbehörden. Die staatlichen Behörden bekommen das schon jetzt. Und es geht darum, ob man nicht nach bestimmten kritischen Stichworten, die eine Gefährdung signalisieren, und bei bestimmten Flughäfen dann solche Pakete nicht nur durchleuchtet, sondern sich genauer anguckt, um eine Gefährdung auszuschließen.
Armbrüster: Jetzt sagen viele Speditions- und Frachtunternehmen, sie müssten sich schon jetzt an einen riesigen Gesetzes- und Regulierungskatalog halten. Machen wir uns mit solchen Maßnahmen nicht das Frachtgeschäft kaputt?
de Maizière: Das Frachtgeschäft ist sehr wichtig für den Wirtschaftsstandort Europa und Deutschland. Gerade Deutschland ist ein Umschlagort. Daraus erwächst aber auch eine besondere Gefährdung. Diese ist in der Vergangenheit unterschätzt worden und jetzt müssen wir eine richtige Abwägung machen zwischen dem, was ein guter Frachtverkehr und die Logistik verlangt, und dem, was die Sicherheit verlangt. Im Zweifel muss dann die Sicherheit Vorrang haben.
Armbrüster: Können wir dann möglicherweise irgendwann so enden, dass in Deutschland jedes Auto auf einer Autobahn durchleuchtet wird?
de Maizière: Nein. Deswegen geht es immer um einen Abwägungsvorgang. Wir sind ja dabei in Deutschland gerne so, dass die Pendel immer in die eine und die andere Richtung ausschlagen. Entweder wird gar nicht kontrolliert, oder alles kontrolliert. Beides ist falsch. Es gibt ja durchaus sehr gute Kontrollen. Zum Beispiel von den Paketbomben, die an europäische Länder von Griechenland aus geschickt worden sind, hat ein Unternehmen zwei solcher Bomben entdeckt. Eines hat eine solche Bombe, die dann nach Deutschland ging, nicht entdeckt. Wir müssen also die Kontrollen verbessern und insbesondere bei verdächtigen Paketen genauer hingucken. Das ist zumutbar, auch finanzierbar und das wird die Sicherheit erhöhen, ohne den Frachtverkehr zum Erliegen zu bringen.
Armbrüster: Wenn wir jetzt über Sicherheit an Flughäfen gerade auch im Frachtbereich sprechen, ist es dann ein richtiger Schritt, 1000 Stellen bei der Bundespolizei zu streichen, so wie Sie das jetzt geplant haben?
de Maizière: Es gibt keine Streichung bei der Bundespolizei, sondern der Deutsche Bundestag hat beschlossen, für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit von Beamten von 40 auf 41 Stunden. Das bedeutet umgerechnet natürlich mehr Kapazitäten. Diese Kapazitäten abzubauen, ist also kein Stellenabbau, sondern es bedeutet die gleiche Kapazität vor Ort. Dennoch sind wir ja in den Haushaltsberatungen, ich arbeite an diesem Thema. Das ist allerdings für die Öffentlichkeit noch nicht geeignet, warten wir das Ende dieser Woche einmal ab.
Armbrüster: Herr de Maizière, wie groß ist denn die Gefahr von einem Terroranschlag in Deutschland?
de Maizière: Es gibt Grund zu Sorge und Wachsamkeit. Sie wissen, dass ich mit einer solchen Warnung sehr behutsam umgegangen bin in meiner bisherigen Amtszeit.
Armbrüster: Heißt das, an der Lage hat sich jetzt etwas geändert?
de Maizière: Ich wollte keinen Alarmismus und stetige Warnungen stumpfen sich auch ab. Aber jetzt gibt es doch sich verdichtende Hinweise auf Terroranschläge in Europa und in den USA aus verschiedenen Quellen, deren Zuverlässigkeit wir im Einzelnen nicht sicher sagen können. Aber wir nehmen alles sehr ernst, die Sicherheitsbehörden tun alles in ihrer Macht stehende, um für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Es gibt auch keine konkrete Spur, aber doch eine erhöhte Gefahr gegenüber den vergangenen Monaten. Deswegen habe ich das erstmals zum Anlass genommen, dies öffentlich zu machen. Ich bitte auch die Bevölkerung, wachsam zu sein und verdächtige Hinweise der Polizei zu melden.
