Theo Geers: Herr Hoyer, seit Wochen dreht sich die Debatte in der Europäischen Union unter anderem darum, in der Schuldenkrise nicht nur zu sparen und Staatshaushalte in Ordnung zu bringen, so wie das der Bundesregierung vorschwebt, sondern es geht auch darum, das Wachstum anzukurbeln. Der neue französische Präsident François Hollande ist der prominenteste Politiker, der fordert, mehr fürs Wachstum zu tun, aber er ist nicht allein. Auch in Deutschland macht zum Beispiel die Opposition ihre Zustimmung zum Fiskalpakt von neuen Wachstumsinitiativen abhängig. Und in all diesen Plänen spielt immer auch die Europäische Investitionsbank eine Rolle, die Bank mit Sitz in Luxemburg, deren Präsident Sie seit 1. Januar sind. Bevor wir jetzt über die Rolle sprechen, die die EIB in diesem Wachstumsinitiativen-Konzert spielen kann: Kurz – die EIB selbst. Was macht die EIB?
Werner Hoyer: Die EIB ist eine Bank, die Ende der 50er-Jahre mit den Römischen Verträgen, auf die sie sich stützt, gegründet worden ist von den Mitgliedsstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie ist heute die Bank der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, das sind unsere Anteilseigner. Sie ist gegründet worden damals im Grunde, um im Grunde so etwas wie einen Spezial-Marshallplan, insbesondere für Italien, aufzulegen. Und um da nicht einen Spezial-Marshallplan aufzulegen, hat man gesagt: Wir gründen eine Bank, die den Auftrag hat, Investitionen langfristig zu finanzieren, die sonst schwer zu finanzieren wären und bei denen es einen besonderen europäischen Mehrwert auch gibt.
Geers: Wer sind die Kreditnehmer?
Hoyer: Die Kreditnehmer können große Unternehmen sein, sie können Projekt-Promotoren sein, die große Infrastrukturprojekte sich vornehmen. Es können kleine und mittlere Unternehmen sein, das ist ganz wichtig. Im letzten Jahr hat die Bank insgesamt 120.000 kleine und mittlere Unternehmen europaweit gefördert. Das sind so die Schwerpunkte. Das ist also ein breites Spektrum. Wichtig ist, dass die Bank stets zusammenarbeitet mit Partnerbanken in den Mitgliedsstaaten.
Geers: Im Gespräch ist jetzt, Herr Hoyer, der Europäischen Investitionsbank im Rahmen dieser Wachstumsinitiativen 10 Milliarden Euro mehr Eigenkapital zu geben, womit sie dann noch mehr Kredite vergeben könnte. Diese 10 Milliarden Euro – ist das die Summe, auf die es ungefähr hinauslaufen dürfte?
Hoyer: Also die Bank fordert das nicht, sondern wir haben den Staats- und Regierungschefs und den Finanzministern, die ja gemeinsam unseren Gouverneursrat bilden, gesagt: Wenn Ihr erwartet, dass die Europäische Investitionsbank ihr Kreditvolumen noch weiter ausweitet, dann müssen wir das auf einer verbesserten Kapitalbasis tun, weil die Bank, die ja nicht Steuermittel weiter verleiht, sondern auf den privaten Kapitalmärkten Geld aufnimmt, um es günstig weiter zu verleihen – die muss sich an Best Banking Practices halten, sie muss ein sehr konservatives Bankverhalten an den Tag legen. Und das heißt auch, die Relation zwischen ausgelegten Krediten und dem, was wir an Kapital sozusagen in der Bilanz haben, das muss stimmen. Und in dem Zusammenhang ist an eine Erhöhung des eingezahlten Kapitals gedacht.
Ich glaube, ich muss mal das Zahlenwerk ein bisschen erläutern, denn diese Bank ist größer als die Weltbank. Sie hat ein Kapital von 232 Milliarden Euro, von denen die Mitgliedsstaaten aber nur fünf Prozent eingezahlt haben. Der Rest, was wir so zusagen auf der hohen Kante haben, das sind Profite, die über die Jahrzehnte geblieben sind. Und deswegen haben wir die Notwendigkeit, die Kapitalbasis zu verstärken, falls wir unser Volumen ausweiten sollten. Das ist der Grundgedanke. Denn eines ist klar: Diese Bank hat einen großen Vorteil bei der Aufnahme von eigenen Krediten, also bei der Begehung von Anleihen, weil wir ein hohes Standing auf den Märkten haben, ein hohes Rating haben. Und das heißt, wir leihen uns das Geld international – übrigens mehr als 50 Prozent auch außerhalb Europas – zu recht günstigen Konditionen und können damit dann auch unseren Kreditnehmern am Ende günstige Konditionen anbieten. Das dürfen wir nicht riskieren, da müssen wir konsequent bleiben.
Geers: Aber genau das will man sich ja zunutze machen, diese gute Bonität der Europäischen Investitionsbank, indem man sagt: Wir geben dieser Bank noch zehn Milliarden Euro mehr Eigenkapital. Wie viel neue Kredite können Sie denn mit diesen zehn Milliarden aufnehmen oder ausgeben?
Hoyer: Wenn wir sonst keine weiteren Veränderungen mitkalkulieren müssen – dann gehe ich mal davon aus, dass wir in der Lage sind, mit einer Verbesserung des eingezahlten Kapitals um zehn Milliarden auf den Märkten sicherlich 60 Milliarden noch mal an privatem Kapital zu mobilisieren. Und wenn man das denn multipliziert, um welche Investitionssummen geht es, dann geht es erfahrungsgemäß, wenn die Bank selber mit 60 Milliarden dabei ist, die sie dann einbringen kann, dann ist das wahrscheinlich so im Bereich zwischen 160 und 200 Milliarden zu sehen. Das ist schon eine ganz beachtliche Summe. Auf der anderen Seite: In der gegenwärtigen Diskussion wird die EIB bisweilen so als das Allheilmittel gepriesen, weil man sich auch auf vieles andere nicht ohne Weiteres verständigen kann. Ich glaube, wir sind nicht die Lösung des Problems, sondern wir sind ein Teil der Problemlösung, nicht mehr – aber auch nicht weniger.
Geers: Aber die landläufige Meinung, Herr Hoyer, ist doch die, dass, wenn der EIB, deren Präsident Sie sind, jetzt mehr Geld zur Verfügung steht, dann ist das Geld, und dann sind das hinterher auch Kredite, mit denen wir dann in die Krisenländer hineingehen können, also nach Griechenland, nach Spanien, nach Portugal, vielleicht auch nach Italien – wer weiß. In jedem Fall kann man dann klotzen statt kleckern. Läuft das so?
Hoyer: Auf jeden Fall haben wir natürlich Prioritäten zu setzen dort, wo es gegenwärtig ökonomisch ganz besonders schwierig ist. Das hat aber nichts mit der Frage zu tun: Eurozone oder nicht Eurozone, denn die Europäische Investitionsbank ist die Bank der 27 und nicht die der 17. Und es gibt auch bei Nicht-Euro-Ländern solche, die gegenwärtig ganz besonders der Hilfe bedürfen und deswegen auch im Fokus unserer Bemühungen stehen. Aber richtig ist natürlich, dass wir gegenwärtig uns besonders kümmern müssen, dort wieder die Wirtschaft in Gang zu bringen, wo es ganz besonders schwach ist, wo die örtlichen Banken besonders schwach sind und den Mittelstand und kleine und mittlere Unternehmen wenig unterstützen können. Und dass wir uns darum besonders kümmern, versteht sich von selbst. Aber es ist schon wichtig, dass die Bank in allen 27 Staaten und übrigens darüber hinaus tätig ist. Es ist auch wichtig, dass diejenigen, die jetzt bei einer möglichen Kapitalerhöhung herangezogen würden, auch das Gefühl haben, dass auch für sie etwas dabei herausspringt. Das heißt also, wir werden unsere Kreditvergabe dann auch in allen 27 Mitgliedsstaaten erhöhen können – bei aller Priorisierung der Problemländer.
