Peter Kapern: Der Tag gehört ganz bestimmt zu den wichtigsten in der deutschen Geschichte: der 18. März 1848. Tausende Menschen hatten sich vor dem Berliner Stadtschloss versammelt, um zu hören, wie Preußenkönig Friedrich-Wilhelm IV. auf ihre Forderungen nach demokratischen Reformen und nationaler Vereinigung antworten würde. Dann fielen zwei Schüsse: Absicht oder nicht – niemand weiß es. Sie waren jedenfalls der Auftakt zu Barrikadenkämpfen, bei denen mehr als 300 Menschen starben, und sie waren der Auftakt zur Revolution in Deutschland, was viele Menschen aber gar nicht mehr wissen.
1978 hat sich in Berlin unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Heinrich Albertz und der Schriftstellerin Ingeborg Drewitz eine Bürgerinitiative gegründet, die das Ziel verfolgte, den 18. März zum gemeinsamen Nationalfeiertag im damals noch geteilten Deutschland zu machen. Heute begehen wir den 3. Oktober im vereinigten Deutschland. Gleichwohl arbeitet die Initiative weiter unermüdlich daran, den 18. März nun zumindest zu einem nationalen Gedenktag zu machen. Und dafür gibt es viel Rückhalt. Das Berliner Abgeordnetenhaus unterstützte die Forderung schon 2008 einstimmig und auch im Bundestag stößt die Forderung auf viel Sympathie.
- Auch beim Vizepräsidenten des Bundestages, Hermann Otto Solms von der FDP. Guten Morgen!
Hermann Otto Solms: Guten Morgen.
Kapern: Herr Solms, warum soll der 18. März ein nationaler Gedenktag sein?
Solms: Nun, das war die erste bürgerliche liberale Revolution in Deutschland, die dann zum Paulskirchen-Parlament geführt hat. Die Revolution fand ja nicht nur in Preußen statt, ging von Baden aus, ursprünglich von Frankreich aus. Und hat viele deutsche Länder, aber auch europäische Länder erfasst. Und das Paulskirchen-Parlament in Frankfurt hat ja dann in sehr kurzer Zeit eine für damalige Verhältnisse sehr, sehr fortschrittliche Verfassung erarbeitet. Leider hat die Restauration und haben die alten Kräfte der Monarchie dann doch auf Dauer die überhand gewonnen und die Revolution wieder mehr oder weniger erstickt.
Kapern: Ist dieser Tag denn lediglich ein wichtiges historisches Datum oder bietet er auch, na ja, sagen wir, Anregung für die deutsche Gegenwart?
Solms: Nun, er erinnert jedenfalls daran, dass es sich lohnt, sich einzumischen. Dass die Demokratie eben die fortschrittlichste und modernste Staatsverfassung ist. Und Demokratie heißt, dass jeder verantwortlich ist, der Souverän ist das deutsche Volk. Das heißt, jedes Mitglied des Volkes ist mitverantwortlich für das politische Geschehen im Lande. Und das wäre eben für Deutschland eine riesige Chance schon damals gewesen. Ich glaube, wir hätten die Weltkriege im 20. Jahrhundert vermeiden können, wenn wir damals schon jedenfalls eine parlamentarische Monarchie erhalten hätten, was ja Ziel des Paulskirchen-Parlamentes war.
Kapern: Sie sagen, die Botschaft dieses Tages sei, es lohnt sich, sich einzumischen. Fehlt es Deutschland heute an revolutionärem Geist?
Solms: Nun, wir haben ja eine Demokratie, wir brauchen diese Revolution nicht mehr.
Kapern: Aber fehlt es an antiautoritärem Engagement?
Solms: Es fehlt an Engagement. Das ist das Entscheidende. Jeder muss wissen, jeder ist mitverantwortlich und alle politischen Themen, über die sich viele so beklagen und auf die Politiker da oben schimpfen, muss daran erinnern, dass jeder sich mit einbringen und mit einmischen kann. Und zwar nicht nur in Wahlen, sondern auch in der täglichen Diskussion, im täglichen Geschehen. Das ist eben wichtig, dass man sieht, in Deutschland gab es diese Kräfte auch. Sie konnten sich leider zu der Zeit noch nicht durchsetzen. Es hat dann weiterer 100 Jahre bedurft, bis dann die zweite friedliche Revolution in dem Fall kam, nämlich 1989 in der DDR, was ja dann zum 18. März 1990 zur ersten freien Volkskammerwahl geführt hat, zufälligerweise am gleichen Datum.
