Archiv


"Wir haben schon ruhige Nächte"

Nachdem die Dresdner Kunstschätze beim Elbe-Hochwasser 2002 zeitweilig in Gefahr waren, sehen sich die Museen dieses Mal gut gerüstet: Gebäude wurden umgebaut, Notfallpläne sind geschmiedet. Das Albertinum und die Gemälde von Caspar David Friedrich sind sicher, sagt Hartwig Fischer.

Hartwig Fischer im Gespräch mit Michael Köhler |
    Michael Köhler: Zur Flut und zu den Bildern. In unterirdischen Depots lagerten 4000 Gemälde, und was bei der Jahrhundertflut anstieg, das war nicht das Elbe-Wasser, sondern rückstauende Kanalisation – eine ziemliche Schweinerei. Sie bedrohte Semperoper, Zwinger und Albertinum, also die staatlichen Kunst- und Gemäldesammlungen in Dresden. – Ich habe mit Hartwig Fischer gesprochen. Er ist seit einem Jahr und einem Tag neuer Direktor der Staatlichen Kunstsammlung in Dresden und hat das Glück, dass es dort einen Um- und Neubau des Albertinums gab. Ich habe ihn gefragt: Wie geht es Ihnen, wie geht es der Staatlichen Kunst- und Gemäldesammlung, können Sie ruhig schlafen?

    Hartwig Fischer: Wir haben schon ruhige Nächte. Ich selbst bin natürlich nicht ruhig, weil ich alle zwei Stunden auf die Nachrichten zur Entwicklung des Wasserpegels schaue. Aber nach der Flutkatastrophe von 2002 haben die Kollegen hier, die vom Museum, die vom Ministerium und die anderen Beteiligten, sehr genaue Notfall-Management-Pläne ausgearbeitet. Die Gebäude sind nachgerüstet worden, um solche Extremsituationen besser auffangen zu können und damit umgehen zu können. Und die Prognosen lauten im Augenblick, dass wir am Scheitelpunkt, den wir in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, oder vielleicht Donnerstag Früh erwarten, nicht über 8,50, 8,80 gehen.

    Wir waren 2002 bei 9,40. Deswegen gehen wir davon aus, wenn es bei dieser Prognose bleibt und die sich auch bewahrheitet, dass wir hier ohne Schaden und auch ohne Wassereinbrüche in irgendwelchen Häusern bei uns das ganze überstehen. Wir haben trotzdem natürlich Vorkehrungen getroffen. Das läuft ganz ruhig, ganz besonnen, ganz umsichtig, gut organisiert. Die Kollegen sind fabelhaft. Und dass man sich so genau überlegt hat, wie man mit solchen Situationen umgeht, das erweist sich jetzt als ganz großer Vorteil.

    Köhler: Ich muss mir also weder um den Klingersaal, noch um Caspar David Friedrich im Albertinum Sorgen machen?

    Fischer: Das ist richtig, dass Sie sich um diese beiden Säle keine Sorgen zu machen brauchen. Die liegen nämlich höher, als das Wasser jemals kommen dürfte. Wenn die geflutet werden, dann haben wir ganz andere Probleme, glaube ich. – Nein, es geht um die wenigen Räume, die bei uns tiefer liegen. Da haben wir Vorsorge getroffen, die sind geräumt worden von uns, vorsorglich, sodass es keine Kunstwerke gibt, die in dem Bereich jetzt im Augenblick sich befinden, den wir, wenn das Wasser höher steigen sollte als vorgesehen, als Gefahrenzone bezeichnen müssen.

    Köhler: Dr. Fischer, Sie haben offenbar gelernt. Es hat ja auch ein bedeutender Umbau, eine Sanierung stattgefunden im Albertinum. Der Leiter des Technischen Dienstes der Sächsischen Kultureinrichtungen, Michael John, hat mal in einem Interview mit dem Deutschlandradio erklärt, dass 2002, um ehrlich zu sein, es eine miserable Notfallkommunikation gab. Mit anderen Worten: Es gab eigentlich keine. Das ist inzwischen anders?

    Fischer: Ja. Es gibt einen Notfallverbund, in den alle größeren kulturellen Institutionen auch eingebunden sind. Die sprechen sich sehr genau ab, da ist die Kommunikation kontinuierlich, sie ist gut organisiert. Und das Gleiche gilt natürlich auch im engeren Kreis unseres Museumsverbundes der Staatlichen Kunstsammlung. Wir sind kontinuierlich in Kontakt miteinander, informieren uns, haben täglich Sitzungen. Jeder weiß, wo wir stehen, jeder weiß, was die anderen im Augenblick machen. Wenn Hilfe benötigt wird, stehen die Kollegen parat. Das ist hervorragend gut organisiert, muss ich sagen.

    Köhler: Das heißt, Sie haben bislang keine Anweisung für irgendwelche Evakuierungen geben müssen?

    Fischer: Ich stehe hier, wo wir gerade sprechen, vor unserer großen Tafel, in der der Leitungsstab täglich festhält, wo wir stehen. Wir haben natürlich schon ein paar Sachen veranlasst. Wir haben einfach aus tiefer liegenden Räumen, zum Beispiel der Porzellansammlung des Albertinums, auch in Schloss Pillnitz, die wenigen Sachen, die da als Kunstwerke zwischengelagert sind, rausgenommen. Wir haben auch anderes Equipment rausgenommen, damit es keinen Schaden nimmt. Aber die Maßnahmen sind alle sehr überschaubar. Wir haben auch kein Museum schließen müssen, außer Pillnitz, worin wir eben unser Kunstgewerbemuseum haben. Die gesamte Park- und Schlossanlage Pillnitz ist jetzt erst mal geschlossen, das wird wahrscheinlich auch bis zum 16. Juni so bleiben. Aber ansonsten sind bei uns alle Museen auf.

    Köhler: Als wir das letzte Mal mit dem Direktor der Staatlichen Kunst- und Gemäldesammlung sprachen, da stand der in Gummistiefeln am Telefon. Sie sitzen da jetzt hoffentlich in Anzug und Schuhen, oder?

    Fischer: Das ist so. Als ich vorhin über die Brücke ging, waren wir bei 7,50 Meter Pegel. Das heißt, der gesamte Bereich Innenstadt, Schloss, Zwinger, Semperoper, ist ohne Wasser. Nun sind in der Zwischenzeit ja auch weitere Maßnahmen ergriffen worden: Man hat die Ufermauern etwas hochgezogen, man hat jetzt aus gegebenem Anlass Spundwände aufgebaut. Alles um die Elbe, an der Elbe entlang ist einfach besser vorbereitet. Das heißt nicht, dass es nicht natürlich ganz dramatische Situationen gibt, aber was man hat machen können, das ist hier in Dresden getan worden.

    Köhler: …, sagt Hartwig Fischer, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung Dresden.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.