Geers: Also, Sie sind nicht die Rettungsbank für fünf oder sechs – oder wie viel auch immer – angeschlagene Mitglieder der Eurozone in Südeuropa?
Hoyer: Das würden unsere Mitgliedsstaaten, die der Eurozone nicht angehören, auch nicht mitmachen, und auch manche der Eurozone-Länder nicht. Also wir müssen da schon vorsichtig vorgehen. Aber klar: Wir haben besondere Probleme in den Ländern, wo zu Beispiel gegenwärtig die Jugendarbeitslosigkeit ganz besonders groß ist und wo die wirtschaftlichen Einbrüche sehr, sehr stark waren.
Geers: Wenn wir dann mal diese zehn Milliarden Euro nehmen, die Sie mehr an Eigenkapital bekommen sollen – entschieden wird das ja wahrscheinlich Ende Juni – und wenn man dann die 60 Milliarden Euro nimmt, die daraus an Krediten durch die Europäische Investitionsbank vergeben werden können: Wie viel könnte denn davon, ohne dass bei Ihnen das Ganze aus der Balance kommt, wie viel könnte denn dann in diese Krisenländer, die es am nötigsten haben, fließen?
Hoyer: Also diese Verteilungsdiskussion, die mache ich jetzt nicht auf. Und das ist auch etwas, wo wir mit unseren Anteilseignern also sehr präzise reden müssen, denn noch sind nicht alle davon überzeugt, dass diese Kapitalerhöhung wirklich der richtige Schritt ist. Und deswegen sollte man da nichts gefährden. Es ist wichtig, dass das fair und im europäischen Geist erfolgt. Es kann nicht nach dem Motto gehen: Ich will jeden Cent, den ich eingezahlt habe, auch mit Zins und Zinseszins herausholen. Das ist nicht der europäische Geist, von dem ich gesprochen habe. Aber klar ist auch, dass jeder so zusagen etwas davon haben muss, wenn er sich an dieser großen schwierigen Operation beteiligt, die ja immerhin erfordert, dass in den meisten betroffenen Mitgliedsstaaten auch extra parlamentarische Entscheidungen herbeigeführt werden müssen.
Geers: Dennoch gibt es die Erwartung, Herr Hoyer, dass die EU vor allem Griechenland und vielleicht auch anderen Ländern besonders helfen muss. Manche reden ja auch von so einer Art Marshallplan, wie nach dem Zweiten Weltkrieg, und die EIB als europäische Hausbank soll das dann machen. Da ist doch ein gewisser Erwartungsdruck der Politik. Spüren Sie diesen Druck, und was sagen Sie zu diesem Druck, der auf Sie herunter kommt?
Hoyer: Der Druck ist ja auch berechtigt, denn wir haben eine besondere Verantwortung. Wir sind darauf festgelegt von unseren Statuten her, die Ziele der Europäischen Union zu verfolgen. Deswegen ist es logisch, dass wir in den Ländern, bei denen es besonders schwierig ist, diese Ziele zu erreichen, auch besonders aktiv werden. Trotzdem muss man sehr genau aufpassen, dass man nicht die Dinge durcheinander bringt. Die Europäische Investitionsbank ist zum Beispiel in Griechenland jetzt schon außerordentlich aktiv. Hier haben wir ein Kreditvolumen von zwei Milliarden Euro dort auf den Weg gebracht insbesondere für den Bereich kleine und mittlere Unternehmen. Wir haben gerade eine Vereinbarung mit Griechenland getroffen für ein großes Paket mit einem Volumen von 500 Millionen, das für kleine und mittlere Unternehmen gedacht ist, die besonders große Schwierigkeiten haben, von ihren Banken Kleinkredite zu bekommen. Also, das läuft ohnehin. Insofern wäre es jetzt falsch anzunehmen, dass jetzt die große Wucht der zusätzlichen Aktivitäten notwendigerweise auf Griechenland gehen würde.
Wir müssen im übrigen immer sehen: Die Bank kann nur dort finanzieren, wo auch finanzierbare und ökonomisch sinnvolle Projekte vorliegen. Und wenn ich eben von den Best Banking Practices gesprochen haben, die für die Bank Leitlinie bleiben müssen, dann heißt das auch: Die Bank muss die Möglichkeit haben, jedes Projekt auf seine ökonomische und technische Sinnhaftigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls auch nein zu sagen, denn sonst verlieren wir das Vertrauen unserer Kapitalgeber. Die Bank hat im letzten Jahr 76 Milliarden Euro an den internationalen Kapitalmärkten aufgenommen. Das heißt, da ist ein enormes Vertrauen auch in die Bank und übrigens auch in Europa drin zu erkennen. Und dieses Vertrauen dürfen wir nicht enttäuschen, sonst kriegen wir dieses Geld nicht mehr.
Geers: Das heißt aber auch, Sie sagen auch nein, wenn auf der anderen Seite gesagt wird, Ihr Rating der EIB – das AAA, das berühmte – ist Ihnen dann wichtiger als die Rettung Griechenlands?
Hoyer: Ich glaube, die Argumentation ist falsch. Es ist im Interesse aller Mitgliedsstaaten, dass die Bank ein hohes Rating behält, am besten natürlich Triple A, auf jeden Fall ein sehr hohes Rating. Und das wiederum heißt, wenn wir es verlieren würden, dann würden die Möglichkeiten der Kreditaufnahme für uns und der Anleihebegebung erheblich schwieriger werden, und wir würden am Ende des Tages den Endnutzern unserer Kredite erheblich höhere Zinsen abverlangen müssen. Und das ist in niemandes Interesse.
Im übrigen dürfen Sie nicht übersehen: Die Bank hat auch ein starkes eigenes Interesse daran, auch in ökonomisch starken Ländern präsent zu sein, denn das Loan Book unseres Portfolio, das was wir auf unserer Bilanz stehen haben, das muss ja auch ansehnlich sein für unsere Kreditgeber. Und das heißt, wir sind auch sehr daran interessiert, unser Ausleihvolumen ist starken Ländern gegenseitig – also in den Niederlanden, in Finnland, in Deutschland – auch tatsächlich zu erhalten und auszubauen, denn das macht auch die Attraktivität dieser Bank aus.
Geers: Dann halten wir mal fest: Die Europäische Investitionsbank muss die Balance wahren zwischen Kreditvergaben an Krisenstaaten und Länder, die noch gut dastehen. Sie muss Sorge dafür tragen, dass sie ihr gutes Rating an den Finanzmärkten behält, ihren guten Ruf. Und sie soll gleichzeitig aber auch eben was tun. Reden wir doch mal darüber, was denn die EIB im Rahmen dieser Wachstumsinitiativen tun kann, Herr Hoyer. Und bevor wir auf die Details zu sprechen kommen – da kommen wir gleich noch drauf zu sprechen –, was geht, oder was ginge aus Ihrer Sicht?
Hoyer: Also, das Erste ist . . .
Geers: . . . was können Sie finanzieren?
