Peter C. Fischer: Herr von Richthofen, die Fusion zwischen dem Deutschen Sportbund DSB und dem Nationalen Olympischen Komitee geht in ihre ganz heiße Phase. Wenn die Hochzeit sozusagen erfolgt ist, wird es den Deutschen Olympischen Sportbund DOSB geben. Nun sind Sie nicht immer als Mann bekannt, der voller Euphorie ist. Sie haben sich aber kürzlich zu diesem gewaltigen Unterfangen in etwa so geäußert: Das ist ein historischer Vorgang, wie er in der bundesdeutschen Sportgeschichte seinesgleichen sucht und es ist eine einmalige Chance und zwingende Notwendigkeit. Ich glaube, mit diesen Worten ist schon viel gesagt.
Manfred von Richthofen: Ja, wir stehen also vor einem revolutionären Umbruch. Die beiden großen Sportorganisationen, der Deutsche Sportbund und das Nationale Olympische Komitee mit seinen Olympischen Verbänden, möchten sich vereinigen, fusionieren. Das soll im Dezember geschehen. Und bei einem solchen Umbruch ist es eigentlich genau so wie bei der großen Gewerkschaft Ver.di, wenn man mal einen Vergleich aus einem anderen Bereich anführt. Auch hier sind ja mehrere Gewerkschaften zusammengeschmolzen worden und auch dort gab es natürlich diverse Widerstände. Diese Widerstände gibt es bei uns natürlich auch, denn wir verschmelzen nicht nur, wir verkleinern die Gremien. Und viele Amtsträger verlieren natürlich durch eine Verkleinerung von Gremien auch ihre Posten. Und insofern gibt es entsprechende Widerstände. Es gibt auch Widerstände von Organisationen, die sich in der Mitgliederversammlung nicht ausreichend vertreten fühlen, zum Beispiel wie die Landessportbünde. Aber wir hoffen, also diese Probleme bis zu dem entsprechenden Datum im Dezember, wo die Vereinigung beschlossen werden soll, dass wir diese Schwierigkeiten ausgeräumt haben.
Fischer: Der Bundesinnenminister Otto Schily, der auch für den Sport zuständig ist, hat diese Verschmelzung zwar nicht sozusagen angeordnet, was er auch nicht kann, er ist auch nicht der Vater dieser Idee, aber er hat sich auf einem Termin in der vergangenen Woche in Köln als eine Art Katalysator bezeichnet. Hatten Sie von ihm und von der Politik, was diesen wichtigen Schritt betrifft, den entsprechenden Rückenwind und Unterstützung, so Sie es gebraucht haben?
von Richthofen: Ja, ich habe diese Unterstützung erfahren. Ich bin für die Unterstützung auch dankbar. Man muss die Position des Bundesinnenministers und Sportministers vielleicht noch mal deutlich machen. Er hat bisher über den Bereich des Spitzensports in der Bundesrepublik mit zwei Organisationen verhandeln müssen, mit dem Deutschen Sportbund, dem Apparat für den Spitzensport und mit dem Nationalen Olympischen Komitee über alle Vorgänge der Olympischen Spiele, Beschickung, entsprechende Vorbereitungen und, und, und, entsprechend sehr viele Sitzungen, ein umfangreiches Verfahren. Und der Innenminister sagt: Ich möchte zu dem ganzen Bereich Spitzensport mit einer Organisation, mit einem kleinen Kreis von Ansprechpartnern in Zukunft umgehen. Das kommt uns sehr entgegen. Wir wollen es auch, denn auch diese getrennten Besprechungen haben eigentlich der Sache überhaupt nicht geholfen. Bei der jetzigen Opposition haben wir sehr eingehende Gespräche zu diesem Thema mit Herrn Dr. Schäuble geführt, der wiederum bei der CDU den Sport im Präsidium vertritt. Und er teilt in diesem Punkt voll und ganz die Position des Bundesinnenministers und sagt auch, ein Ansprechpartner ist an der Zeit. Und intern muss man sagen, in einer schwierigen finanziellen Zeit, auch in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, ist es gut, dass der Sport in der Bundesrepublik mit einer Stimme redet und nicht mit zweien. Und ich meine, dass es auch gut ist, dass man Überlegungen anstellt, kleinere Gremien zu schaffen. Ich glaube auch, dass es notwendig ist, die Verwaltung zu verkleinern. Auch das hängt ja damit zusammen, weniger Ausschüsse zu haben. All dies ist zeitgemäß. Man spart eine Menge Geld, die dann in den praktischen Sport einfließen kann. Ich glaube, das leuchtet eigentlich jedem ein.
