Tobias Armbrüster: In Libyen wird nach wie vor gekämpft, Muammar al-Gaddafi ist noch immer untergetaucht. Trotzdem sind sich die meisten Beobachter einig, dass der Krieg im Land vorbei ist. Es beginnt also eine neue Zeitrechnung in Libyen und viele Staaten wollen dem Land helfen, sicher in diese neue Ära zu starten. In Paris beginnt deshalb heute eine Aufbaukonferenz für Libyen, bei der soll es darum gehen, die Hilfe international zu koordinieren. Aus Deutschland ist Angela Merkel mit dabei.
Mitgehört hat der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff, er ist stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Schockenhoff.
Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Schockenhoff, ist diese Konferenz in Paris eine Möglichkeit für Deutschland, bei den westlichen Partnern wieder Vertrauen zu gewinnen?
Schockenhoff: Es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, deutlich zu machen, dass es keinen deutschen Sonderweg geben kann. Die Bundesregierung hat sich damals aus ihrer Sicht in einer Abwägung entschlossen, nicht an der NATO-Operation teilzunehmen. Wir sind heute froh, dass sich die deutschen Bedenken nicht bestätigt haben. Es gab eben keine Bodentruppen, die notwendig wurden, der Einsatz wurde nicht als Intervention des Westens verstanden und es gab auch keine Demonstrationen gegen die Luftschläge der NATO. Im Gegenteil: Sie waren mitentscheidend für den Fall Gaddafis. Und gleichzeitig war es das libysche Volk, wie wir gerade gehört haben, das den Sieg über Gaddafi errungen hat. Wir schauen jetzt nicht zurück, sondern wir zeigen, Europa muss hier handlungsfähig sein und Deutschland ist ein wichtiger Teil Europas. Deswegen ist die Teilnahme der Bundeskanzlerin ein starkes Zeichen.
Armbrüster: Wir wollen trotzdem noch einmal kurz zurückschauen, bevor wir auf die Konferenz zu sprechen kommen. Würden Sie dann im Nachhinein sagen, diese Enthaltung im Sicherheitsrat war ein Fehler?
Schockenhoff: Es war aufgrund der damaligen Abwägung nachvollziehbar. Aber man muss auch sagen können, die Bedenken, die wir damals hatten, haben sich zum Glück nicht als richtig erwiesen. Und deshalb können wir sagen, wir sind froh, dass es anders gekommen ist. Die Bundeskanzlerin hat von Anfang an gesagt, dass Deutschland in diesem Konflikt nicht neutral ist, dass wir die Ziele der VN-Resolution vorbehaltlos unterstützen, und deshalb ist es notwendig, dass jetzt auch keine weitere Spekulation über einen deutschen Sonderweg möglich wird.
Armbrüster: Kann die Bundesrepublik denn jetzt beim weiteren Vorgehen in Libyen genauso mitreden wie jene Staaten, die seit Monaten ihre Kampfflugzeuge über Libyen im Einsatz haben?
Schockenhoff: Ich glaube, das müssen wir. Europa muss insgesamt einheitlich handlungsfähig sein, das können nicht einzelne Staaten schultern. Libyen ist genauso bedeutsam für Europa wie die demokratische Entwicklung in Tunesien und Ägypten, denn es liegt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Die Aufgabe in Libyen ist aber ungleich größer. Dort gibt es keine staatlichen Strukturen, die müssen gänzlich neu aufgebaut werden. Die Stämme müssen berücksichtigt und einbezogen werden. Viel ausgeprägter als in den Nachbarländern haben sich traditionelle Strukturen erhalten. Also es ist eine immense Aufgabe. Es gibt Potenzial für chaotische, auch gewalttätige Entwicklungen. Und ich halte es für völlig falsch, wenn wir uns jetzt anmaßen würden, die Entwicklungen in den nächsten Jahren genau vorauszusehen. Es ist wichtig, dass das libysche Volk selbst diese Entwicklung in der Hand behält, aber die Kontaktgruppe muss in sehr enger Abstimmung mit dem Revolutionsrat dort Hilfe anbieten.