Hoyer: Um einen Vorsatz zu sagen, ich halte die Auseinandersetzung zwischen den Konsolidierungspolitikern und den Wachstumspolitikern für sehr künstlich. Wir haben in Europa in den meisten Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren einen großen Fortschritt erzielt bei den Strukturreformen, insbesondere auch in Deutschland. Das hat uns jetzt in die Lage versetzt, relativ günstige Wirtschaftsdaten vorzuweisen, eine niedrige Arbeitslosigkeit und so weiter. In anderen Staaten muss da noch nachgearbeitet werden. Deswegen ist immer klar gewesen: Konsolidierungspolitik und Strukturreformen sind die notwendige Bedingung für den Fortschritt. Die hinreichende Bedingung muss dann kommen, indem auch Beschäftigung, Innovation und Wachstum angekurbelt werden, wobei ich ganz bewusst Innovation hier betont habe, denn wir haben ja manchmal in Deutschland und Europa so eine eurozentrische Sicht.
Wir neigen dazu, zu übersehen, dass Europa und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sich in einem weltweiten Wettbewerb befinden. Und da müssen wir aufpassen, dass wir nicht den Anschluss verlieren. Ich habe Sorge, dass wir im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation doch in Rückstand geraten, wenn wir uns nicht stärker darauf konzentrieren.
So, jetzt umgesetzt auf Ihre Frage heißt das, es gibt in den nächsten Jahren zum einen im Bereich der Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen großen Nachholbedarf, weil sie sind der eigentliche Motor der Jobproduktion in Europa. 85 Prozent aller zusätzlichen Jobs kommen in kleinen und mittleren Unternehmen zustande. Da müssen wir uns besonders konzentrieren. Zweitens: Im Bereich der kritischen Infrastruktur, die für die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidend ist, gibt es einen gigantischen Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren, den die staatlichen Haushalte niemals werden decken können. Es wird also darum gehen müssen, dort privates Kapital zu mobilisieren, um das zu finanzieren.
Geers: Sagen Sie Beispiele.
Hoyer: Beispiele. Erstens: Breitbandinfrastruktur, Informationstechnik. Das ist die entscheidende Lebensader für moderne Industrienationen. Hier gibt es einen Investitionsbedarf, den müssen wir mit abdecken. Zweitens, wir haben einen riesigen Investitionsbedarf, gerade auch übrigens in Deutschland im Nachgang zu der Entscheidung Atomausstieg, was die Energienetze angeht. Hier werden wir europaweit ran müssen, um hier eine bessere Versorgung mit Energietransportmöglichkeiten zu organisieren. Und drittens gibt es auch im Verkehrsbereich noch sehr viel zu tun. Allerdings müssen wir uns von der altbackenen Vorstellung lösen, dass auf der letzten Insel jetzt auch noch eine dritte Autobahn gebaut werden muss. Wir müssen gucken, wo die kritische transeuropäische Infrastruktur noch leidet und hinterher hinkt und uns dort besonders dafür bemühen. Da denke ich insbesondere an den Bereich der Schienenfracht, da denke ich an bestimmte Hafensituationen in Europa und Wasserwege. Natürlich auch im Straßenbereich, aber da denke ich etwas konzentrierter an die Regionen, bei denen es auch um einen hohen Beitrag zu einer hohen Wertschaffung geht.
Geers: Aber sind das Investitionen, von denen dann zum Beispiel auch die aktuellen Krisenstaaten profitieren werden? Wird dann dort investiert oder wird dann nicht das Breitbandnetz in Deutschland zwar noch verbessert – da würden sich auch viele Deutsche dann sicherlich darüber freuen, vor allem die jüngeren Deutschen, denen das Internet immer noch viel zu langsam ist, aber ein kriselndes Griechenland, ein kriselndes Spanien hätte davon erst mal nichts, oder?
Hoyer: Das sehe ich nicht so, weil im übrigen in Deutschland auf dem Gebiet Gott sei Dank jetzt einiges passiert, die Bundesregierung da sehr aktiv ist auf dem Gebiet und Deutschland diese Dinge auch relativ gut selber finanzieren kann. Hier ist eher das Interesse der Bank, der Investitionsbank, jetzt auch dort mit dabei zu sein. Aber ansonsten werden wir mehr gebraucht im Sinne der Notwendigkeiten des Endabnehmers von den etwas schwächeren Staaten. Und dort ist es wichtig, jetzt zum einen auch relativ kurzfristig Konjunkturimpulse zu setzen, zum zweiten aber immer darauf zu achten, was bedeutet das denn eigentlich unter dem Gesichtspunkt von Nachhaltigkeit und mittel- und langfristiger Wirkung solcher Investitionen. Und ich habe mich in den letzten Jahren oft genug befasst mit der Forschungslandschaft in Europa und habe da festgestellt, dass in manchen Ländern wirklich die Dinge weit, weit hinterher hinken. Und wenn in diesen Ländern eines Tages auch der Anschluss an die Innovationsentwicklung in zum Beispiel Zentraleuropa geschafft werden soll, dann muss jetzt auch in solche modernen Technologien investiert werden. Und deswegen ist das Thema Informationstechnologie, Breitband, auch das Thema Energienetze europaweit relevant.
Geers: Wie wollen Sie denn verhindern bei der Europäischen Investitionsbank, dass am Ende nicht doch irgendwelche Kathedralen in der Wüste entstehen, wie man so zu sagen pflegt, dass also beim Bau irgendwelche Strohfeuer entfacht werden, auch in punkto Beschäftigung vielleicht, aber hinterher sind das dann Projekte, die kein Mensch braucht und die niemand nutzt.
Hoyer: Das ist der Punkt, weswegen ich großen Wert darauf lege, dass die Expertise der Bank in die Definition und Auswahl von Projekten frühzeitig einbezogen wird. Als ich im Januar nach Luxemburg gekommen bin, da kannte ich natürlich die Bank vorher, aber ich war dann doch überrascht und sehr beeindruckt von der Qualität und Quantität der naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Expertise. Also manchmal hat man das Gefühl, man ist dort nicht in einer Bank unterwegs, sondern in einem Forschungsinstitut. Und das heißt, unsere Auftraggeber, auch zum Beispiel aus dem Bereich der Kommission, legen großen Wert darauf, sich den Rat einzuholen von unseren Ingenieuren, von unseren Wissenschaftlern und von unseren Ökonomen.
Und deswegen muss die Bank die Möglichkeit haben, frühzeitig auf Projekte Einfluss zu nehmen und sie auch zu prüfen um gegebenenfalls dann auch Nein sagen zu können. Und ich habe in den ersten Monaten schon so manches Projekt den Bach runtergehen gesehen. Ich habe nämlich auf der anderen Seite auch erfahren müssen, dass es in der Vergangenheit Projekte gegeben hat, wo die nationalen Regierungen, zum Beispiel bei Straßenprojekten, von völlig überzogenen Erwartungen ausgegangen sind oder Prognosen ausgegangen sind, was Verkehrsströme angeht. Und heute werden auf diesen Straßen die entsprechenden Gebühren, die Mauteinnahmen nicht erzielt mit dem Ergebnis, dass die nationalen Haushalte belastet werden und strukturell auf Jahrzehnte hinaus belastet sind. Und solche zusätzlichen Risiken können wir uns nicht leisten.
Geers: Heißt das, dass die Europäische Investitionsbank tatsächlich bei dem einen oder anderen Projekt Nein sagen wird und dem einen oder anderen Politiker auch dann in die Parade fährt, wenn die Projekte sich nicht rechnen werden, obwohl sie Teil der Wachstumsinitiative sind, obwohl sie Teil dieser Wachstumsimpulse sein sollen, von denen jetzt immer geredet wird und die ja aktuell und schnell auf die Beine gebracht werden. Werden Sie dann Nein sagen?