Fischer: Sie haben es anklingen lassen: Immer wenn es zu einer Verschmelzung, Verkleinerung von großen Organisationen kommt, dann bleiben natürlich Eitelkeiten auf der Strecke, Pfründe müssen abgegeben werden, Posten und Pöstchen gehen verloren. Ich kann mir vorstellen, dass das möglicherweise das größte Problem bei dieser Vereinigung sein könnte, denn nicht jeder wird da offenen Herzens mitmachen wollen.
von Richthofen: Natürlich verliert der eine oder andere an Einfluss. Er kann sich auch ausrechnen, dass er keine Berücksichtigung mehr in einem Ausschuss oder einem bisherigen Gremium findet. Und insofern hat er natürlich Vorbehalte. Und ich erinnere natürlich daran, dass ich ja vor neun Jahren, also ein Jahr eigentlich nach meiner ersten Wahl zum Präsidenten des Deutschen Sportbundes, diesen Vorschlag schon einmal unterbreitet habe, es wäre an der Zeit, diese Vereinigung durchzuführen. Damals waren die Landessportbünde mit ganz großer Mehrheit für diese Vereinigung. Und damals zog das Nationale Olympische Komitee nicht mit in historischen Sitzungen und sagte, dass die Zeit noch nicht reif sei und eine Vereinigung auch nicht effektiv sein kann. Nun, jetzt durch die Umstände, die ich schon geschildert habe, und auch durch die notwendige verstärkte Konzentration des Spitzensports nach den nicht so erfreulichen Ergebnissen von Athen ist die Zeit einfach reif. Denn auch im Spitzensport müssen manche Vorgänge gestrafft werden, manche Wege verkürzt werden, dies im Interesse der Athleten und sie werden es auch merken, so wir die Vereinigung schaffen.
Fischer: Darauf werden wir sicherlich im Verlauf dieses Gespräches noch zurückkommen. Nun gibt es ja auch schon einen Plan, weitergehend, dass im kommenden Jahr dann dieser neue Verband sozusagen aus der Taufe gehoben wird. Wie sehen denn da die Regularien aus?
von Richthofen: Also, jetzt im Dezember findet in der entscheidenden Sitzung des Nationalen Olympischen Komitees, natürlich noch getrennt von der Vollversammlung des Deutschen Sportbundes, diese Abstimmung statt, Abstimmung über die neue Satzung. Am Nachmittag stimmt der Deutsche Sportbund darüber ab. Verlaufen beide Abstimmungen so, wie ich es mir wünsche und wie viele, eigentlich auch fortschrittliche Kräfte, dieses wünschen, dann haben wir gesagt, es gibt noch eine Menge Übergangsprobleme zu lösen, alleine schon im Verwaltungsbereich. Und wir wollen also im Mai des kommenden Jahres den ersten Bundestag des Deutschen Sports einberufen, der neuen Organisation, wo dann entsprechend auch die Wahlen vorgenommen werden für ein neues Präsidium und es werden also auch ganz wichtige Gremien personell festgelegt, so zum Beispiel das Leitungsgremium im Spitzensport und das Leitungsgremium im Breiten- und Freizeitsport und Sportentwicklung. Das sind ja die beiden wichtigsten Beine, die der organisierte Sport in der Bundesrepublik hat
Fischer: Wenn man von Posten spricht, von Eitelkeiten, Sie stehen für den großen Boss, der dann gewählt werden muss, für den Posten dieses großen Chefs nicht zur Verfügung. Das haben Sie vorher in aller Deutlichkeit erklärt. Man kann Ihnen also ganz bestimmt nicht unterstellen, Sie haben diese Fusion nur vorangetrieben, weil Sie hoffen, am Ende dann als König mit Krone und Zepter und Hermelinmantel auf dem Thron zu sitzen.
von Richthofen: Nein, das ist ein Vorteil, den ich jetzt bei diesem Prozess habe. Ich kann natürlich sehr unbeschwert auch jedem begegnen in einer schwierigen Diskussion, weil ich selber keine Ambitionen habe. Es wäre auch schlecht, dass also nun ein 72jähriger eine solche Position anstrebt. Wir haben übrigens - auch das ist neu für den Sport und für einige sensationell - wir haben also eine Regelung, dass man ein Amt auch nicht mehr anstreben kann, wenn man 70 Jahre und älter geworden ist. Nach der neuen Satzung ist das also nicht mehr möglich. Wir wollen ganz bewusst unsere Arbeit auf Verjüngung ausrichten und das heißt nicht, dass jemand, der also noch mal mit Ende 60 gewählt wird, seine Amtszeit noch durchziehen kann, aber er kann also über 70 nicht mehr ein neues Amt antreten.
Fischer: Herr von Richthofen, wie sehen Sie denn gegenwärtig die Situation des deutschen Sports in der Gesellschaft. Sie haben anklingen lassen, dass Sie mit der Positionierung durch die Parteien nicht immer hundertprozentig zufrieden sind. Da ist sicherlich noch Luft nach oben. Eine Verbesserung kann angestrebt werden, aber den Idealzustand wird es wahrscheinlich sowieso nicht geben.