Armbrüster: Herr de Maizière, eine Sonntagszeitung hat gestern geschrieben, die Bundeskanzlerin sei sauer auf Sie, weil Sie Frau Merkel vor zehn Tagen nicht rechtzeitig über die Paketbombe in Köln-Bonn informiert hätten. Warum haben Sie die Kanzlerin warten lassen mit dieser wichtigen Information?
de Maizière: Das ist natürlich falsch, was da steht. Es gibt auch keine Verstimmung zwischen der Bundeskanzlerin und mir. Wir beide arbeiten prächtig zusammen. Das ist ja ehrlich gesagt auch keine Überraschung für die Öffentlichkeit. Zu dem Zeitpunkt, als die Bundeskanzlerin nach London flog, sind wir aufgrund von Informationen von Großbritannien davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Bombe um einen Fehlalarm handelt. Die Öffentlichkeit und wir wurden dann erst durch die Öffentlichkeit am Nachmittag unterrichtet, dass es doch eine Bombe sei; da war die Bundeskanzlerin längst in London.
Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Innenminister Thomas de Maizière. Vielen Dank für das Gespräch.
de Maizière: Alles Gute auch für Ihre Hörer!
Armbrüster: Danke schön! – Dieses Interview haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
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Thomas de Maizière: Wir haben jetzt festgestellt, dass es Mängel gibt bei der Luftfracht im Zusammenhang mit den Paketen aus Jemen. Wir haben unterschiedliche Sicherheitsstandards, insbesondere dann, wenn Fracht in Passagiermaschinen transportiert wird. Wir haben auch eine zersplitterte Zuständigkeit. All das wollen wir jetzt aufgreifen.
Armbrüster: Sie wollen nun heute in Brüssel einen Fünf-Punkte-Plan vorlegen, der den Verkehr sicherer machen soll. Unter anderem wollen Sie, das lese ich, dass die Regierung Zugriff erhält auf die Datenbanken von Frachtunternehmen, sodass Behörden also überprüfen können, wer da was an wen verschickt. Wie wollen Sie so etwas einem Datenschützer erklären?
de Maizière: Es geht ja hier um Frachtgut und Pakete und nicht um menschliche Daten. Außerdem werden diese Frachtdaten schon ...
Armbrüster: Aber es gibt ja in Deutschland immer noch ein Briefgeheimnis!
de Maizière: Ja. Es geht ja auch gar nicht darum, das irgendwie zu beeinträchtigen, sondern auch jetzt ist es schon so: Wenn ein Koffer einen verdächtigen Inhalt hat beim Durchleuchten, dann wird der auch aufgemacht. Dann findet der Passagier – das haben bestimmt viele unserer Hörer schon mal erlebt -, dann finden wir einen Zettel "Ihr Koffer wurde aufgemacht" im Koffer. Also, worum es geht, ist folgendes: Jedes Paket hat einen Frachtbrief. Darauf steht der Absender, der Empfänger und der Inhalt. Diesen Inhalt bekommen zum Beispiel die Zollbehörden. Die staatlichen Behörden bekommen das schon jetzt. Und es geht darum, ob man nicht nach bestimmten kritischen Stichworten, die eine Gefährdung signalisieren, und bei bestimmten Flughäfen dann solche Pakete nicht nur durchleuchtet, sondern sich genauer anguckt, um eine Gefährdung auszuschließen.
Armbrüster: Jetzt sagen viele Speditions- und Frachtunternehmen, sie müssten sich schon jetzt an einen riesigen Gesetzes- und Regulierungskatalog halten. Machen wir uns mit solchen Maßnahmen nicht das Frachtgeschäft kaputt?
de Maizière: Das Frachtgeschäft ist sehr wichtig für den Wirtschaftsstandort Europa und Deutschland. Gerade Deutschland ist ein Umschlagort. Daraus erwächst aber auch eine besondere Gefährdung. Diese ist in der Vergangenheit unterschätzt worden und jetzt müssen wir eine richtige Abwägung machen zwischen dem, was ein guter Frachtverkehr und die Logistik verlangt, und dem, was die Sicherheit verlangt. Im Zweifel muss dann die Sicherheit Vorrang haben.
