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Wir sind das Hallenbad

Vor sieben Jahren sollte das Hallenbad im niedersächsischen Nörten-Hardenberg geschlossen werden. Für den Erhalt ihres Schwimmbads fanden die Bürger eine unkonventionelle Lösung: Sie gründeten eine Genossenschaft und betreiben das Bad bis heute selbst.

Von Susanne Schrammar |
    Die Wintersonne scheint durch die bodentiefe Fensterfront auf das blau gestrichene Schwimmbecken im Hallenbad Nörten-Hardenberg. An der Wand mit der selbst gemalten Strandlandschaft, unter dem Dreimeterturm hat sich eine Gruppe Siebtklässler aufgestellt. Am Beckenrand stecken ein paar Kinder die Zehen ins Wasser.

    Das gechlorte Nass ist angenehm warm, auch im Hallenbad selbst herrschen 30 Grad Lufttemperatur. Nebenan im Saunabereich funkelt ein elektrischer Sternenhimmel über der gefliesten Ruhezone. Frank Priebe lässt sich auf eine der bequemen gelb-weiß gestreiften Wellness-Liegen fallen.

    "Wenn Sie sich umschauen in dem wunderschönen Saunabereich – der ist komplett neu gebaut worden durch die Genossenschaft!"

    Frank Priebe ist Vorstandsvorsitzender des ersten Genossenschafts-Hallenbads in Deutschland. Seit fast sieben Jahren wird die Schwimmhalle in Nörten-Hardenberg allein von den Bürgern der Stadt organisiert. Leere Kassen in der 8000-Einwohner-Gemeinde in Südniedersachsen haben 2005 dafür den Ausschlag gegeben. Damals war Priebe noch parteiloser Bürgermeister.

    "Und jedes Mal, wenn der Haushalt diskutiert worden ist bei uns im Rat, dann ist das Hallenbad natürlich mitdiskutiert worden, weil wir damals ein jährliches Defizit mit dem Bad in Höhe von 250.000 Euro hatten, und das war natürlich immer ein Diskussionspunkt. Und irgendwann nach einer solchen Finanzausschusssitzung stand am nächsten Tag in der Zeitung: Das Hallenbad wird geschlossen!"

    Doch da hatten die Ratsleute die Rechnung ohne die Nörten-Hardenberger gemacht. Die wollten das kleine Schwimmbad neben der Schule nämlich behalten. Zehn Kilometer in die nächstgrößere Stadt Göttingen – für ältere Bürger, aber auch für Schulen und Kindergärten, die das Bad fleißig nutzten, einfach zu weit. Ein Förderverein gründete sich, doch in dieser Rechtsform konnte er das Bad nicht übernehmen. Die Idee einer eingetragenen Genossenschaft war geboren:

    "Weil wir viele Leute brauchten, die mitarbeiten und das hätte man unter Umständen bei einer GmbH nicht gehabt, bei einem Verein hätte man’s gehabt, nur: eine Genossenschaft ist ja eigentlich ein wirtschaftlicher Verein. Und dort ist ne Struktur, dort ist ein demokratisches Prinzip durch die Mitgliederversammlung, die entscheidet, den Vorstand bzw. die Kontrolle durch den Aufsichtsrat. Deswegen die Genossenschaft."

    Der innovative Ansatz dabei ist, dass so privatrechtliche Unternehmensführung mit kommunaler Eigenverantwortung und bürgerschaftlichem Engagement kombiniert werden. Vergleichbar mit den Aufgaben der Kommune ist die Genossenschaft gesetzlich ausschließlich der Förderung der Mitglieder verpflichtet und nicht gewinnorientiert. Der Vorteil: effiziente Strukturen und eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. 300 Nörten-Hardenberger haben sich am Genossenschaftskapital von 50.000 Euro beteiligt. Manche steuerten bis zu 3000 Euro als Anteil hinzu. Auch der damalige Autohändler Hans-Joachim Raith musste nicht lange davon überzeugt werden, sich finanziell zu engagieren:

    "Damit eben Nörten auch attraktiv bleibt für die Bürger."