von Richthofen: Das sagen natürlich andere Bereiche der Gesellschaft auch, wenn ich mir Ihre Ausführungen zu eigen mache. Insgesamt ist der Sport politischer geworden. Er ist nicht parteipolitisch geworden, das dürfen wir auch nach unserer Satzung nicht, aber er ist politischer geworden. Also, ich entnehme den zahlreichen Zuschriften, die wir haben, doch Äußerungen über aktuelle Vorgänge, die den Sport betreffen, die wir vorher in diesem Umfang nie bekommen hätten. Und ich weiß, dass natürlich unsere Vereine auch Verhandlungen mit Kommunen, dass Landessportbünde Verhandlungen mit Landesregierungen doch in einer Deutlichkeit führen, die in den vergangenen Jahren vermisst worden ist. Also, ich glaube schon, dass wir insgesamt einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht haben, im Selbstbewusstsein auch der Vertreter des Sports gegenüber der Politik. Auf der Bundesebene haben wir so viele Gespräche mit den Verantwortlichen der Regierung und der Opposition geführt wie noch nie - das heißt, im wesentlichen natürlich auch mit der Legislative, denn wir sind natürlich auch angewiesen bei allen Diskussionen über Zuwendungen, dass uns die Legislative aufgeschlossen gegenübertritt - mit allen Fraktionen im Bundestag wurden intensive Gespräche geführt und wir haben auch eine ganz hervorragende Zusammenarbeit praktiziert mit dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages, dem für den Sport wichtigen Ausschuss. Auch der Sportausschuss des Bundestages hat sich mit so viel Themen in der Breite beschäftigt wie noch nie in den vergangenen Legislaturperioden. Und wir haben auch so viel intensive Gespräche mit dem zuständigen Bundesminister, aber auch dem Bundesminister der Verteidigung, mit der zuständigen Bundesministerin für Jugend und Senioren geführt. Und alle diese Gespräche zeigen doch, dass wir einen Umgang eigentlich mit der Politik pflegen wie viele andere große gesellschaftliche Organisationen auch, aus dem Sozialbereich, aber auch aus dem Gewerkschaftsbereich. Und all dieses zeigt doch den Wunsch der Politik, einen engen Kontakt zu den Verantwortlichen des Sports zu halten und bedeutet eigentlich auch, dass jetzt eine Anerkennung der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports erkennbar ist. Dennoch muss ich sagen, auf Ihre Frage mit Bezug auf die Parteiprogramme, da kann man anmerken: Insgesamt ist der Sport wohl erwähnt, aber dürftig. Und manche haben uns also versprochen, noch umfangreiche Programme nachzureichen. Auch da muss ein Zögern eingetreten sein. Und hier wollen wir natürlich gleich nach der Regierungsbildung wissen, weshalb ist diese Verzögerung eingetreten, hat man eventuell irgendwelche Veränderungen in der Sportpolitik vor? Das wollen wir möglichst schnell nach der Regierungsbildung wissen.
Fischer: Sie hatten kürzlich auch ein ausführliches Gespräch mit den Vertretern der Kirche. Also, auch hier arbeitet der Sport nicht nur mit der Politik, sondern auch mit der Kirche eng zusammen. Kann man denn erfahren, was bei diesem sicherlich hochinteressanten Gespräch mit der Kirche herausgekommen ist?
von Richthofen: Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie dieses ansprechen, denn wir haben regelmäßige Gespräche mit den jeweiligen Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, also mit Herrn Kardinal Lehmann für die katholische Kirche und mit Herrn Bischof Huber für die evangelische Kirche, ich darf mal sagen, beides sehr sportkundige Bischöfe. Ich kann mich eigentlich in der Vergangenheit nicht erinnern, dass wir so sportkundige Bischöfe als Gesprächspartner vorgefunden haben. Wir haben uns unterhalten über die Zusammenarbeit auch gegenüber den Kultusministern bei der Ganztagsbetreuung, Ganztagsbetreuung, die ja jetzt in den Schulen Eingang findet und auch eine völlige Umstellung der Vereinsarbeit bedeutet. Ich hoffe, dass unsere Vereine wissen, dass sie jetzt Partnerschaften mit den Schulen schließen müssen, sonst erleben sie ja die Jugendlichen in den Nachmittagsstunden gar nicht mehr. Und natürlich gibt es vergleichbare Probleme der Kirchen, wenn Sie an die Ausbildung von Ministranten denken, wenn Sie an die Vorbereitung für die Kommunion oder Konfirmation denken, wo die Jugendlichen in den Nachmittagsstunden den Kirchen zur Verfügung stehen. Auch das hat sich alles geändert und wird sich jetzt noch verstärkt ändern. Wir haben dann sehr intensiv auch über Ausländerbetreuung gesprochen. Und hier denken wir auch an partnerschaftliches Vorgehen. Wir wollen also in den Kirchengemeinden Sport anbieten, und auch für die Kirchengemeinden ist es einfacher, wenn sie auch ein entsprechendes Sportangebot an ausländische Jugendliche richten können. Hier ist eine Partnerschaft an der Zeit. Wenn ich nur an die Russland-Deutschen denke, ich denke gar nicht zunächst an die türkischen Mitbürger voran, da stehen große Probleme vor uns. Und hier meine ich, dass wir also schon die enge Verbindung zu den Kirchen praktizieren sollen. Wir haben insgesamt über die Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz gesprochen. Wenn Sie daran denken, dass wir jetzt gerade eine Untersuchung durchgeführt haben, wie steht es mit dem Sportunterricht in der Bundesrepublik, und es steht insgesamt ja nicht so erfreulich, wie wir uns alle wünschen, auch nicht so schlecht, wie wir es dachten. Aber wenn eben heute Unterrichtsstunden in den Schulen ausfallen, dann fallen sie eben zunächst einmal im Sportunterricht und im Religionsunterricht aus, und Sie verstehen, dass diejenigen, die die Leidtragenden sind, dann auch schneller zusammen finden.
