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"Wir könnten einen breiteren Energiemix haben"

Geologie. - Auf der dänischen Insel Bornholm hat eine Forschungsbohrung begonnen, um das Potential des so genannten Shale Gas für die Energieversorgung Europas zu erkunden. Shale Gas ist in Schiefergestein gespeichertes Erdgas und gehört zu den nichtkonventionellen Erdgasvorkommen. Der Projektleiter Professor Brian Horsefield vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter.

    Krauter: Herr Horsefield, was genau passiert da gerade auf Bornholm?

    Horsefield: Wir werden eine Bohrung absenken bis in 50 Meter Tiefe, um eine geologische Formation zu untersuchen. Diese Formation heißt Alum-Shale, oder Alaun-Schiefer. Dieser Schiefer ist 500 Millionen Jahre alt und innen drin in dieser shale kann es sein, dass wir Gas finden. Wir möchten dieses Gas untersuchen, um zu verstehen, wie viel Gas und woher dieses Gas kommt.

    Krauter: Es geht also um das Ausloten neuer Möglichkeiten zur Gewinnung von Erdgas. Das ist das Ziel dieser Bohrung?

    Horsefield: So ist es. Unser Ziel ist es, diesen Schiefer zu untersuchen und zu erforschen. Aber das Hauptendprodukt, da haben Sie recht, wir möchten sehen, ob dieser Schiefer eine zukünftige Gasquelle sein könnte für Europa.

    Krauter: Es gibt in der Nähe von New York, habe ich gelesen, ein großes Projekt, wo schon Erdgas aus Schiefer gefördert wird. Wissen Sie denn, wie groß die Ressourcen überhaupt sind, die man weltweit oder auch nur in Europa ernten könnte, wenn das klappen würde?

    Horsefield: Ja. Die Gasressourcen in Europa, die werden vielleicht vier oder fünf Mal höher, wenn diese neue Quelle produzieren könnte. Es könnte einen sehr großen Unterschied machen in Zukunft, wir könnten einen breitere Energiemix haben und nicht vielleicht so viel Gas aus der ehemaligen Sowjetunion importieren. Die Menge ist relativ groß.

    Krauter: Bei der Bohrung jetzt auf Bornholm geht es erst einmal um das Ziel von Bohrkernen für wissenschaftliche Analysen. Sie haben es kurz gesagt. Weiß man denn schon, wie man das im Schiefergestein gefangene Erdgas im Ernstfall fördern könnte? In den USA tut man das ja schon, aber so ganz einfach kann es ja nicht sein, weil der Druck dieses Erdgas wahrscheinlich kleiner ist als bei normalem konventionellen Erdgas?

    Horsefield: Ja, Sie haben recht. Diese unkonventionellen Lagerstätten, sie müssen künstlich zerbrochen werden. Nicht an der Oberfläche, sondern im Untergrund. Und im Untergrund, das heißt, irgendwo, die Gesteine liegen zwischen 1,5 und 2,5 Kilometer tief. Man muss mit sehr viel Wasserdruck und Sand kleine neue Risse da bilden, und dann das Erdgas, das in sehr feinen Porenraum existiert, das fließt dann raus. Aber es fließt nicht von allein raus. Unsere Bohrung ist sehr, sehr flach, wie gesagt, nur 50 Meter. Wir untersuchen die Eigenschaften von diesem shale, und wir werden dann vorhersagen, wie es aussieht, wenn diese shale statt 50 Meter 1,5 Kilometer tief wäre.

    Krauter: Nun muss man bei Bohrprojekten dieser Art heutzutage immer auch nach Umweltrisiken fragen. Die gibt es ja auch bei dem Erdgas, das in Schiefergestein gefangen ist. In den USA war auch zu lesen von massiven Verschmutzung des lokalen Trinkwassers. Inwiefern könnte das denn zu einem Problem werden bei diesem Verfahren?

    Horsefield: Ja, wir müssen diese Gefahr sehr ernst nehmen. Das ist klar. Wir müssen sicher sein, dass, falls wir das produzieren wollen, dass wir das mit großer Sicherheit machen können. Vielleicht als Hintergrund: In den USA gibt es um die 40.000 Bohrungen. Und es gibt bei manchen Probleme, das ist klar. Es gibt Angst, dass zum Beispiel man zu viel Wasser benutzt, oder dass es Leckagen gibt, aus diesen Bohrungen in das Aquifer, und es gibt auch andere mögliche Probleme. Hier in Europa, wir sind ganz am Anfang der Exploration. Es gibt keine Produktion. Aber wir hier am GFZ und in Verbindung mit anderen Universitäten und Instituten möchten die drei Sachen zusammen erforschen, das heißt: Exploration, Produktion und Umweltprobleme. Es ist ein spannendes Thema, ich weiß das. Aber ich denke, man muss einen qualifizierten Überblick bekommen, wie gefährlich ist es, unter welchen Randbedingungen. Und wir möchten das Schritt für Schritt erforschen.