Armbrüster: Sie sprechen das libysche Volk an. Haben die Menschen dort denn überhaupt noch Vertrauen zur deutschen Politik, oder gelten die Deutschen dort jetzt vielmehr als diejenigen, die ihnen nicht helfen wollten, als Hilfe nötig war?
Schockenhoff: Es geht jetzt darum, die Zukunft zu gestalten. Sie haben große Erwartungen an Europa, denn die Vereinigten Staaten von Amerika werden ihre Aufbauleistungen sehr stark auf Ägypten konzentrieren, das für die USA geostrategisch eine noch größere Bedeutung hat. Libyen ist unsere Nachbarschaft, hier ist die EU gefordert, und Deutschland als der wirtschaftsstärkste und bevölkerungsreichste EU-Partner kann dabei nicht außen vor stehen. Deswegen ist jetzt der Blick zurück falsch. Ich glaube, wir müssen klar zeigen, dass wir an der Seite des libyschen Volkes stehen, vor allem aber, dass die Europäische Union handlungsfähig ist. Wenn wir sehen, wie sich die Welt heute entwickelt in vielen Fragen, ob das wirtschaftlich ist, ob das in Sicherheitsfragen ist, ob das in anderen großen politischen Entscheidungen ist, ist die Handlungsfähigkeit Europas für unsere Zukunft entscheidend, aber auch für die Zukunftschancen unserer Nachbarschaft.
Armbrüster: Was kann die Bundeskanzlerin denn konkret anbieten bei dieser Konferenz in Paris?
Schockenhoff: Ich glaube, wir müssen zunächst die Sanktionen aufheben, wir müssen so schnell wie möglich gesperrte Gelder aus dem Gaddafi-Vermögen freigeben, dass die dort für Wiederaufbaumaßnahmen zur Verfügung stehen, wir müssen Hilfe leisten beim Aufbau von demokratischen Strukturen, Bildung, Gesundheitswesen, Grenzsicherung und so weiter. Vor allem der Sicherheitssektor ist, glaube ich, ganz entscheidend, damit dort eine geordnete Aufbauleistung überhaupt möglich wird.
Armbrüster: Rechnen Sie damit, dass Deutschland Soldaten möglicherweise zu humanitären Zwecken nach Libyen schicken wird?
Schockenhoff: Die libyschen Rebellen lehnen bislang die Entsendung von UN-Soldaten ab. Deswegen ist es richtig, ihnen auch die Verantwortung zu belassen. Wenn die NATO allerdings gefragt wird, ob sie etwa den Schiffsverkehr vor der Küste Libyens kontrollieren kann, um Waffenschmuggel zu verhindern, oder den Luftraum weiterhin überwachen soll, dann sollte sich Deutschland daran beteiligen. Das ist aber nicht eine Entscheidung, die wir treffen, sondern die libysche Übergangsregierung meldet an, was sie an Unterstützung braucht, dann stehen wir bereit, uns dort zu beteiligen.
Armbrüster: Das heißt, in so einem Fall würden Sie sich nicht noch einmal enthalten?
Schockenhoff: Nein. Es geht auch nicht um eine Enthaltung bei der Resolution, sondern es geht jetzt um die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Das ist eine Bewährungsprobe der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Wenn wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft nicht in der Lage sind, für Stabilität zu sorgen, für Zukunftsperspektiven zu sorgen, wo in der Welt soll sich sonst europäische Außen- und Sicherheitspolitik manifestieren.
Armbrüster: Herr Schockenhoff, für Sie als Außenpolitiker, wie groß ist die Gefahr, dass Libyen ähnlich wie auch der Irak oder Afghanistan trotz des Endes dieses Krieges doch noch im Bürgerkrieg versinkt?
Schockenhoff: Spekulationen, wie die Entwicklung in Libyen jetzt weitergehen wird, sind, glaube ich, unangebracht. Wir müssen unsere Hilfe anbieten. Die Entwicklung ist keineswegs endgültig entschieden und gesichert. Es wird ganz stark darauf ankommen, ob die Europäische Union dort wirklich einer jungen Bevölkerung, einer bildungshungrigen Bevölkerung Lebensperspektiven anbieten kann. Deshalb können wir das nicht von außen sozusagen aus der Beobachterposition heraus verfolgen, sondern wir müssen uns engagieren. Europa ist hier im eigenen Interesse gefragt, Stabilität mit herbeizuführen.