Fischer: Wir sprachen jetzt über den Schulsport, wir sprachen über den Jugendsport. Ein ganz wichtiger Punkt für Sie ist ja auch der Gesundheitssport und der Seniorensport. Das sind ja wirklich fundamentale Teile des Sports. Man denkt ja sehr oft, wenn man über den Sport spricht, es geht hier nur um den Spitzensport und vielleicht ein bisschen Schulsport. Aber da steht ja viel mehr dahinter. Ich glaube, das sind auch zwei Bereiche, die Sie ganz gewiss nicht vernachlässigt wissen wollen.
von Richthofen: Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie den Seniorensport ansprechen, denn wenn wir heute wachsende Mitgliederzahlen- erfreulicherweise über 27 Millionen hinaus in der Bundesrepublik zu verzeichnen haben, es gibt übrigens keine andere Organisation, die wachsende Mitgliederzahlen in der Form aufzuweisen hat -, dann sind es speziell die Mitbürgerinnen und Mitbürger über 60 Jahre. Wir finden also topfitte ältere Frauen und Männer vor, die sinnvoll in unseren Vereinen betreut werden wollen, natürlich mit einem sportlichen Angebot. Aber ich glaube, dass das vermehrt nicht das wichtigste ist, weshalb sie in unsere Sportvereine kommen. In den Großstädten ist eindeutig festzustellen, dass hauptsächlich auch ältere Frauen zu uns kommen, weil sie vereinsamt sind. Und das nenne ich also mal die "Sozialstation Sportverein". Und dafür brauche ich speziell Ausgebildete. Ich kann nicht den Hochsprungtrainer, der eine glänzende Ausbildung hat, nun auf eine Seniorengruppe loslassen, sondern ich verlange von einer Übungsleiterin oder einem Übungsleiter für diesen Bereich eine Betreuung, die weit über die sportlichen Aktivitäten hinausgehen. Man will gemeinsame Spaziergänge machen, man will Theaterbesuche machen, man will überhaupt wieder einmal mit anderen Menschen sprechen. Und es ist eigentlich ja sensationell, dass dafür der Sportverein ausgesucht wird. Denn es wird ja niemand hingetrieben.
Fischer: Die Bundesrepublik Deutschland ist bei der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2012 gescheitert. Wir hatten zum Schluss sozusagen den Kandidaten Leipzig in der Verlosung. Die Olympischen Sommerspiele 2012 sind nach London vergeben worden. Nun hört man zum Beispiel von Ihrem Pendant, dem NOK-Präsidenten Klaus Steinbach, dass man sehr wohl daran denkt, sich wieder zu bewerben - man steckt den Kopf nicht in den Sand, das ist sicherlich gut - und dass man für 2016 möglicherweise den Hut in den Ring werfen will. Und da geht es natürlich vor allem darum, will man sich eventuell für die Sommerspiele bewerben oder für die Winterspiele?
von Richthofen: Wir wären ja nicht in Deutschland, würden wir nicht auch dafür einen entsprechenden Ausschuss eingerichtet haben. Und das Nationale Olympische Komitee hat dafür einen Ausschuss eingerichtet, der jetzt in Kürze tagen wird und der entscheiden wird, lohnt es sich, für die Sommerspiele sich zu bewerben oder ist es taktisch klüger, sich auf die Winterspiele zu konzentrieren. Es spricht manches für die Winterspiele, so zum Beispiel, dass eigentlich der Austragungsort feststeht. Es wird München mit Umgebung, einigen sehr attraktiven, schon vorhandenen Anlagen sein. Aber München muss natürlich kräftig arbeiten, wollen sie international bestehen. Und wir haben natürlich einen ganz großen Vorteil für die Austragung der Olympischen Spiele, nämlich wir sind zur Zeit leistungsmäßig im Wintersport die Nummer 1 der Welt. Und man will natürlich, wenn man die Spiele in ein Land holt, auch die eigenen Athleten dann mit Freude beklatschen, wenn sie sich um die vorderen Plätze rangeln können. Entscheidet man sich für die Sommerspiele, muss man wissen - dieses ist durch Erklärung bereits deutlich geworden, durch Erklärung der beiden Bürgermeister -, dass sich Berlin und Hamburg bewerben werden. Also, wir werden da wieder eine Auswahl zu treffen haben. Erst muss man sich entscheiden für den Sommer und dann für eine der beiden Städte. Ich glaube auch, dass uns entsprechend eine Sommerbewerbung uns schwerer fallen wird. Die Konkurrenten bei der Sommerbewerbung sind übrigens natürlich auch ungleich mehr als bei einer Bewerbung um die Winterspiele. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass Deutschland international ein Signal sendet. Das heißt, wir wollen wieder am Tage X Olympische Spiele haben - wir sind ein großes Sportland -, denn man wird mehrere Anläufe brauchen, um die Spiele zu bekommen. Das haben wir ja jetzt wieder erlebt. Also, es wird eine sehr schwierige Entscheidung. Das IOC, das zwischenzeitlich mal die Erklärung abgab, auch kleinere Städte hätten eine Chance, hat eigentlich bei den praktischen Umsetzungen diese Sprüche schnell vergessen. Es geht in größere Städte. Olympische Spiele werden in größeren Städten ausgetragen. Ich meine natürlich die Sommerspiele. Also, für Berlin spricht die Hauptstadt und natürlich auch einige sehr gute und ideale Sportstätten, die vorhanden sind, obwohl einiges noch gebaut werden muss. Hamburg hatte ein glänzendes Konzept bei der Bewerbung, wo wir uns dann mehrheitlich für Leipzig entschieden haben. Und es ist also keine Frage, dass bei Hamburg starke Kräfte der deutschen Wirtschaft eine solche Durchführung der Spiele in dieser Stadt gerne sehen würden. Das muss man dann abwägen, aber das traurige Procedere, was wir mit den fünf Städten aufgeführt haben, das sollte nicht wiederholt werden, denn da ist Geld hinausgeworfen worden, auch Steuergeld. Das hätte man für den praktischen Sport besser angewandt, so zum Beispiel für den Bau einiger Sportstätten.