Armbrüster: Können wir dann möglicherweise irgendwann so enden, dass in Deutschland jedes Auto auf einer Autobahn durchleuchtet wird?
de Maizière: Nein. Deswegen geht es immer um einen Abwägungsvorgang. Wir sind ja dabei in Deutschland gerne so, dass die Pendel immer in die eine und die andere Richtung ausschlagen. Entweder wird gar nicht kontrolliert, oder alles kontrolliert. Beides ist falsch. Es gibt ja durchaus sehr gute Kontrollen. Zum Beispiel von den Paketbomben, die an europäische Länder von Griechenland aus geschickt worden sind, hat ein Unternehmen zwei solcher Bomben entdeckt. Eines hat eine solche Bombe, die dann nach Deutschland ging, nicht entdeckt. Wir müssen also die Kontrollen verbessern und insbesondere bei verdächtigen Paketen genauer hingucken. Das ist zumutbar, auch finanzierbar und das wird die Sicherheit erhöhen, ohne den Frachtverkehr zum Erliegen zu bringen.
Armbrüster: Wenn wir jetzt über Sicherheit an Flughäfen gerade auch im Frachtbereich sprechen, ist es dann ein richtiger Schritt, 1000 Stellen bei der Bundespolizei zu streichen, so wie Sie das jetzt geplant haben?
de Maizière: Es gibt keine Streichung bei der Bundespolizei, sondern der Deutsche Bundestag hat beschlossen, für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit von Beamten von 40 auf 41 Stunden. Das bedeutet umgerechnet natürlich mehr Kapazitäten. Diese Kapazitäten abzubauen, ist also kein Stellenabbau, sondern es bedeutet die gleiche Kapazität vor Ort. Dennoch sind wir ja in den Haushaltsberatungen, ich arbeite an diesem Thema. Das ist allerdings für die Öffentlichkeit noch nicht geeignet, warten wir das Ende dieser Woche einmal ab.
Armbrüster: Herr de Maizière, wie groß ist denn die Gefahr von einem Terroranschlag in Deutschland?
de Maizière: Es gibt Grund zu Sorge und Wachsamkeit. Sie wissen, dass ich mit einer solchen Warnung sehr behutsam umgegangen bin in meiner bisherigen Amtszeit.
Armbrüster: Heißt das, an der Lage hat sich jetzt etwas geändert?
de Maizière: Ich wollte keinen Alarmismus und stetige Warnungen stumpfen sich auch ab. Aber jetzt gibt es doch sich verdichtende Hinweise auf Terroranschläge in Europa und in den USA aus verschiedenen Quellen, deren Zuverlässigkeit wir im Einzelnen nicht sicher sagen können. Aber wir nehmen alles sehr ernst, die Sicherheitsbehörden tun alles in ihrer Macht stehende, um für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Es gibt auch keine konkrete Spur, aber doch eine erhöhte Gefahr gegenüber den vergangenen Monaten. Deswegen habe ich das erstmals zum Anlass genommen, dies öffentlich zu machen. Ich bitte auch die Bevölkerung, wachsam zu sein und verdächtige Hinweise der Polizei zu melden.
Armbrüster: Herr de Maizière, eine Sonntagszeitung hat gestern geschrieben, die Bundeskanzlerin sei sauer auf Sie, weil Sie Frau Merkel vor zehn Tagen nicht rechtzeitig über die Paketbombe in Köln-Bonn informiert hätten. Warum haben Sie die Kanzlerin warten lassen mit dieser wichtigen Information?
de Maizière: Das ist natürlich falsch, was da steht. Es gibt auch keine Verstimmung zwischen der Bundeskanzlerin und mir. Wir beide arbeiten prächtig zusammen. Das ist ja ehrlich gesagt auch keine Überraschung für die Öffentlichkeit. Zu dem Zeitpunkt, als die Bundeskanzlerin nach London flog, sind wir aufgrund von Informationen von Großbritannien davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Bombe um einen Fehlalarm handelt. Die Öffentlichkeit und wir wurden dann erst durch die Öffentlichkeit am Nachmittag unterrichtet, dass es doch eine Bombe sei; da war die Bundeskanzlerin längst in London.
Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Innenminister Thomas de Maizière. Vielen Dank für das Gespräch.
de Maizière: Alles Gute auch für Ihre Hörer!
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