Hoyer: Ja, das haben wir oft genug getan. Das habe ich in den letzten Monaten, die ich jetzt in der Bank verbracht habe, oft genug getan, entweder, weil wir bereits im Direktorium der Bank Nein gesagt haben oder weil unser Verwaltungsrat später Nein gesagt hat. Das kommt öfter vor, als man sich das so vorstellt. Und deswegen ist es wichtig, dass wir mit der Europäischen Kommission, die ja unser ganz besonders wichtiger Partner ist, hier eng zusammen arbeiten. Die Bank, um es noch einmal zu betonen, ist die Bank der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Aber da wir teilweise in ziemlich riskante Kredite hineingehen und Projekte hineingehen, ist es wichtig, dass wir sie so gut wie möglich absichern. Da ist die Kommission der Europäischen Union uns ein ganz wichtiger Partner, die zum Beispiel in der Lage ist, aus den Strukturformmitteln auch Mittel bereit zu stellen, um bestimmte Kredite abzusichern. Es darf jetzt aber nicht umgekehrt sein, dass die Kommission auf der Suche nach sinnhaften Projekten, um ihre Strukturformmittel an den Mann zu bringen, Projektlisten erstellt – übrigens auch veröffentlicht – und hinterher die Bank dann nur noch abwickeln kann, denn dann ist ein Zeitpunkt gekommen, wo man nur noch schwer ohne Reputationsschaden für die betreffenden Unternehmen Nein sagen kann. Deswegen früh mit rein gehen und sich immer das Recht vorbehalten, mit Blick auf die Interessen der 27 auch Nein zu sagen.
Geers: Sagt der Präsident der Europäischen Investitionsbank EIB Werner Hoyer. Trotzdem noch mal gefragt, Herr Hoyer, sind da möglicherweise manche Erwartungen von der Politik jetzt zu hoch geschraubt, was diese Wachstumsimpulse, die man leisten kann, die auch Ihre Bank leisten kann, betrifft, sind die zu hoch? Wird da zu viel erwartet und muss da nicht möglicherweise irgendwann mal der eine oder andere Politiker zurück auf den Teppich?
Hoyer: Ich bin hier sehr mit dem Erwartungsmanagement befasst und betone deshalb auch immer, dass wir diese Kapitalerhöhung nicht fordern, sondern nur sagen, was wäre möglich, wenn wir sie bekommen. Und ich sage, was wir dann erreichen können, das ist ein Beitrag zur Problemlösung Europa. Die Problemlösung selber muss sehr viel größer angelegt sein. Aber immerhin, das können wir leisten.
Geers: Aber ist der Erwartungsdruck, den zum Beispiel Politiker wie Francois Hollande schüren, ist der nicht viel zu hoch? Die Erwartung ist doch die, dass jetzt zusätzlich zum Haushaltskonsolidieren Geld in die Hand genommen wird, zum Beispiel Geld von der EIB, um dann möglichst kurzfristig auch in den Krisenstaaten Erfolge vorweisen zu können.
Hoyer: Nein, ich glaube, dass die Erwartungen, sowohl im Hinblick auf die Dimension als auch im Hinblick auf die Schnelligkeit ihres Wirksamwerdens überzogen sind. Und man muss da dämpfen. Man darf deshalb das Licht nicht unter den Scheffel stellen. Man muss daran erinnern, dass die Europäische Investitionsbank – und damals hat sie noch keiner groß zur Kenntnis genommen in der europäischen Öffentlichkeit – in der Finanzkrise nach Lehman Brothers ihr Volumen erheblich ausgeweitet hat und einen großen Beitrag geleistet hat, um zum Beispiel auch die Zulieferindustrie für die deutsche Automobilindustrie durchzuziehen in einer sehr, sehr schwierigen Zeit. Also, da ist Enormes geleistet worden. Das kann man, aber trotzdem muss man Dimension und Zeitschiene realistisch betrachten.
Geers: Gehen wir noch mal kurz zurück zu meiner Frage, was geht und was geht nicht mit der Europäischen Investitionsbank. Sie haben beschrieben, was geht. Sie haben auch gesagt, wir legen Wert auf intelligentes Investieren, auf zukunftsgerichtetes Investieren. Aber was geht denn zum Beispiel nicht? Es ist ja zum Beispiel auch davon teilweise die Rede, dass die EIB herangezogen werden könnte zur Sanierung oder Rettung von angeschlagenen Banken zum Beispiel in Spanien. Ginge so etwas?
Hoyer: Das ginge eindeutig nicht. Das ist mit unserem Auftrag nicht vereinbar. Wir sind erst recht nicht Lender of Last Ressort. Das heißt also, die Zusammenarbeit mit den nationalen Banken ist für uns ganz wichtig. Durch sie arbeiten wir. Aber wir sind nicht die Finanziers der nationalen, regionalen oder lokalen Banken.
Geers: Sie haben vorhin eine Sorge formuliert, die Sorge, dass möglicherweise das Geld nicht in die zukunftsgerichteten Investitionen, die Europa eigentlich braucht, fließen könnte. Sie haben auch Beispiele genannt, wo das Geld eigentlich hinfließen sollte, Stichwort Breitbandausbau und Ähnliches. Können Sie noch ein paar Beispiele bringen, wo Ihrer Meinung nach Europa verstärkt investieren möchte, wenn das Geld nicht nur in Beton fließen soll?
Hoyer: Also, wenn man es jetzt einmal ein bisschen von der Bank löst und insgesamt sagt, wo wird in Europa eigentlich zu wenig investiert, dann werde ich Ihnen eine Antwort geben, die vielleicht für einen Banker etwas ungewöhnlich ist, aber da würde ich Ihnen mal sagen, eher noch als Politiker, der ich mal war, Europa investiert zu wenig in Köpfe. Wir müssen uns darüber im klaren sein, dass alles, was wir tun, gemessen werden muss daran, ob es einen Beitrag leistet zur Selbstbehauptung der Europäer in der Globalisierung. Und wenn ich mir ansehe – ich habe diese Erfahrung in den verschiedensten Schwellenländern in den letzten Jahren immer wieder machen können –, wie dort gezielt investiert wird in die Infrastruktur und die Personalausstattung im Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftsbereich, da muss ich sagen, da muss am meisten geschehen. Das kann natürlich nicht die Investitionsbank leisten, aber sie kann einen Beitrag dazu leisten, dass das besser passiert. Denn wenn zum Beispiel – um das zu verbinden mit dem Thema Breitbandausstattung Europas – eine Universitätsforschungseinrichtung in einem bestimmten X- oder Y-Land nicht an das Breitbandnetz angeschossen ist, dann kann sie auch im internationalen Bereich nicht mithalten, selbst, wenn die Wissenschaftler noch so gut sind. Und deswegen gehören die Dinge hier eng zusammen. Und insgesamt müssen wir mehr in intelligentes Wachstum hineinstecken und wir müssen die einzelnen Projekte mehr auf ihre Multiplikationswirkung im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung ausrichten.
Geers: Das sind aber alles Projekte, die langfristig wirken, die auf Langfristigkeit, auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind. Das sind keine Projekte, die man heute beschließt und die dann morgen den angeschlagenen Ländern aus der Patsche helfen.