Armbrüster: Herr Schockenhoff, ganz kurz eine abschließende Frage für Sie als stellvertretenden Fraktionschef. Das Bundeskabinett hat sich gestern auf das weitere Vorgehen bei der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms verständigt. Ganz kurz: Ist der Unmut in Ihrer Fraktion damit beendet?
Schockenhoff: Es gibt Diskussionen. Die CDU und die CSU waren immer die Europapartei. Wir wollen ein handlungsfähiges Europa auch in den makroökonomischen Rahmenbedingungen, auch bei der Währung. Wir wollen nicht, dass Mitte des Jahrhunderts China die Wirtschafts- und Währungspolitik in Europa vorgibt. Europa braucht auch hier Handlungsfähigkeit, und das hat immer zum Profil der Union gehört.
Armbrüster: Ihr Fraktionskollege Wolfgang Bosbach hat schon gefordert, den Fraktionszwang bei dieser Abstimmung aufzugeben und diese Abstimmung Ende September im Bundestag freizugeben. Können Sie sich dem anschließen?
Schockenhoff: Einen Fraktionszwang gibt es nicht, aber es ist auch keine Gewissensentscheidung, sondern es ist hier eine Abwägung, und eine Fraktion, die nicht Mehrheiten organisieren kann, ist auch letztendlich nicht regierungsfähig. Daran muss auch Herr Bosbach erinnert werden.
Armbrüster: Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass die Bundeskanzlerin eine eigene Mehrheit dafür bekommt in ihrer Regierungskoalition?
Schockenhoff: Ich bin mir sicher, dass wir diese Regierungsmehrheit eigenständig bekommen, denn hier geht es auch um die Gestaltungsfähigkeit in einer schwierigen Phase, und die Union will ein Europa, das handlungsfähig ist, das Frieden, Freiheit und Sicherheit für die Menschen in Deutschland langfristig sichert.
Armbrüster: Hier heute Morgen im Deutschlandfunk war das Andreas Schockenhoff, der CDU-Außenpolitiker und stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Besten Dank, Herr Schockenhoff, für das Gespräch.
Schockenhoff: Auf Wiederhören, Herr Armbrüster!
Armbrüster: Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Mitgehört hat der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff, er ist stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Schockenhoff.
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Armbrüster: Herr Schockenhoff, ist diese Konferenz in Paris eine Möglichkeit für Deutschland, bei den westlichen Partnern wieder Vertrauen zu gewinnen?
Schockenhoff: Es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, deutlich zu machen, dass es keinen deutschen Sonderweg geben kann. Die Bundesregierung hat sich damals aus ihrer Sicht in einer Abwägung entschlossen, nicht an der NATO-Operation teilzunehmen. Wir sind heute froh, dass sich die deutschen Bedenken nicht bestätigt haben. Es gab eben keine Bodentruppen, die notwendig wurden, der Einsatz wurde nicht als Intervention des Westens verstanden und es gab auch keine Demonstrationen gegen die Luftschläge der NATO. Im Gegenteil: Sie waren mitentscheidend für den Fall Gaddafis. Und gleichzeitig war es das libysche Volk, wie wir gerade gehört haben, das den Sieg über Gaddafi errungen hat. Wir schauen jetzt nicht zurück, sondern wir zeigen, Europa muss hier handlungsfähig sein und Deutschland ist ein wichtiger Teil Europas. Deswegen ist die Teilnahme der Bundeskanzlerin ein starkes Zeichen.
Armbrüster: Wir wollen trotzdem noch einmal kurz zurückschauen, bevor wir auf die Konferenz zu sprechen kommen. Würden Sie dann im Nachhinein sagen, diese Enthaltung im Sicherheitsrat war ein Fehler?