Kapern: Nun gibt es einen Einwand gegen die Einführung eines nationalen Gedenktages am 18. März, der immer wieder vorgebracht wird. Und der lautet: Das Datum und seine Bedeutung sei den Menschen in Deutschland einfach nicht mehr präsent.
Solms: Na ja, gut: Das ist ja nun eine Frage der Aufklärung. Man muss die Menschen auch damit befassen. Und wenn man so einen Gedenktag einführt, hat das vielleicht auch die Chance, dass die Menschen sich mit der historischen Entwicklung befassen und auch sehen, welche Bedeutung eben diese demokratische Entwicklung hat. Und dass Demokratie eben kein Selbstzweck ist, sondern dass Demokratie heißt: Mitmachen, jeder muss sich einbringen.
Kapern: Nun gibt es, das sagte ich ja schon, viel Sympathie für so einen nationalen Gedenktag im Bundestag. Gleichwohl hat es keine fraktionsübergreifende Petition an den Bundespräsidenten gegeben, der dafür zuständig ist, den 18. März zum nationalen Gedenktag zu erklären. Warum nicht und wie könnte man diesen nationalen Gedenktag jetzt noch einführen?
Solms: Ich hoffe, dass es zu einem Gruppenantrag eines Tages kommt, der nicht unter der Vorherrschaft der Fraktionen stattfindet. Das ist das eine. Das Zweite ist, dass das zeigt, dass auch unter den Abgeordneten es an historischen Kenntnissen darüber zu fehlen scheint. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum einzelne anderer Meinung sind. Da sind beispielsweise die Abgeordneten aus Baden, die sagen, das war ja eigentlich die badische Revolution. Oder es hat seinen Ursprung in Baden genommen, was ja historisch auch wichtig ist innerhalb Deutschlands. Aber es spielte in dem Sinne nicht die Rolle, denn Preußen war der stärkste und wichtigste Staat im deutschen Bund damals und die Barrikaden in Berlin waren sozusagen der Kulminationspunkt, auf den dies hinweist. Und nicht umsonst hat ja auch das Paulskirchen-Parlament dem damaligen preußischen König Friedrich-Wilhelm IV. angetragen, deutscher Kaiser in einer konstitutionellen Monarchie zu werden. Hätte er dieses angeboten, hätte die Geschichte einen völlig anderen Verlauf genommen.
Kapern: Der Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms fordert die Einführung eines nationalen Gedenktages am 18. März. Herr Solms, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Solms: Vielen Dank – auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
1978 hat sich in Berlin unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Heinrich Albertz und der Schriftstellerin Ingeborg Drewitz eine Bürgerinitiative gegründet, die das Ziel verfolgte, den 18. März zum gemeinsamen Nationalfeiertag im damals noch geteilten Deutschland zu machen. Heute begehen wir den 3. Oktober im vereinigten Deutschland. Gleichwohl arbeitet die Initiative weiter unermüdlich daran, den 18. März nun zumindest zu einem nationalen Gedenktag zu machen. Und dafür gibt es viel Rückhalt. Das Berliner Abgeordnetenhaus unterstützte die Forderung schon 2008 einstimmig und auch im Bundestag stößt die Forderung auf viel Sympathie.
- Auch beim Vizepräsidenten des Bundestages, Hermann Otto Solms von der FDP. Guten Morgen!
Hermann Otto Solms: Guten Morgen.
Kapern: Herr Solms, warum soll der 18. März ein nationaler Gedenktag sein?
Solms: Nun, das war die erste bürgerliche liberale Revolution in Deutschland, die dann zum Paulskirchen-Parlament geführt hat. Die Revolution fand ja nicht nur in Preußen statt, ging von Baden aus, ursprünglich von Frankreich aus. Und hat viele deutsche Länder, aber auch europäische Länder erfasst. Und das Paulskirchen-Parlament in Frankfurt hat ja dann in sehr kurzer Zeit eine für damalige Verhältnisse sehr, sehr fortschrittliche Verfassung erarbeitet. Leider hat die Restauration und haben die alten Kräfte der Monarchie dann doch auf Dauer die überhand gewonnen und die Revolution wieder mehr oder weniger erstickt.
Kapern: Ist dieser Tag denn lediglich ein wichtiges historisches Datum oder bietet er auch, na ja, sagen wir, Anregung für die deutsche Gegenwart?