Hoyer: Das haben Investitionen so an sich, erst recht Investitionen, die eine langfristige Finanzierung brauchen. Denn wir sind ja nicht dazu da, Konsumkredite zu vergeben. Das müssten dann andere machen, wenn das angedacht wird. Ich glaube, der entscheidende Vorteil des Weges über die EU-Bank ist, dass dort die Mobilisierung privaten Kapitals gelingt, während bei klassischen Konjunkturprogrammen der Staaten die Gefahr groß ist, dass dort die Strohfeuer abgebrannt werden und die Staaten sich auch, was ihre eigene Haushaltslage angeht, übernehmen. Wir haben in Europa es geschafft, in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel zustande zu bringen in der Frage der Haltung gegenüber Staatsschulden. Und wir sollten unter dem Druck der gegenwärtigen Krise nicht den Fehler machen, jetzt wieder Programme aufzulegen, die strukturell die Staatsschuld erhöhen und das Problem erneut verschärfen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Werner Hoyer: Die EIB ist eine Bank, die Ende der 50er-Jahre mit den Römischen Verträgen, auf die sie sich stützt, gegründet worden ist von den Mitgliedsstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie ist heute die Bank der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, das sind unsere Anteilseigner. Sie ist gegründet worden damals im Grunde, um im Grunde so etwas wie einen Spezial-Marshallplan, insbesondere für Italien, aufzulegen. Und um da nicht einen Spezial-Marshallplan aufzulegen, hat man gesagt: Wir gründen eine Bank, die den Auftrag hat, Investitionen langfristig zu finanzieren, die sonst schwer zu finanzieren wären und bei denen es einen besonderen europäischen Mehrwert auch gibt.
Geers: Wer sind die Kreditnehmer?
Hoyer: Die Kreditnehmer können große Unternehmen sein, sie können Projekt-Promotoren sein, die große Infrastrukturprojekte sich vornehmen. Es können kleine und mittlere Unternehmen sein, das ist ganz wichtig. Im letzten Jahr hat die Bank insgesamt 120.000 kleine und mittlere Unternehmen europaweit gefördert. Das sind so die Schwerpunkte. Das ist also ein breites Spektrum. Wichtig ist, dass die Bank stets zusammenarbeitet mit Partnerbanken in den Mitgliedsstaaten.
Geers: Im Gespräch ist jetzt, Herr Hoyer, der Europäischen Investitionsbank im Rahmen dieser Wachstumsinitiativen 10 Milliarden Euro mehr Eigenkapital zu geben, womit sie dann noch mehr Kredite vergeben könnte. Diese 10 Milliarden Euro – ist das die Summe, auf die es ungefähr hinauslaufen dürfte?
Hoyer: Also die Bank fordert das nicht, sondern wir haben den Staats- und Regierungschefs und den Finanzministern, die ja gemeinsam unseren Gouverneursrat bilden, gesagt: Wenn Ihr erwartet, dass die Europäische Investitionsbank ihr Kreditvolumen noch weiter ausweitet, dann müssen wir das auf einer verbesserten Kapitalbasis tun, weil die Bank, die ja nicht Steuermittel weiter verleiht, sondern auf den privaten Kapitalmärkten Geld aufnimmt, um es günstig weiter zu verleihen – die muss sich an Best Banking Practices halten, sie muss ein sehr konservatives Bankverhalten an den Tag legen. Und das heißt auch, die Relation zwischen ausgelegten Krediten und dem, was wir an Kapital sozusagen in der Bilanz haben, das muss stimmen. Und in dem Zusammenhang ist an eine Erhöhung des eingezahlten Kapitals gedacht.
Ich glaube, ich muss mal das Zahlenwerk ein bisschen erläutern, denn diese Bank ist größer als die Weltbank. Sie hat ein Kapital von 232 Milliarden Euro, von denen die Mitgliedsstaaten aber nur fünf Prozent eingezahlt haben. Der Rest, was wir so zusagen auf der hohen Kante haben, das sind Profite, die über die Jahrzehnte geblieben sind. Und deswegen haben wir die Notwendigkeit, die Kapitalbasis zu verstärken, falls wir unser Volumen ausweiten sollten. Das ist der Grundgedanke. Denn eines ist klar: Diese Bank hat einen großen Vorteil bei der Aufnahme von eigenen Krediten, also bei der Begehung von Anleihen, weil wir ein hohes Standing auf den Märkten haben, ein hohes Rating haben. Und das heißt, wir leihen uns das Geld international – übrigens mehr als 50 Prozent auch außerhalb Europas – zu recht günstigen Konditionen und können damit dann auch unseren Kreditnehmern am Ende günstige Konditionen anbieten. Das dürfen wir nicht riskieren, da müssen wir konsequent bleiben.
Geers: Aber genau das will man sich ja zunutze machen, diese gute Bonität der Europäischen Investitionsbank, indem man sagt: Wir geben dieser Bank noch zehn Milliarden Euro mehr Eigenkapital. Wie viel neue Kredite können Sie denn mit diesen zehn Milliarden aufnehmen oder ausgeben?
Hoyer: Wenn wir sonst keine weiteren Veränderungen mitkalkulieren müssen – dann gehe ich mal davon aus, dass wir in der Lage sind, mit einer Verbesserung des eingezahlten Kapitals um zehn Milliarden auf den Märkten sicherlich 60 Milliarden noch mal an privatem Kapital zu mobilisieren. Und wenn man das denn multipliziert, um welche Investitionssummen geht es, dann geht es erfahrungsgemäß, wenn die Bank selber mit 60 Milliarden dabei ist, die sie dann einbringen kann, dann ist das wahrscheinlich so im Bereich zwischen 160 und 200 Milliarden zu sehen. Das ist schon eine ganz beachtliche Summe. Auf der anderen Seite: In der gegenwärtigen Diskussion wird die EIB bisweilen so als das Allheilmittel gepriesen, weil man sich auch auf vieles andere nicht ohne Weiteres verständigen kann. Ich glaube, wir sind nicht die Lösung des Problems, sondern wir sind ein Teil der Problemlösung, nicht mehr – aber auch nicht weniger.
Geers: Aber die landläufige Meinung, Herr Hoyer, ist doch die, dass, wenn der EIB, deren Präsident Sie sind, jetzt mehr Geld zur Verfügung steht, dann ist das Geld, und dann sind das hinterher auch Kredite, mit denen wir dann in die Krisenländer hineingehen können, also nach Griechenland, nach Spanien, nach Portugal, vielleicht auch nach Italien – wer weiß. In jedem Fall kann man dann klotzen statt kleckern. Läuft das so?
Hoyer: Auf jeden Fall haben wir natürlich Prioritäten zu setzen dort, wo es gegenwärtig ökonomisch ganz besonders schwierig ist. Das hat aber nichts mit der Frage zu tun: Eurozone oder nicht Eurozone, denn die Europäische Investitionsbank ist die Bank der 27 und nicht die der 17. Und es gibt auch bei Nicht-Euro-Ländern solche, die gegenwärtig ganz besonders der Hilfe bedürfen und deswegen auch im Fokus unserer Bemühungen stehen. Aber richtig ist natürlich, dass wir gegenwärtig uns besonders kümmern müssen, dort wieder die Wirtschaft in Gang zu bringen, wo es ganz besonders schwach ist, wo die örtlichen Banken besonders schwach sind und den Mittelstand und kleine und mittlere Unternehmen wenig unterstützen können. Und dass wir uns darum besonders kümmern, versteht sich von selbst. Aber es ist schon wichtig, dass die Bank in allen 27 Staaten und übrigens darüber hinaus tätig ist. Es ist auch wichtig, dass diejenigen, die jetzt bei einer möglichen Kapitalerhöhung herangezogen würden, auch das Gefühl haben, dass auch für sie etwas dabei herausspringt. Das heißt also, wir werden unsere Kreditvergabe dann auch in allen 27 Mitgliedsstaaten erhöhen können – bei aller Priorisierung der Problemländer.
