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"Wir können optimistisch sein"

Nach Ansicht des Außenministers des EU-Neumitglieds Zypern, Markos Kyprianou, wird es in diesem Jahrzehnt ein wiedervereinigtes Zypern geben. Wichtig sei, dass die Türkei die türkisch-zypriotische Seite frei über die eigene Zukunft verhandeln lasse, betonte der Politiker.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Erst wenige Wochen ist es her, da geschah in Nikosia, der seit Jahrzehnten geteilten Hauptstadt Zyperns, etwas, was neue Hoffnung nährte. Hoffnung darauf, dass es nach vielen gescheiterten Versuchen nun doch endlich zu einer Wiedervereinigung kommen könnte zwischen dem griechisch-zyprischen und dem türkisch besetzten Teil in Norden der Mittelmeerinsel. Diese symbolträchtige Öffnung der Ledrastraße mitten in der Altstadt wurde schon verglichen mit der Öffnung des Brandenburger Tors. Doch auch, wenn auf beiden Seiten die Zeit der Scharfmacher abgelaufen scheint, noch war auf Zypern jeder Anlauf für eine Friedenslösung gescheitert. Die Zypernfrage stand im Mittelpunkt der Gespräche, die der Außenminister des EU-Neumitglieds Zypern, Markos Kyprianou, in Berlin führte. Wir hatten die Gelegenheit, vor der Sendung mit ihm zu sprechen. Herr Außenminister im Jahr 2004 lehnten die griechischen Zyprer den Wiedervereinigungsplan des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan ab, während die türkischen Zyprer ihm zustimmten. Wie stark ist der Wunsch der Insel-Griechen nach einer Wiedervereinigung?

    Markos Kyprianou: In der Tat, Sie haben das ganz richtig formuliert. Die griechischen Zyprer haben einen spezifischen Plan abgelehnt, nicht die Idee der Wiedervereinigung selbst, die die griechischen Zyprer genauso wünschen wie jeder andere auch. Es war nur ein Scheitern eines spezifischen Plans, der nicht nur unfair sondern auch nicht handhabbar war, und der nach wenigen Monaten zusammengebrochen wäre.

    Heckmann: Weshalb war der Plan nicht fair?

    Kyprianou: Weil viele der Hauptanliegen der griechischen Zyprer nicht berücksichtigt worden sind und diese glaubten, dass es mehr Verhandlungen und Diskussionen bedürfe. Auch einige praktische Aspekte im Zusammenhang mit dem Funktionieren des föderalen Staates, der mit diesem Plan entstehen sollte, waren noch nicht fertig. Es ging nur um diesen konkreten Plan. Aber der Wunsch nach einer Verhandlungslösung ist da. Das wurde immer wieder zum Ausdruck gebracht. Das ist der Grund, warum die Bevölkerung den Präsidenten Zyperns als politischen Führer der griechischen Zyprer in diesem neuen Versuch unterstützt, eine Lösung zu erreichen.

    Heckmann: Sie haben einen neuen Präsidenten, Dimitris Christofias, und es gibt einen neuen politischen Führer im türkischen Norden, Mehmet Ali Talat. Anfang April ist ein Checkpoint in der Ledrastraße eröffnet worden, ein sehr symbolischer Akt. Wie groß also sind die Chancen für eine Lösung der Zypernfrage jetzt?

    Kyprianou: Wir können optimistisch sein, sollten aber gleichzeitig realistisch bleiben. Man muss sich vergegenwärtigen, es handelt sich um ein sehr komplexes Problem. Es ist wahr, die Öffnung des Checkpoints an der Ledrastraße war ein gutes Zeichen dafür, dass auch ein schwieriges Thema einer Lösung zugeführt werden kann. Aber die Tatsache, dass wir einen Grenzübergang haben, erinnert uns alle daran, dass immer noch eine Mauer die beiden Volksgruppen voneinander trennt. Tatsache ist, dass die beiden Führer sich kennen, miteinander gearbeitet haben, dass eine gute Chemie zwischen ihnen besteht. Auch wenn die Positionen bei den schwierigsten Themen noch ziemlich weit voneinander entfernt sind, der Wille, eine Lösung zu finden und dafür zu arbeiten, ist da, auch wenn es sich um einen schwierigen Prozess handelt. Wichtig ist, dass die Türkei, die immer ein Akteur in diesen Bemühungen ist, weiter eine positive Haltung einnimmt und die türkisch-zypriotische Seite frei über die eigene Zukunft verhandeln lässt.

    Heckmann: Was sind Sie bereit, der anderen Seite zu geben?