Schockenhoff: Es war aufgrund der damaligen Abwägung nachvollziehbar. Aber man muss auch sagen können, die Bedenken, die wir damals hatten, haben sich zum Glück nicht als richtig erwiesen. Und deshalb können wir sagen, wir sind froh, dass es anders gekommen ist. Die Bundeskanzlerin hat von Anfang an gesagt, dass Deutschland in diesem Konflikt nicht neutral ist, dass wir die Ziele der VN-Resolution vorbehaltlos unterstützen, und deshalb ist es notwendig, dass jetzt auch keine weitere Spekulation über einen deutschen Sonderweg möglich wird.
Armbrüster: Kann die Bundesrepublik denn jetzt beim weiteren Vorgehen in Libyen genauso mitreden wie jene Staaten, die seit Monaten ihre Kampfflugzeuge über Libyen im Einsatz haben?
Schockenhoff: Ich glaube, das müssen wir. Europa muss insgesamt einheitlich handlungsfähig sein, das können nicht einzelne Staaten schultern. Libyen ist genauso bedeutsam für Europa wie die demokratische Entwicklung in Tunesien und Ägypten, denn es liegt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Die Aufgabe in Libyen ist aber ungleich größer. Dort gibt es keine staatlichen Strukturen, die müssen gänzlich neu aufgebaut werden. Die Stämme müssen berücksichtigt und einbezogen werden. Viel ausgeprägter als in den Nachbarländern haben sich traditionelle Strukturen erhalten. Also es ist eine immense Aufgabe. Es gibt Potenzial für chaotische, auch gewalttätige Entwicklungen. Und ich halte es für völlig falsch, wenn wir uns jetzt anmaßen würden, die Entwicklungen in den nächsten Jahren genau vorauszusehen. Es ist wichtig, dass das libysche Volk selbst diese Entwicklung in der Hand behält, aber die Kontaktgruppe muss in sehr enger Abstimmung mit dem Revolutionsrat dort Hilfe anbieten.
Armbrüster: Sie sprechen das libysche Volk an. Haben die Menschen dort denn überhaupt noch Vertrauen zur deutschen Politik, oder gelten die Deutschen dort jetzt vielmehr als diejenigen, die ihnen nicht helfen wollten, als Hilfe nötig war?
Schockenhoff: Es geht jetzt darum, die Zukunft zu gestalten. Sie haben große Erwartungen an Europa, denn die Vereinigten Staaten von Amerika werden ihre Aufbauleistungen sehr stark auf Ägypten konzentrieren, das für die USA geostrategisch eine noch größere Bedeutung hat. Libyen ist unsere Nachbarschaft, hier ist die EU gefordert, und Deutschland als der wirtschaftsstärkste und bevölkerungsreichste EU-Partner kann dabei nicht außen vor stehen. Deswegen ist jetzt der Blick zurück falsch. Ich glaube, wir müssen klar zeigen, dass wir an der Seite des libyschen Volkes stehen, vor allem aber, dass die Europäische Union handlungsfähig ist. Wenn wir sehen, wie sich die Welt heute entwickelt in vielen Fragen, ob das wirtschaftlich ist, ob das in Sicherheitsfragen ist, ob das in anderen großen politischen Entscheidungen ist, ist die Handlungsfähigkeit Europas für unsere Zukunft entscheidend, aber auch für die Zukunftschancen unserer Nachbarschaft.
Armbrüster: Was kann die Bundeskanzlerin denn konkret anbieten bei dieser Konferenz in Paris?
Schockenhoff: Ich glaube, wir müssen zunächst die Sanktionen aufheben, wir müssen so schnell wie möglich gesperrte Gelder aus dem Gaddafi-Vermögen freigeben, dass die dort für Wiederaufbaumaßnahmen zur Verfügung stehen, wir müssen Hilfe leisten beim Aufbau von demokratischen Strukturen, Bildung, Gesundheitswesen, Grenzsicherung und so weiter. Vor allem der Sicherheitssektor ist, glaube ich, ganz entscheidend, damit dort eine geordnete Aufbauleistung überhaupt möglich wird.
Armbrüster: Rechnen Sie damit, dass Deutschland Soldaten möglicherweise zu humanitären Zwecken nach Libyen schicken wird?