Geers: Also, Sie sind nicht die Rettungsbank für fünf oder sechs – oder wie viel auch immer – angeschlagene Mitglieder der Eurozone in Südeuropa?
Hoyer: Das würden unsere Mitgliedsstaaten, die der Eurozone nicht angehören, auch nicht mitmachen, und auch manche der Eurozone-Länder nicht. Also wir müssen da schon vorsichtig vorgehen. Aber klar: Wir haben besondere Probleme in den Ländern, wo zu Beispiel gegenwärtig die Jugendarbeitslosigkeit ganz besonders groß ist und wo die wirtschaftlichen Einbrüche sehr, sehr stark waren.
Geers: Wenn wir dann mal diese zehn Milliarden Euro nehmen, die Sie mehr an Eigenkapital bekommen sollen – entschieden wird das ja wahrscheinlich Ende Juni – und wenn man dann die 60 Milliarden Euro nimmt, die daraus an Krediten durch die Europäische Investitionsbank vergeben werden können: Wie viel könnte denn davon, ohne dass bei Ihnen das Ganze aus der Balance kommt, wie viel könnte denn dann in diese Krisenländer, die es am nötigsten haben, fließen?
Hoyer: Also diese Verteilungsdiskussion, die mache ich jetzt nicht auf. Und das ist auch etwas, wo wir mit unseren Anteilseignern also sehr präzise reden müssen, denn noch sind nicht alle davon überzeugt, dass diese Kapitalerhöhung wirklich der richtige Schritt ist. Und deswegen sollte man da nichts gefährden. Es ist wichtig, dass das fair und im europäischen Geist erfolgt. Es kann nicht nach dem Motto gehen: Ich will jeden Cent, den ich eingezahlt habe, auch mit Zins und Zinseszins herausholen. Das ist nicht der europäische Geist, von dem ich gesprochen habe. Aber klar ist auch, dass jeder so zusagen etwas davon haben muss, wenn er sich an dieser großen schwierigen Operation beteiligt, die ja immerhin erfordert, dass in den meisten betroffenen Mitgliedsstaaten auch extra parlamentarische Entscheidungen herbeigeführt werden müssen.
Geers: Dennoch gibt es die Erwartung, Herr Hoyer, dass die EU vor allem Griechenland und vielleicht auch anderen Ländern besonders helfen muss. Manche reden ja auch von so einer Art Marshallplan, wie nach dem Zweiten Weltkrieg, und die EIB als europäische Hausbank soll das dann machen. Da ist doch ein gewisser Erwartungsdruck der Politik. Spüren Sie diesen Druck, und was sagen Sie zu diesem Druck, der auf Sie herunter kommt?
Hoyer: Der Druck ist ja auch berechtigt, denn wir haben eine besondere Verantwortung. Wir sind darauf festgelegt von unseren Statuten her, die Ziele der Europäischen Union zu verfolgen. Deswegen ist es logisch, dass wir in den Ländern, bei denen es besonders schwierig ist, diese Ziele zu erreichen, auch besonders aktiv werden. Trotzdem muss man sehr genau aufpassen, dass man nicht die Dinge durcheinander bringt. Die Europäische Investitionsbank ist zum Beispiel in Griechenland jetzt schon außerordentlich aktiv. Hier haben wir ein Kreditvolumen von zwei Milliarden Euro dort auf den Weg gebracht insbesondere für den Bereich kleine und mittlere Unternehmen. Wir haben gerade eine Vereinbarung mit Griechenland getroffen für ein großes Paket mit einem Volumen von 500 Millionen, das für kleine und mittlere Unternehmen gedacht ist, die besonders große Schwierigkeiten haben, von ihren Banken Kleinkredite zu bekommen. Also, das läuft ohnehin. Insofern wäre es jetzt falsch anzunehmen, dass jetzt die große Wucht der zusätzlichen Aktivitäten notwendigerweise auf Griechenland gehen würde.
Wir müssen im übrigen immer sehen: Die Bank kann nur dort finanzieren, wo auch finanzierbare und ökonomisch sinnvolle Projekte vorliegen. Und wenn ich eben von den Best Banking Practices gesprochen haben, die für die Bank Leitlinie bleiben müssen, dann heißt das auch: Die Bank muss die Möglichkeit haben, jedes Projekt auf seine ökonomische und technische Sinnhaftigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls auch nein zu sagen, denn sonst verlieren wir das Vertrauen unserer Kapitalgeber. Die Bank hat im letzten Jahr 76 Milliarden Euro an den internationalen Kapitalmärkten aufgenommen. Das heißt, da ist ein enormes Vertrauen auch in die Bank und übrigens auch in Europa drin zu erkennen. Und dieses Vertrauen dürfen wir nicht enttäuschen, sonst kriegen wir dieses Geld nicht mehr.
Geers: Das heißt aber auch, Sie sagen auch nein, wenn auf der anderen Seite gesagt wird, Ihr Rating der EIB – das AAA, das berühmte – ist Ihnen dann wichtiger als die Rettung Griechenlands?
Hoyer: Ich glaube, die Argumentation ist falsch. Es ist im Interesse aller Mitgliedsstaaten, dass die Bank ein hohes Rating behält, am besten natürlich Triple A, auf jeden Fall ein sehr hohes Rating. Und das wiederum heißt, wenn wir es verlieren würden, dann würden die Möglichkeiten der Kreditaufnahme für uns und der Anleihebegebung erheblich schwieriger werden, und wir würden am Ende des Tages den Endnutzern unserer Kredite erheblich höhere Zinsen abverlangen müssen. Und das ist in niemandes Interesse.
Im übrigen dürfen Sie nicht übersehen: Die Bank hat auch ein starkes eigenes Interesse daran, auch in ökonomisch starken Ländern präsent zu sein, denn das Loan Book unseres Portfolio, das was wir auf unserer Bilanz stehen haben, das muss ja auch ansehnlich sein für unsere Kreditgeber. Und das heißt, wir sind auch sehr daran interessiert, unser Ausleihvolumen ist starken Ländern gegenseitig – also in den Niederlanden, in Finnland, in Deutschland – auch tatsächlich zu erhalten und auszubauen, denn das macht auch die Attraktivität dieser Bank aus.
Geers: Dann halten wir mal fest: Die Europäische Investitionsbank muss die Balance wahren zwischen Kreditvergaben an Krisenstaaten und Länder, die noch gut dastehen. Sie muss Sorge dafür tragen, dass sie ihr gutes Rating an den Finanzmärkten behält, ihren guten Ruf. Und sie soll gleichzeitig aber auch eben was tun. Reden wir doch mal darüber, was denn die EIB im Rahmen dieser Wachstumsinitiativen tun kann, Herr Hoyer. Und bevor wir auf die Details zu sprechen kommen – da kommen wir gleich noch drauf zu sprechen –, was geht, oder was ginge aus Ihrer Sicht?
Hoyer: Also, das Erste ist . . .
Geers: . . . was können Sie finanzieren?
Hoyer: Um einen Vorsatz zu sagen, ich halte die Auseinandersetzung zwischen den Konsolidierungspolitikern und den Wachstumspolitikern für sehr künstlich. Wir haben in Europa in den meisten Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren einen großen Fortschritt erzielt bei den Strukturreformen, insbesondere auch in Deutschland. Das hat uns jetzt in die Lage versetzt, relativ günstige Wirtschaftsdaten vorzuweisen, eine niedrige Arbeitslosigkeit und so weiter. In anderen Staaten muss da noch nachgearbeitet werden. Deswegen ist immer klar gewesen: Konsolidierungspolitik und Strukturreformen sind die notwendige Bedingung für den Fortschritt. Die hinreichende Bedingung muss dann kommen, indem auch Beschäftigung, Innovation und Wachstum angekurbelt werden, wobei ich ganz bewusst Innovation hier betont habe, denn wir haben ja manchmal in Deutschland und Europa so eine eurozentrische Sicht.