Fischer: Herr von Richthofen, die abschließende Frage. Sie ließen es ja schon anklingen: Deutschland ist gegenwärtig im Wintersport ungleich erfolgreicher als zum Beispiel letzthin bei den Olympischen Sommerspielen in Athen. Nun stehen ja im Februar die Olympischen Winterspiele in Italien, in Turin, an. Darf man da mit einem reichen Medaillensegen, wenn man das vorher so prognostizieren kann, durch deutsche Athleten rechnen?
von Richthofen: Also, wir gehen sehr optimistisch nach Turin, weil wir in einigen Wintersportarten so viele Weltklasseathleten haben wie eben vergleichbar nur wenige Länder. Aber wir haben es natürlich auch mit einer interessanten Konkurrenz zu tun. Wenn ich zum Beispiel an Norwegen denke, ist es sensationelle, was dieses kleine Land bei den Olympischen Spielen auf die Beine stellen kann. Aber wenn Sie also daran denken, dass eben Sportarten, in denen wir schon lange erfolgreich sind - ich nenne Bob und Rodeln -, dass wir diese Erfolgsserie noch ergänzen konnten durch eine ganze Reihe von anderen Sportarten, die in der Zwischenzeit doch sehr populär geworden sind, dass Biathlon für Einige vor einigen Jahren eine völlig uninteressante kleine Sportart war und heute Zehntausende zu den Veranstaltungen kommen, dass das ganze Langstrecken-Skilaufen eine sensationelle Entwicklung genommen hat, dass moderne Skisportarten auch viel Begeisterung auslösen, wenn Sie auch daran denken, dass wir im Eisschnelllauf eine wirkliche Macht darstellen, dass wir im Alpin noch den ein oder anderen Nachholbedarf haben, schon gut, und dass wir natürlich bei allen Sprungwettbewerben einen hochinteressanten Nachwuchs haben, auch wenn einige Stars nicht mehr antreten, so glaube ich, insgesamt gehen wir also hoffnungsvoll nach Turin. Ich würde mich nicht auf den ersten Platz festlegen, aber dass wir ganz vorne mit stehen werden, das kann man eigentlich sehr seriös vorrechnen.
Manfred von Richthofen: Ja, wir stehen also vor einem revolutionären Umbruch. Die beiden großen Sportorganisationen, der Deutsche Sportbund und das Nationale Olympische Komitee mit seinen Olympischen Verbänden, möchten sich vereinigen, fusionieren. Das soll im Dezember geschehen. Und bei einem solchen Umbruch ist es eigentlich genau so wie bei der großen Gewerkschaft Ver.di, wenn man mal einen Vergleich aus einem anderen Bereich anführt. Auch hier sind ja mehrere Gewerkschaften zusammengeschmolzen worden und auch dort gab es natürlich diverse Widerstände. Diese Widerstände gibt es bei uns natürlich auch, denn wir verschmelzen nicht nur, wir verkleinern die Gremien. Und viele Amtsträger verlieren natürlich durch eine Verkleinerung von Gremien auch ihre Posten. Und insofern gibt es entsprechende Widerstände. Es gibt auch Widerstände von Organisationen, die sich in der Mitgliederversammlung nicht ausreichend vertreten fühlen, zum Beispiel wie die Landessportbünde. Aber wir hoffen, also diese Probleme bis zu dem entsprechenden Datum im Dezember, wo die Vereinigung beschlossen werden soll, dass wir diese Schwierigkeiten ausgeräumt haben.