Solms: Nun, er erinnert jedenfalls daran, dass es sich lohnt, sich einzumischen. Dass die Demokratie eben die fortschrittlichste und modernste Staatsverfassung ist. Und Demokratie heißt, dass jeder verantwortlich ist, der Souverän ist das deutsche Volk. Das heißt, jedes Mitglied des Volkes ist mitverantwortlich für das politische Geschehen im Lande. Und das wäre eben für Deutschland eine riesige Chance schon damals gewesen. Ich glaube, wir hätten die Weltkriege im 20. Jahrhundert vermeiden können, wenn wir damals schon jedenfalls eine parlamentarische Monarchie erhalten hätten, was ja Ziel des Paulskirchen-Parlamentes war.
Kapern: Sie sagen, die Botschaft dieses Tages sei, es lohnt sich, sich einzumischen. Fehlt es Deutschland heute an revolutionärem Geist?
Solms: Nun, wir haben ja eine Demokratie, wir brauchen diese Revolution nicht mehr.
Kapern: Aber fehlt es an antiautoritärem Engagement?
Solms: Es fehlt an Engagement. Das ist das Entscheidende. Jeder muss wissen, jeder ist mitverantwortlich und alle politischen Themen, über die sich viele so beklagen und auf die Politiker da oben schimpfen, muss daran erinnern, dass jeder sich mit einbringen und mit einmischen kann. Und zwar nicht nur in Wahlen, sondern auch in der täglichen Diskussion, im täglichen Geschehen. Das ist eben wichtig, dass man sieht, in Deutschland gab es diese Kräfte auch. Sie konnten sich leider zu der Zeit noch nicht durchsetzen. Es hat dann weiterer 100 Jahre bedurft, bis dann die zweite friedliche Revolution in dem Fall kam, nämlich 1989 in der DDR, was ja dann zum 18. März 1990 zur ersten freien Volkskammerwahl geführt hat, zufälligerweise am gleichen Datum.
Kapern: Nun gibt es einen Einwand gegen die Einführung eines nationalen Gedenktages am 18. März, der immer wieder vorgebracht wird. Und der lautet: Das Datum und seine Bedeutung sei den Menschen in Deutschland einfach nicht mehr präsent.
Solms: Na ja, gut: Das ist ja nun eine Frage der Aufklärung. Man muss die Menschen auch damit befassen. Und wenn man so einen Gedenktag einführt, hat das vielleicht auch die Chance, dass die Menschen sich mit der historischen Entwicklung befassen und auch sehen, welche Bedeutung eben diese demokratische Entwicklung hat. Und dass Demokratie eben kein Selbstzweck ist, sondern dass Demokratie heißt: Mitmachen, jeder muss sich einbringen.
Kapern: Nun gibt es, das sagte ich ja schon, viel Sympathie für so einen nationalen Gedenktag im Bundestag. Gleichwohl hat es keine fraktionsübergreifende Petition an den Bundespräsidenten gegeben, der dafür zuständig ist, den 18. März zum nationalen Gedenktag zu erklären. Warum nicht und wie könnte man diesen nationalen Gedenktag jetzt noch einführen?
Solms: Ich hoffe, dass es zu einem Gruppenantrag eines Tages kommt, der nicht unter der Vorherrschaft der Fraktionen stattfindet. Das ist das eine. Das Zweite ist, dass das zeigt, dass auch unter den Abgeordneten es an historischen Kenntnissen darüber zu fehlen scheint. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum einzelne anderer Meinung sind. Da sind beispielsweise die Abgeordneten aus Baden, die sagen, das war ja eigentlich die badische Revolution. Oder es hat seinen Ursprung in Baden genommen, was ja historisch auch wichtig ist innerhalb Deutschlands. Aber es spielte in dem Sinne nicht die Rolle, denn Preußen war der stärkste und wichtigste Staat im deutschen Bund damals und die Barrikaden in Berlin waren sozusagen der Kulminationspunkt, auf den dies hinweist. Und nicht umsonst hat ja auch das Paulskirchen-Parlament dem damaligen preußischen König Friedrich-Wilhelm IV. angetragen, deutscher Kaiser in einer konstitutionellen Monarchie zu werden. Hätte er dieses angeboten, hätte die Geschichte einen völlig anderen Verlauf genommen.
Kapern: Der Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms fordert die Einführung eines nationalen Gedenktages am 18. März. Herr Solms, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Solms: Vielen Dank – auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.