Wir neigen dazu, zu übersehen, dass Europa und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sich in einem weltweiten Wettbewerb befinden. Und da müssen wir aufpassen, dass wir nicht den Anschluss verlieren. Ich habe Sorge, dass wir im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation doch in Rückstand geraten, wenn wir uns nicht stärker darauf konzentrieren.
So, jetzt umgesetzt auf Ihre Frage heißt das, es gibt in den nächsten Jahren zum einen im Bereich der Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen großen Nachholbedarf, weil sie sind der eigentliche Motor der Jobproduktion in Europa. 85 Prozent aller zusätzlichen Jobs kommen in kleinen und mittleren Unternehmen zustande. Da müssen wir uns besonders konzentrieren. Zweitens: Im Bereich der kritischen Infrastruktur, die für die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidend ist, gibt es einen gigantischen Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren, den die staatlichen Haushalte niemals werden decken können. Es wird also darum gehen müssen, dort privates Kapital zu mobilisieren, um das zu finanzieren.
Geers: Sagen Sie Beispiele.
Hoyer: Beispiele. Erstens: Breitbandinfrastruktur, Informationstechnik. Das ist die entscheidende Lebensader für moderne Industrienationen. Hier gibt es einen Investitionsbedarf, den müssen wir mit abdecken. Zweitens, wir haben einen riesigen Investitionsbedarf, gerade auch übrigens in Deutschland im Nachgang zu der Entscheidung Atomausstieg, was die Energienetze angeht. Hier werden wir europaweit ran müssen, um hier eine bessere Versorgung mit Energietransportmöglichkeiten zu organisieren. Und drittens gibt es auch im Verkehrsbereich noch sehr viel zu tun. Allerdings müssen wir uns von der altbackenen Vorstellung lösen, dass auf der letzten Insel jetzt auch noch eine dritte Autobahn gebaut werden muss. Wir müssen gucken, wo die kritische transeuropäische Infrastruktur noch leidet und hinterher hinkt und uns dort besonders dafür bemühen. Da denke ich insbesondere an den Bereich der Schienenfracht, da denke ich an bestimmte Hafensituationen in Europa und Wasserwege. Natürlich auch im Straßenbereich, aber da denke ich etwas konzentrierter an die Regionen, bei denen es auch um einen hohen Beitrag zu einer hohen Wertschaffung geht.
Geers: Aber sind das Investitionen, von denen dann zum Beispiel auch die aktuellen Krisenstaaten profitieren werden? Wird dann dort investiert oder wird dann nicht das Breitbandnetz in Deutschland zwar noch verbessert – da würden sich auch viele Deutsche dann sicherlich darüber freuen, vor allem die jüngeren Deutschen, denen das Internet immer noch viel zu langsam ist, aber ein kriselndes Griechenland, ein kriselndes Spanien hätte davon erst mal nichts, oder?
Hoyer: Das sehe ich nicht so, weil im übrigen in Deutschland auf dem Gebiet Gott sei Dank jetzt einiges passiert, die Bundesregierung da sehr aktiv ist auf dem Gebiet und Deutschland diese Dinge auch relativ gut selber finanzieren kann. Hier ist eher das Interesse der Bank, der Investitionsbank, jetzt auch dort mit dabei zu sein. Aber ansonsten werden wir mehr gebraucht im Sinne der Notwendigkeiten des Endabnehmers von den etwas schwächeren Staaten. Und dort ist es wichtig, jetzt zum einen auch relativ kurzfristig Konjunkturimpulse zu setzen, zum zweiten aber immer darauf zu achten, was bedeutet das denn eigentlich unter dem Gesichtspunkt von Nachhaltigkeit und mittel- und langfristiger Wirkung solcher Investitionen. Und ich habe mich in den letzten Jahren oft genug befasst mit der Forschungslandschaft in Europa und habe da festgestellt, dass in manchen Ländern wirklich die Dinge weit, weit hinterher hinken. Und wenn in diesen Ländern eines Tages auch der Anschluss an die Innovationsentwicklung in zum Beispiel Zentraleuropa geschafft werden soll, dann muss jetzt auch in solche modernen Technologien investiert werden. Und deswegen ist das Thema Informationstechnologie, Breitband, auch das Thema Energienetze europaweit relevant.
Geers: Wie wollen Sie denn verhindern bei der Europäischen Investitionsbank, dass am Ende nicht doch irgendwelche Kathedralen in der Wüste entstehen, wie man so zu sagen pflegt, dass also beim Bau irgendwelche Strohfeuer entfacht werden, auch in punkto Beschäftigung vielleicht, aber hinterher sind das dann Projekte, die kein Mensch braucht und die niemand nutzt.
Hoyer: Das ist der Punkt, weswegen ich großen Wert darauf lege, dass die Expertise der Bank in die Definition und Auswahl von Projekten frühzeitig einbezogen wird. Als ich im Januar nach Luxemburg gekommen bin, da kannte ich natürlich die Bank vorher, aber ich war dann doch überrascht und sehr beeindruckt von der Qualität und Quantität der naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Expertise. Also manchmal hat man das Gefühl, man ist dort nicht in einer Bank unterwegs, sondern in einem Forschungsinstitut. Und das heißt, unsere Auftraggeber, auch zum Beispiel aus dem Bereich der Kommission, legen großen Wert darauf, sich den Rat einzuholen von unseren Ingenieuren, von unseren Wissenschaftlern und von unseren Ökonomen.
Und deswegen muss die Bank die Möglichkeit haben, frühzeitig auf Projekte Einfluss zu nehmen und sie auch zu prüfen um gegebenenfalls dann auch Nein sagen zu können. Und ich habe in den ersten Monaten schon so manches Projekt den Bach runtergehen gesehen. Ich habe nämlich auf der anderen Seite auch erfahren müssen, dass es in der Vergangenheit Projekte gegeben hat, wo die nationalen Regierungen, zum Beispiel bei Straßenprojekten, von völlig überzogenen Erwartungen ausgegangen sind oder Prognosen ausgegangen sind, was Verkehrsströme angeht. Und heute werden auf diesen Straßen die entsprechenden Gebühren, die Mauteinnahmen nicht erzielt mit dem Ergebnis, dass die nationalen Haushalte belastet werden und strukturell auf Jahrzehnte hinaus belastet sind. Und solche zusätzlichen Risiken können wir uns nicht leisten.
Geers: Heißt das, dass die Europäische Investitionsbank tatsächlich bei dem einen oder anderen Projekt Nein sagen wird und dem einen oder anderen Politiker auch dann in die Parade fährt, wenn die Projekte sich nicht rechnen werden, obwohl sie Teil der Wachstumsinitiative sind, obwohl sie Teil dieser Wachstumsimpulse sein sollen, von denen jetzt immer geredet wird und die ja aktuell und schnell auf die Beine gebracht werden. Werden Sie dann Nein sagen?