    Kyprianou: Da gibt es einige sehr wichtige Punkte, die erhalten werden müssen. Einer davon ist die Kontinuität der Republik Zypern. Wir lehnen den Plan ab, der als jungfräuliche Geburt bezeichnet worden ist, die Vorstellung, dass zwei unabhängige Staaten zusammengehen und eine neue Konföderation bilden. Es ist unabdingbare Voraussetzung, dass eine Lösung für Kontinuität sorgt und die Einheit Zyperns als ein Land garantiert. Der Kompromiss, den wir bereits eingegangen sind, ist, dass wir das bizonale, föderale System akzeptiert haben mit politischer Gleichberechtigung für beide Seiten. Das bedeutet, dass es eine Garantie gibt, dass die Administration jeweils einen Teil des Landes verwaltet. Es kann Zugeständnisse geben in Bezug auf die Verwaltung und das Verfassungssystem, um eine wirklich gleichberechtigte Partnerschaft zu erreichen. Aber man darf auch nicht vergessen, dass eine Lösung des Zypernproblems den Inseltürken mit einem Schlag alle Vorteile der Europäischen Union bringen wird. Schon jetzt können die, die einen Pass der Republik Zypern bekommen, individuell einige dieser Vorteile nutzen. Als Einheit aber würden sie von allen Vorteilen profitieren, die mit der EU verbunden sind.

    Heckmann: Herr Außenminister, es sind immer noch 40.000 türkische Soldaten im Norden stationiert. Glauben Sie, die türkische Regierung und das türkische Militär sind bereit, sie zurückzuziehen?

    Kyprianou: Das ist sozusagen die Eine-Million-Dollar-Frage. Das ist auch ein wichtiger Punkt für die Rolle der EU, die Türkei zu ermutigen, eine Einigung zwischen Zyprern aus strategischen Interessen heraus nicht zu blockieren. Tatsache ist, dass ein vereinigtes Zypern in der EU die Präsenz ausländischer Truppen nicht benötigen wird, dass die türkischen Zyprer keinen Schutz brauchen werden, denn die Europäische Union selbst beschützt alle ihre Bürger. Ich glaube, es ist sowohl im Interesse der türkischen Zyprer als auch der Türken selbst, die Truppen von der Insel abzuziehen. Es würde eine Menge Geld sparen und sie wären in der Lage, sich auf andere Prioritäten zu konzentrieren. Es mag schwierig sein, diesen Punkt zu akzeptieren. Aber ich denke, durch den Verhandlungsprozess wird man eines Tages die Sache realistischer sehen, sodass es möglich sein sollte zu akzeptieren, dass es keine Notwendigkeit mehr für diese Truppen gibt.

    Heckmann: Die türkische Regierungspartei AKP sieht sich einem Verbotsverfahren gegenübergestellt. Die politische Krise in der Türkei, ist die gut oder schlecht für die jetzigen Verhandlungen?

    Kyprianou: Das macht die Sache sehr viel komplizierter. Und trotzdem, auch wenn wir noch nicht Auge in Auge mit der Türkei am Verhandlungstisch sitzen, wie das am Ende der Verhandlungen sein wird, haben wir doch zur Kenntnis zu nehmen, dass die AKP und Ministerpräsident Erdogan akzeptiert haben, dass es ein Problem auf der Insel gibt, das gelöst werden muss. Sie haben die seit Jahrzehnten geltende Politik geändert, wonach es kein Zypernproblem gebe, dass das Problem gelöst wurde durch die türkische Invasion im Jahr 1974, dass nichts zu diskutieren sei. Wir haben die positive Haltung der türkischen Regierung zur Kenntnis zu nehmen, die akzeptiert hat, dass es eine Notwendigkeit für eine Lösung gibt. Jede Schwächung der Regierung wird es für sie schwieriger machen, Zugeständnisse zu machen, wenn die Zeit für Entscheidungen der Moment der Wahrheit gekommen ist, bei der Truppenfrage beispielsweise. Wir beobachten die Entwicklungen in der Türkei mit einiger Sorge und wir hoffen, dass dieses Thema so schnell wie möglich gelöst wird zugunsten demokratischer Institutionen und des politischen Systems.

    Heckmann: Herr Kyprianou, Sie halten sich derzeit in Berlin auf und haben das Brandenburger Tor gesehen, nehme ich an. Wenn Sie dieses geöffnete Tor sehen, sind Sie optimistisch, dass wir in diesem Jahrzehnt ein wiedervereinigtes Zypern werden?

    Kyprianou: Das bin ich in der Tat. Und ich bin sehr ermutigt von den Menschen auf Zypern. Wenn Sie die Menschen sehen, dann stellen Sie fest, dass sie eine Lösung wollen. Die Zusammenarbeit der letzten Jahre zwischen griechischen und türkischen Zyprern hat gezeigt, dass die Menschen ohne jede Probleme miteinander leben können. Die Politiker auf der Insel, aber noch wichtiger, auch außerhalb der Insel sollten dies akzeptieren und zur Kenntnis nehmen. Mit der Unterstützung der EU und mit Beharrungsvermögen, denn es wird kein einfacher Prozess, bin ich ziemlich optimistisch, dass wir eine Lösung erreichen können.

    Heckmann: Markos Kyprianou, der Außenminister der Republik Zypern im Deutschlandfunk-Interview.