Schockenhoff: Die libyschen Rebellen lehnen bislang die Entsendung von UN-Soldaten ab. Deswegen ist es richtig, ihnen auch die Verantwortung zu belassen. Wenn die NATO allerdings gefragt wird, ob sie etwa den Schiffsverkehr vor der Küste Libyens kontrollieren kann, um Waffenschmuggel zu verhindern, oder den Luftraum weiterhin überwachen soll, dann sollte sich Deutschland daran beteiligen. Das ist aber nicht eine Entscheidung, die wir treffen, sondern die libysche Übergangsregierung meldet an, was sie an Unterstützung braucht, dann stehen wir bereit, uns dort zu beteiligen.
Armbrüster: Das heißt, in so einem Fall würden Sie sich nicht noch einmal enthalten?
Schockenhoff: Nein. Es geht auch nicht um eine Enthaltung bei der Resolution, sondern es geht jetzt um die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Das ist eine Bewährungsprobe der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Wenn wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft nicht in der Lage sind, für Stabilität zu sorgen, für Zukunftsperspektiven zu sorgen, wo in der Welt soll sich sonst europäische Außen- und Sicherheitspolitik manifestieren.
Armbrüster: Herr Schockenhoff, für Sie als Außenpolitiker, wie groß ist die Gefahr, dass Libyen ähnlich wie auch der Irak oder Afghanistan trotz des Endes dieses Krieges doch noch im Bürgerkrieg versinkt?
Schockenhoff: Spekulationen, wie die Entwicklung in Libyen jetzt weitergehen wird, sind, glaube ich, unangebracht. Wir müssen unsere Hilfe anbieten. Die Entwicklung ist keineswegs endgültig entschieden und gesichert. Es wird ganz stark darauf ankommen, ob die Europäische Union dort wirklich einer jungen Bevölkerung, einer bildungshungrigen Bevölkerung Lebensperspektiven anbieten kann. Deshalb können wir das nicht von außen sozusagen aus der Beobachterposition heraus verfolgen, sondern wir müssen uns engagieren. Europa ist hier im eigenen Interesse gefragt, Stabilität mit herbeizuführen.
Armbrüster: Herr Schockenhoff, ganz kurz eine abschließende Frage für Sie als stellvertretenden Fraktionschef. Das Bundeskabinett hat sich gestern auf das weitere Vorgehen bei der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms verständigt. Ganz kurz: Ist der Unmut in Ihrer Fraktion damit beendet?
Schockenhoff: Es gibt Diskussionen. Die CDU und die CSU waren immer die Europapartei. Wir wollen ein handlungsfähiges Europa auch in den makroökonomischen Rahmenbedingungen, auch bei der Währung. Wir wollen nicht, dass Mitte des Jahrhunderts China die Wirtschafts- und Währungspolitik in Europa vorgibt. Europa braucht auch hier Handlungsfähigkeit, und das hat immer zum Profil der Union gehört.
Armbrüster: Ihr Fraktionskollege Wolfgang Bosbach hat schon gefordert, den Fraktionszwang bei dieser Abstimmung aufzugeben und diese Abstimmung Ende September im Bundestag freizugeben. Können Sie sich dem anschließen?
Schockenhoff: Einen Fraktionszwang gibt es nicht, aber es ist auch keine Gewissensentscheidung, sondern es ist hier eine Abwägung, und eine Fraktion, die nicht Mehrheiten organisieren kann, ist auch letztendlich nicht regierungsfähig. Daran muss auch Herr Bosbach erinnert werden.
Armbrüster: Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass die Bundeskanzlerin eine eigene Mehrheit dafür bekommt in ihrer Regierungskoalition?
Schockenhoff: Ich bin mir sicher, dass wir diese Regierungsmehrheit eigenständig bekommen, denn hier geht es auch um die Gestaltungsfähigkeit in einer schwierigen Phase, und die Union will ein Europa, das handlungsfähig ist, das Frieden, Freiheit und Sicherheit für die Menschen in Deutschland langfristig sichert.
Armbrüster: Hier heute Morgen im Deutschlandfunk war das Andreas Schockenhoff, der CDU-Außenpolitiker und stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Besten Dank, Herr Schockenhoff, für das Gespräch.
Schockenhoff: Auf Wiederhören, Herr Armbrüster!
Armbrüster: Auf Wiederhören.
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