Hoyer: Ja, das haben wir oft genug getan. Das habe ich in den letzten Monaten, die ich jetzt in der Bank verbracht habe, oft genug getan, entweder, weil wir bereits im Direktorium der Bank Nein gesagt haben oder weil unser Verwaltungsrat später Nein gesagt hat. Das kommt öfter vor, als man sich das so vorstellt. Und deswegen ist es wichtig, dass wir mit der Europäischen Kommission, die ja unser ganz besonders wichtiger Partner ist, hier eng zusammen arbeiten. Die Bank, um es noch einmal zu betonen, ist die Bank der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Aber da wir teilweise in ziemlich riskante Kredite hineingehen und Projekte hineingehen, ist es wichtig, dass wir sie so gut wie möglich absichern. Da ist die Kommission der Europäischen Union uns ein ganz wichtiger Partner, die zum Beispiel in der Lage ist, aus den Strukturformmitteln auch Mittel bereit zu stellen, um bestimmte Kredite abzusichern. Es darf jetzt aber nicht umgekehrt sein, dass die Kommission auf der Suche nach sinnhaften Projekten, um ihre Strukturformmittel an den Mann zu bringen, Projektlisten erstellt – übrigens auch veröffentlicht – und hinterher die Bank dann nur noch abwickeln kann, denn dann ist ein Zeitpunkt gekommen, wo man nur noch schwer ohne Reputationsschaden für die betreffenden Unternehmen Nein sagen kann. Deswegen früh mit rein gehen und sich immer das Recht vorbehalten, mit Blick auf die Interessen der 27 auch Nein zu sagen.
Geers: Sagt der Präsident der Europäischen Investitionsbank EIB Werner Hoyer. Trotzdem noch mal gefragt, Herr Hoyer, sind da möglicherweise manche Erwartungen von der Politik jetzt zu hoch geschraubt, was diese Wachstumsimpulse, die man leisten kann, die auch Ihre Bank leisten kann, betrifft, sind die zu hoch? Wird da zu viel erwartet und muss da nicht möglicherweise irgendwann mal der eine oder andere Politiker zurück auf den Teppich?
Hoyer: Ich bin hier sehr mit dem Erwartungsmanagement befasst und betone deshalb auch immer, dass wir diese Kapitalerhöhung nicht fordern, sondern nur sagen, was wäre möglich, wenn wir sie bekommen. Und ich sage, was wir dann erreichen können, das ist ein Beitrag zur Problemlösung Europa. Die Problemlösung selber muss sehr viel größer angelegt sein. Aber immerhin, das können wir leisten.
Geers: Aber ist der Erwartungsdruck, den zum Beispiel Politiker wie Francois Hollande schüren, ist der nicht viel zu hoch? Die Erwartung ist doch die, dass jetzt zusätzlich zum Haushaltskonsolidieren Geld in die Hand genommen wird, zum Beispiel Geld von der EIB, um dann möglichst kurzfristig auch in den Krisenstaaten Erfolge vorweisen zu können.
Hoyer: Nein, ich glaube, dass die Erwartungen, sowohl im Hinblick auf die Dimension als auch im Hinblick auf die Schnelligkeit ihres Wirksamwerdens überzogen sind. Und man muss da dämpfen. Man darf deshalb das Licht nicht unter den Scheffel stellen. Man muss daran erinnern, dass die Europäische Investitionsbank – und damals hat sie noch keiner groß zur Kenntnis genommen in der europäischen Öffentlichkeit – in der Finanzkrise nach Lehman Brothers ihr Volumen erheblich ausgeweitet hat und einen großen Beitrag geleistet hat, um zum Beispiel auch die Zulieferindustrie für die deutsche Automobilindustrie durchzuziehen in einer sehr, sehr schwierigen Zeit. Also, da ist Enormes geleistet worden. Das kann man, aber trotzdem muss man Dimension und Zeitschiene realistisch betrachten.
Geers: Gehen wir noch mal kurz zurück zu meiner Frage, was geht und was geht nicht mit der Europäischen Investitionsbank. Sie haben beschrieben, was geht. Sie haben auch gesagt, wir legen Wert auf intelligentes Investieren, auf zukunftsgerichtetes Investieren. Aber was geht denn zum Beispiel nicht? Es ist ja zum Beispiel auch davon teilweise die Rede, dass die EIB herangezogen werden könnte zur Sanierung oder Rettung von angeschlagenen Banken zum Beispiel in Spanien. Ginge so etwas?
Hoyer: Das ginge eindeutig nicht. Das ist mit unserem Auftrag nicht vereinbar. Wir sind erst recht nicht Lender of Last Ressort. Das heißt also, die Zusammenarbeit mit den nationalen Banken ist für uns ganz wichtig. Durch sie arbeiten wir. Aber wir sind nicht die Finanziers der nationalen, regionalen oder lokalen Banken.
Geers: Sie haben vorhin eine Sorge formuliert, die Sorge, dass möglicherweise das Geld nicht in die zukunftsgerichteten Investitionen, die Europa eigentlich braucht, fließen könnte. Sie haben auch Beispiele genannt, wo das Geld eigentlich hinfließen sollte, Stichwort Breitbandausbau und Ähnliches. Können Sie noch ein paar Beispiele bringen, wo Ihrer Meinung nach Europa verstärkt investieren möchte, wenn das Geld nicht nur in Beton fließen soll?
Hoyer: Also, wenn man es jetzt einmal ein bisschen von der Bank löst und insgesamt sagt, wo wird in Europa eigentlich zu wenig investiert, dann werde ich Ihnen eine Antwort geben, die vielleicht für einen Banker etwas ungewöhnlich ist, aber da würde ich Ihnen mal sagen, eher noch als Politiker, der ich mal war, Europa investiert zu wenig in Köpfe. Wir müssen uns darüber im klaren sein, dass alles, was wir tun, gemessen werden muss daran, ob es einen Beitrag leistet zur Selbstbehauptung der Europäer in der Globalisierung. Und wenn ich mir ansehe – ich habe diese Erfahrung in den verschiedensten Schwellenländern in den letzten Jahren immer wieder machen können –, wie dort gezielt investiert wird in die Infrastruktur und die Personalausstattung im Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftsbereich, da muss ich sagen, da muss am meisten geschehen. Das kann natürlich nicht die Investitionsbank leisten, aber sie kann einen Beitrag dazu leisten, dass das besser passiert. Denn wenn zum Beispiel – um das zu verbinden mit dem Thema Breitbandausstattung Europas – eine Universitätsforschungseinrichtung in einem bestimmten X- oder Y-Land nicht an das Breitbandnetz angeschossen ist, dann kann sie auch im internationalen Bereich nicht mithalten, selbst, wenn die Wissenschaftler noch so gut sind. Und deswegen gehören die Dinge hier eng zusammen. Und insgesamt müssen wir mehr in intelligentes Wachstum hineinstecken und wir müssen die einzelnen Projekte mehr auf ihre Multiplikationswirkung im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung ausrichten.
Geers: Das sind aber alles Projekte, die langfristig wirken, die auf Langfristigkeit, auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind. Das sind keine Projekte, die man heute beschließt und die dann morgen den angeschlagenen Ländern aus der Patsche helfen.
Hoyer: Das haben Investitionen so an sich, erst recht Investitionen, die eine langfristige Finanzierung brauchen. Denn wir sind ja nicht dazu da, Konsumkredite zu vergeben. Das müssten dann andere machen, wenn das angedacht wird. Ich glaube, der entscheidende Vorteil des Weges über die EU-Bank ist, dass dort die Mobilisierung privaten Kapitals gelingt, während bei klassischen Konjunkturprogrammen der Staaten die Gefahr groß ist, dass dort die Strohfeuer abgebrannt werden und die Staaten sich auch, was ihre eigene Haushaltslage angeht, übernehmen. Wir haben in Europa es geschafft, in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel zustande zu bringen in der Frage der Haltung gegenüber Staatsschulden. Und wir sollten unter dem Druck der gegenwärtigen Krise nicht den Fehler machen, jetzt wieder Programme aufzulegen, die strukturell die Staatsschuld erhöhen und das Problem erneut verschärfen.
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