Fischer: Der Bundesinnenminister Otto Schily, der auch für den Sport zuständig ist, hat diese Verschmelzung zwar nicht sozusagen angeordnet, was er auch nicht kann, er ist auch nicht der Vater dieser Idee, aber er hat sich auf einem Termin in der vergangenen Woche in Köln als eine Art Katalysator bezeichnet. Hatten Sie von ihm und von der Politik, was diesen wichtigen Schritt betrifft, den entsprechenden Rückenwind und Unterstützung, so Sie es gebraucht haben?
von Richthofen: Ja, ich habe diese Unterstützung erfahren. Ich bin für die Unterstützung auch dankbar. Man muss die Position des Bundesinnenministers und Sportministers vielleicht noch mal deutlich machen. Er hat bisher über den Bereich des Spitzensports in der Bundesrepublik mit zwei Organisationen verhandeln müssen, mit dem Deutschen Sportbund, dem Apparat für den Spitzensport und mit dem Nationalen Olympischen Komitee über alle Vorgänge der Olympischen Spiele, Beschickung, entsprechende Vorbereitungen und, und, und, entsprechend sehr viele Sitzungen, ein umfangreiches Verfahren. Und der Innenminister sagt: Ich möchte zu dem ganzen Bereich Spitzensport mit einer Organisation, mit einem kleinen Kreis von Ansprechpartnern in Zukunft umgehen. Das kommt uns sehr entgegen. Wir wollen es auch, denn auch diese getrennten Besprechungen haben eigentlich der Sache überhaupt nicht geholfen. Bei der jetzigen Opposition haben wir sehr eingehende Gespräche zu diesem Thema mit Herrn Dr. Schäuble geführt, der wiederum bei der CDU den Sport im Präsidium vertritt. Und er teilt in diesem Punkt voll und ganz die Position des Bundesinnenministers und sagt auch, ein Ansprechpartner ist an der Zeit. Und intern muss man sagen, in einer schwierigen finanziellen Zeit, auch in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, ist es gut, dass der Sport in der Bundesrepublik mit einer Stimme redet und nicht mit zweien. Und ich meine, dass es auch gut ist, dass man Überlegungen anstellt, kleinere Gremien zu schaffen. Ich glaube auch, dass es notwendig ist, die Verwaltung zu verkleinern. Auch das hängt ja damit zusammen, weniger Ausschüsse zu haben. All dies ist zeitgemäß. Man spart eine Menge Geld, die dann in den praktischen Sport einfließen kann. Ich glaube, das leuchtet eigentlich jedem ein.
Fischer: Sie haben es anklingen lassen: Immer wenn es zu einer Verschmelzung, Verkleinerung von großen Organisationen kommt, dann bleiben natürlich Eitelkeiten auf der Strecke, Pfründe müssen abgegeben werden, Posten und Pöstchen gehen verloren. Ich kann mir vorstellen, dass das möglicherweise das größte Problem bei dieser Vereinigung sein könnte, denn nicht jeder wird da offenen Herzens mitmachen wollen.
von Richthofen: Natürlich verliert der eine oder andere an Einfluss. Er kann sich auch ausrechnen, dass er keine Berücksichtigung mehr in einem Ausschuss oder einem bisherigen Gremium findet. Und insofern hat er natürlich Vorbehalte. Und ich erinnere natürlich daran, dass ich ja vor neun Jahren, also ein Jahr eigentlich nach meiner ersten Wahl zum Präsidenten des Deutschen Sportbundes, diesen Vorschlag schon einmal unterbreitet habe, es wäre an der Zeit, diese Vereinigung durchzuführen. Damals waren die Landessportbünde mit ganz großer Mehrheit für diese Vereinigung. Und damals zog das Nationale Olympische Komitee nicht mit in historischen Sitzungen und sagte, dass die Zeit noch nicht reif sei und eine Vereinigung auch nicht effektiv sein kann. Nun, jetzt durch die Umstände, die ich schon geschildert habe, und auch durch die notwendige verstärkte Konzentration des Spitzensports nach den nicht so erfreulichen Ergebnissen von Athen ist die Zeit einfach reif. Denn auch im Spitzensport müssen manche Vorgänge gestrafft werden, manche Wege verkürzt werden, dies im Interesse der Athleten und sie werden es auch merken, so wir die Vereinigung schaffen.
Fischer: Darauf werden wir sicherlich im Verlauf dieses Gespräches noch zurückkommen. Nun gibt es ja auch schon einen Plan, weitergehend, dass im kommenden Jahr dann dieser neue Verband sozusagen aus der Taufe gehoben wird. Wie sehen denn da die Regularien aus?
von Richthofen: Also, jetzt im Dezember findet in der entscheidenden Sitzung des Nationalen Olympischen Komitees, natürlich noch getrennt von der Vollversammlung des Deutschen Sportbundes, diese Abstimmung statt, Abstimmung über die neue Satzung. Am Nachmittag stimmt der Deutsche Sportbund darüber ab. Verlaufen beide Abstimmungen so, wie ich es mir wünsche und wie viele, eigentlich auch fortschrittliche Kräfte, dieses wünschen, dann haben wir gesagt, es gibt noch eine Menge Übergangsprobleme zu lösen, alleine schon im Verwaltungsbereich. Und wir wollen also im Mai des kommenden Jahres den ersten Bundestag des Deutschen Sports einberufen, der neuen Organisation, wo dann entsprechend auch die Wahlen vorgenommen werden für ein neues Präsidium und es werden also auch ganz wichtige Gremien personell festgelegt, so zum Beispiel das Leitungsgremium im Spitzensport und das Leitungsgremium im Breiten- und Freizeitsport und Sportentwicklung. Das sind ja die beiden wichtigsten Beine, die der organisierte Sport in der Bundesrepublik hat
Fischer: Wenn man von Posten spricht, von Eitelkeiten, Sie stehen für den großen Boss, der dann gewählt werden muss, für den Posten dieses großen Chefs nicht zur Verfügung. Das haben Sie vorher in aller Deutlichkeit erklärt. Man kann Ihnen also ganz bestimmt nicht unterstellen, Sie haben diese Fusion nur vorangetrieben, weil Sie hoffen, am Ende dann als König mit Krone und Zepter und Hermelinmantel auf dem Thron zu sitzen.
