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Wir müssen "auf null Emissionen kommen"

Zwei Grad bedeuten die Welt: Mehr darf sich unser Planet nach Stand der Wissenschaft nicht weiter aufheizen. China und die USA werden bei der UNO-Klimakonferenz um Prozentpunkte der CO2-Reduktionen feilschen. Anders Levermann formuliert ehrlicher: Das Ziel heiße null Emissionen - und der Abschied vom gewohnten Lebensstandard.

    Stefan Heinlein: Keine Worte mehr sondern Zeit für Taten, so der dramatische Appell zu Beginn des UN-Klimagipfels. Noch allerdings wird in Kopenhagen vor allem geredet und verhandelt. Erst in der kommenden Woche wird sich entscheiden, ob die Staats- und Regierungschefs aus aller Welt die Entschlossenheit aufbringen, um gemeinsam die Erwärmung unseres Planeten zu stoppen. Gefordert sind nicht allein die großen Industrienationen, auch die Schwellen- und Entwicklungsländer müssen ihren Teil dazu beitragen. Eine besondere Rolle hat Brasilien, dort ist die "grüne Lunge" unseres Planeten. Die zunehmende Abholzung des Regenwaldes hat dramatische Folgen.
    Über Kopenhagen hat meine Kollegin Bettina Klein mit dem Potsdamer Klimaforscher Anders Levermann gesprochen und sie hat ihn zunächst gefragt, was er als Wissenschaftler von den kommenden Tagen des Klimagipfels erwartet.

    Anders Levermann: Wir wissen mittlerweile, dass, um gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, wir unter 2 Grad globale Erwärmung bleiben müssen. Um diese 2 Grad noch halten zu können, müssen die CO2-Emissionen weltweit innerhalb der nächsten 5 bis 15 Jahre ihren Höhepunkt erreichen und dann drastisch abfallen. Je länger wir warten mit einer solchen Reduktion, desto stärker muss später die Reduktion werden, und das kann entweder gar nicht mehr schaffbar sein, oder extrem teuer. Deswegen ist es sehr wichtig, was in Kopenhagen dieses Jahr rauskommt.

    Bettina Klein: Von wem hängt der Fortgang der Konferenz in dieser Woche am stärksten ab?

    Levermann: Das sind natürlich die großen Spieler, die Vereinigten Staaten und China, aber natürlich ist auch wichtig, welche Rolle die Europäische Union spielt und auch Russland spielt eine gewisse Rolle.

    Klein: Um noch mal einen Punkt rauszugreifen. Das Jahr, welches als Basis bei der Reduktion der Emission gilt, da geht der Streit schon los: Nehmen wir 1990, oder nehmen wir 2005, wie die USA oder China es ja favorisieren. Erkennen Sie einen Mittelweg, oder gibt es den nicht?

    Levermann: Letztendlich sind das Zahlenspielereien. Es geht darum, welche Emissionsreduktion wir tatsächlich in der nächsten Zeit anstreben. 1990 ist eine Möglichkeit, 2000 ist eine Möglichkeit, man kann sich auch in die Zukunft wenden und 2010 anstreben. Das hängt dann immer damit zusammen, wie sich die Emissionen in der Zwischenzeit entwickelt haben. Aber entscheidend sind tatsächlich verschiedene Eckpunkte und das ist, dass wir bis zum Jahr 2050 insgesamt eine Trillion Tonnen Kohlendioxid ausstoßen dürfen, wenn wir 2 Grad noch halten wollen. Davon haben wir in den letzten neun Jahren schon ein Drittel aufgebraucht. Das bedeutet, es bleiben uns noch zwei Drittel übrig, die wir bis 2050 ausstoßen dürfen. Wenn wir das gerecht aufteilen in der einen oder anderen Art und Weise, dann bedeutet das sehr, sehr starke Reduktionen für die Vereinigten Staaten in Pro-Kopf-Emissionen, keine Reduktion, wenn Sie so wollen, für Länder wie Indien. China sogar müsste schon die Pro-Kopf-Emissionen im Durchschnitt um 50 Prozent reduzieren. Das heißt wirklich starke Einschnitte hier, und wie man das jetzt genau verteilt, das ist für den Wissenschaftler von außen gesehen erst mal irrelevant. Wichtig ist, was am Ende rauskommt, dass wir über diese eine Trillion nicht kommen, damit wir eben nicht über die 2 Grad kommen.