    Noch heute gehört der 67-Jährige zum sogenannten Kompetenz-Team, einer kleinen Gruppe örtlicher Unternehmer, die sich um die Finanzen des Hallenbads kümmert. Der inzwischen Pensionierte verbringt 30-40 Stunden im Monat damit, die wirtschaftliche Jahresplanung aufzustellen, Einnahmen und Ausgaben zu überwachen, Rechnungen zu prüfen oder Lohnzettel zu schreiben. Alles ehrenamtlich.

    "Einigen von uns ist natürlich sehr schnell klar geworden, dass einfach nur mit einmaligen Geldzuschuss oder auch immer wieder mit Zuschüssen dies Bad ja nicht auf gesunde Füße gestellt werden kann. Man muss dazu natürlich wissen, dass ich also so ein richtiger Nörtener bin, der also für die Gemeinschaft in Nörten, in allen Vereinen einsteht und gerade in dem gesellschaftspolitischen Bereich eigentlich immer überall aktiv gewesen bin."

    Das Kompetenzteam riet vor allem zu umfangreichen Energiesparmaßnahmen: Auf dem Dach steht inzwischen eine Photovoltaik-Anlage und im Keller ein Blockheizkraftwerk, das das Hallenbad mit Wärme und Strom versorgt. Allein dadurch werden 15.000 Euro Heizkosten im Jahr eingespart. Das jährliche Defizit des Hallenbads hat sich von 250.000 Euro auf heute 70.000 Euro verringert. Diese Differenz übernimmt immer noch die Gemeinde. Ganz ohne Zuschüsse gehe es nicht, sagt Vorsitzender Priebe. Vor allem bei großen Investitionen wie dem Sauna-Umbau oder der jetzt geplanten Anschaffung von Unterwasserfahrrädern. Schließlich soll auch ein genossenschaftlich organisiertes Bad attraktiv für seine Besuchersein. Doch insgesamt rechne sich das Modell im Vergleich zur früheren allein kommunal bewirtschafteten Variante, sagt Hans-Joachim Raith und zieht Bilanz:

    "Wir kommen also mit unserem Zuschuss gut zurecht, haben unsere Einnahmen und unsere Besucher mehr als verdoppelt und die Ausgabenseite haben wir natürlich stark reduziert."

    Dass das Schwimmbad heute so gut läuft, sei vor allem der Kompetenz und dem ehrenamtlichen Engagement der Nörten-Hardenberger zu verdanken, sagt Frank Priebe stolz. Vereins- und Genossenschaftsmitglieder renovierten auf eigene Rechnung die Duschen, pflegen die Grünanlagen oder schottern den Parkplatz. So fallen nur noch Kosten an für Reinigungs- und Aufsichtspersonal und selbstverständlich den Schwimmmeister. Seit 23 Jahren ist Markus Rittmeyer im Hallenbad angestellt. Mit der Gründung der Genossenschaft wurde er auch Geschäftsführer des Bads. Zu Anfang, erzählt der 40jährige, habe er ein wenig
    Sorge um seinen Job gehabt. Würde das Bad auch unter der Genossenschaftsleitung professionell geführt werden? Doch inzwischen habe sich für ihn sogar einiges zum Guten verändert:

    "Es ist ein kaufmännischer Anteil, der dazu gekommen ist. Der Verantwortungsbereich ist größer geworden, dadurch, dass diese gesamten Sachen umfangreicher geworden sind, ist dieser Beruf auch wieder für mich interessanter geworden und die Motivation ist viel, viel größer geworden, weil man sich doch mit diesem Bad noch mehr identifiziert. Und es macht halt bedeutend mehr Spaß!"

    Immer wieder bekommen die Nörten-Hardenberger Besuch von Bürgermeistern und Landräten aus ganz Deutschland, die sich das Erfolgsmodell "Schwimmbad als Genossenschaft" anschauen wollen. Und inzwischen gibt es sogar ein paar Nachahmer: z. B. im hessischen Hochheim und im benachbarten Bad Gandersheim.