von Richthofen: Nein, das ist ein Vorteil, den ich jetzt bei diesem Prozess habe. Ich kann natürlich sehr unbeschwert auch jedem begegnen in einer schwierigen Diskussion, weil ich selber keine Ambitionen habe. Es wäre auch schlecht, dass also nun ein 72jähriger eine solche Position anstrebt. Wir haben übrigens - auch das ist neu für den Sport und für einige sensationell - wir haben also eine Regelung, dass man ein Amt auch nicht mehr anstreben kann, wenn man 70 Jahre und älter geworden ist. Nach der neuen Satzung ist das also nicht mehr möglich. Wir wollen ganz bewusst unsere Arbeit auf Verjüngung ausrichten und das heißt nicht, dass jemand, der also noch mal mit Ende 60 gewählt wird, seine Amtszeit noch durchziehen kann, aber er kann also über 70 nicht mehr ein neues Amt antreten.
Fischer: Herr von Richthofen, wie sehen Sie denn gegenwärtig die Situation des deutschen Sports in der Gesellschaft. Sie haben anklingen lassen, dass Sie mit der Positionierung durch die Parteien nicht immer hundertprozentig zufrieden sind. Da ist sicherlich noch Luft nach oben. Eine Verbesserung kann angestrebt werden, aber den Idealzustand wird es wahrscheinlich sowieso nicht geben.
von Richthofen: Das sagen natürlich andere Bereiche der Gesellschaft auch, wenn ich mir Ihre Ausführungen zu eigen mache. Insgesamt ist der Sport politischer geworden. Er ist nicht parteipolitisch geworden, das dürfen wir auch nach unserer Satzung nicht, aber er ist politischer geworden. Also, ich entnehme den zahlreichen Zuschriften, die wir haben, doch Äußerungen über aktuelle Vorgänge, die den Sport betreffen, die wir vorher in diesem Umfang nie bekommen hätten. Und ich weiß, dass natürlich unsere Vereine auch Verhandlungen mit Kommunen, dass Landessportbünde Verhandlungen mit Landesregierungen doch in einer Deutlichkeit führen, die in den vergangenen Jahren vermisst worden ist. Also, ich glaube schon, dass wir insgesamt einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht haben, im Selbstbewusstsein auch der Vertreter des Sports gegenüber der Politik. Auf der Bundesebene haben wir so viele Gespräche mit den Verantwortlichen der Regierung und der Opposition geführt wie noch nie - das heißt, im wesentlichen natürlich auch mit der Legislative, denn wir sind natürlich auch angewiesen bei allen Diskussionen über Zuwendungen, dass uns die Legislative aufgeschlossen gegenübertritt - mit allen Fraktionen im Bundestag wurden intensive Gespräche geführt und wir haben auch eine ganz hervorragende Zusammenarbeit praktiziert mit dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages, dem für den Sport wichtigen Ausschuss. Auch der Sportausschuss des Bundestages hat sich mit so viel Themen in der Breite beschäftigt wie noch nie in den vergangenen Legislaturperioden. Und wir haben auch so viel intensive Gespräche mit dem zuständigen Bundesminister, aber auch dem Bundesminister der Verteidigung, mit der zuständigen Bundesministerin für Jugend und Senioren geführt. Und alle diese Gespräche zeigen doch, dass wir einen Umgang eigentlich mit der Politik pflegen wie viele andere große gesellschaftliche Organisationen auch, aus dem Sozialbereich, aber auch aus dem Gewerkschaftsbereich. Und all dieses zeigt doch den Wunsch der Politik, einen engen Kontakt zu den Verantwortlichen des Sports zu halten und bedeutet eigentlich auch, dass jetzt eine Anerkennung der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports erkennbar ist. Dennoch muss ich sagen, auf Ihre Frage mit Bezug auf die Parteiprogramme, da kann man anmerken: Insgesamt ist der Sport wohl erwähnt, aber dürftig. Und manche haben uns also versprochen, noch umfangreiche Programme nachzureichen. Auch da muss ein Zögern eingetreten sein. Und hier wollen wir natürlich gleich nach der Regierungsbildung wissen, weshalb ist diese Verzögerung eingetreten, hat man eventuell irgendwelche Veränderungen in der Sportpolitik vor? Das wollen wir möglichst schnell nach der Regierungsbildung wissen.