    Klein: Sie sagen, als Wissenschaftler ist das für Sie irrelevant. Aber Sie müssen ja auch ein Interesse haben und haben ein Interesse daran, dass man zu einem Zwischenergebnis zumindest kommt. An welchen Stellen sehen Sie denn Verhandlungsmöglichkeiten, wo man sagen kann, das wäre eine gute Zusage an die Entwicklungs-, an die Schwellenländer auf der einen Seite, andererseits eben würden auch die Industriestaaten sich in ihre Pflicht hineinbegeben?

    Levermann: Als Wissenschaftler habe ich erst mal gar keine Meinung oder gar keine Richtung, sondern als Privatperson habe ich die natürlich und da ist es auch klar, in welche Richtung es gehen muss. Wir müssen hinkommen zu gleichen Emissionsrechten. Das können sie auf ein bestimmtes Jahr beziehen, oder das können sie auf die Gesamtemissionen einer Person beziehen. Und wir müssen dahin kommen, dass wir auf null Emissionen kommen. Das klingt wahnsinnig drastisch und das ist es auch. Mit Null-Emissionen haben wir noch nie einen ähnlichen Lebensstandard gehalten, wie wir ihn jetzt haben. Das heißt, da ist viel zu machen, auch die Richtung ist ganz klar, und wie das jetzt ganz genau austariert wird, das ist wirklich eine Arbeit, die in Kopenhagen gemacht werden kann. Wichtig ist, dass sich keiner aus diesem Gipfel verabschieden darf und mit dem Ergebnis, es ist nichts passiert, denn das wäre meiner Auffassung nach ein Gesichtsverlust für jeden Politiker, der dort weggeht.

    Klein: Gerade in den USA, aber nicht nur dort gibt es Menschen, die es nicht als erwiesen ansehen, dass der Klimawandel durch den Menschen entsteht, und sie verweisen auf diejenigen Forscher, die das selbst anzweifeln. Es gibt Forscher, die behaupten, abweichende Meinungen dieser Art würden zum Beispiel aus dem Weltklimarat herausgedrängt. Muss man solchen Verdachtsmomenten vielleicht stärker als bisher nachgehen?

    Levermann: Nein! Ganz klares Nein! Es gibt solche Meinungen nicht. Es gibt solche Forschungsergebnisse nicht. Es gibt selbstverständlich immer irgendjemand mit einem Doktortitel, der sagt, dass es keinen Klimawandel gibt, oder dass er nicht menschengemacht ist. Wissenschaftliche fundierte Ergebnisse, die in Fachpublikationen bewiesen sind oder dargelegt sind, gibt es zu diesem Thema praktisch nicht mehr. Das heißt, da wird nichts unterdrückt, das ist einfach kein Thema mehr, was in der Wissenschaft diskutiert wird.

    Klein: Meldungen wie die, die wir jetzt in den vergangenen Tagen gehört haben, über Datenmanipulation, über einen Hacker-Angriff bei Wissenschaftlern, tragen natürlich auch nicht zum Vertrauen in Forschungsergebnisse bei. Gehen Sie davon aus, dass das ein interessengeleiteter Angriff, sage ich mal, jetzt war?

    Levermann: Da weiß ich natürlich nicht, ob das der Fall ist, aber das passt natürlich schon sehr gut ins Bild. Jegliche vermeintliche Datenmanipulation, die dort offengelegt wurde, spielt überhaupt keine Rolle in dieser gesamten Diskussion in Bezug auf Klimawandel menschengemacht oder nicht. Das hat damit nichts zu tun und es hat auch wirklich überhaupt keine Relevanz.

    Heinlein: Der Potsdamer Klimaforscher Anders Levermann im Gespräch mit meiner Kollegin Bettina Klein.