Fischer: Sie hatten kürzlich auch ein ausführliches Gespräch mit den Vertretern der Kirche. Also, auch hier arbeitet der Sport nicht nur mit der Politik, sondern auch mit der Kirche eng zusammen. Kann man denn erfahren, was bei diesem sicherlich hochinteressanten Gespräch mit der Kirche herausgekommen ist?
von Richthofen: Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie dieses ansprechen, denn wir haben regelmäßige Gespräche mit den jeweiligen Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, also mit Herrn Kardinal Lehmann für die katholische Kirche und mit Herrn Bischof Huber für die evangelische Kirche, ich darf mal sagen, beides sehr sportkundige Bischöfe. Ich kann mich eigentlich in der Vergangenheit nicht erinnern, dass wir so sportkundige Bischöfe als Gesprächspartner vorgefunden haben. Wir haben uns unterhalten über die Zusammenarbeit auch gegenüber den Kultusministern bei der Ganztagsbetreuung, Ganztagsbetreuung, die ja jetzt in den Schulen Eingang findet und auch eine völlige Umstellung der Vereinsarbeit bedeutet. Ich hoffe, dass unsere Vereine wissen, dass sie jetzt Partnerschaften mit den Schulen schließen müssen, sonst erleben sie ja die Jugendlichen in den Nachmittagsstunden gar nicht mehr. Und natürlich gibt es vergleichbare Probleme der Kirchen, wenn Sie an die Ausbildung von Ministranten denken, wenn Sie an die Vorbereitung für die Kommunion oder Konfirmation denken, wo die Jugendlichen in den Nachmittagsstunden den Kirchen zur Verfügung stehen. Auch das hat sich alles geändert und wird sich jetzt noch verstärkt ändern. Wir haben dann sehr intensiv auch über Ausländerbetreuung gesprochen. Und hier denken wir auch an partnerschaftliches Vorgehen. Wir wollen also in den Kirchengemeinden Sport anbieten, und auch für die Kirchengemeinden ist es einfacher, wenn sie auch ein entsprechendes Sportangebot an ausländische Jugendliche richten können. Hier ist eine Partnerschaft an der Zeit. Wenn ich nur an die Russland-Deutschen denke, ich denke gar nicht zunächst an die türkischen Mitbürger voran, da stehen große Probleme vor uns. Und hier meine ich, dass wir also schon die enge Verbindung zu den Kirchen praktizieren sollen. Wir haben insgesamt über die Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz gesprochen. Wenn Sie daran denken, dass wir jetzt gerade eine Untersuchung durchgeführt haben, wie steht es mit dem Sportunterricht in der Bundesrepublik, und es steht insgesamt ja nicht so erfreulich, wie wir uns alle wünschen, auch nicht so schlecht, wie wir es dachten. Aber wenn eben heute Unterrichtsstunden in den Schulen ausfallen, dann fallen sie eben zunächst einmal im Sportunterricht und im Religionsunterricht aus, und Sie verstehen, dass diejenigen, die die Leidtragenden sind, dann auch schneller zusammen finden.
Fischer: Wir sprachen jetzt über den Schulsport, wir sprachen über den Jugendsport. Ein ganz wichtiger Punkt für Sie ist ja auch der Gesundheitssport und der Seniorensport. Das sind ja wirklich fundamentale Teile des Sports. Man denkt ja sehr oft, wenn man über den Sport spricht, es geht hier nur um den Spitzensport und vielleicht ein bisschen Schulsport. Aber da steht ja viel mehr dahinter. Ich glaube, das sind auch zwei Bereiche, die Sie ganz gewiss nicht vernachlässigt wissen wollen.
von Richthofen: Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie den Seniorensport ansprechen, denn wenn wir heute wachsende Mitgliederzahlen- erfreulicherweise über 27 Millionen hinaus in der Bundesrepublik zu verzeichnen haben, es gibt übrigens keine andere Organisation, die wachsende Mitgliederzahlen in der Form aufzuweisen hat -, dann sind es speziell die Mitbürgerinnen und Mitbürger über 60 Jahre. Wir finden also topfitte ältere Frauen und Männer vor, die sinnvoll in unseren Vereinen betreut werden wollen, natürlich mit einem sportlichen Angebot. Aber ich glaube, dass das vermehrt nicht das wichtigste ist, weshalb sie in unsere Sportvereine kommen. In den Großstädten ist eindeutig festzustellen, dass hauptsächlich auch ältere Frauen zu uns kommen, weil sie vereinsamt sind. Und das nenne ich also mal die "Sozialstation Sportverein". Und dafür brauche ich speziell Ausgebildete. Ich kann nicht den Hochsprungtrainer, der eine glänzende Ausbildung hat, nun auf eine Seniorengruppe loslassen, sondern ich verlange von einer Übungsleiterin oder einem Übungsleiter für diesen Bereich eine Betreuung, die weit über die sportlichen Aktivitäten hinausgehen. Man will gemeinsame Spaziergänge machen, man will Theaterbesuche machen, man will überhaupt wieder einmal mit anderen Menschen sprechen. Und es ist eigentlich ja sensationell, dass dafür der Sportverein ausgesucht wird. Denn es wird ja niemand hingetrieben.
Fischer: Die Bundesrepublik Deutschland ist bei der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2012 gescheitert. Wir hatten zum Schluss sozusagen den Kandidaten Leipzig in der Verlosung. Die Olympischen Sommerspiele 2012 sind nach London vergeben worden. Nun hört man zum Beispiel von Ihrem Pendant, dem NOK-Präsidenten Klaus Steinbach, dass man sehr wohl daran denkt, sich wieder zu bewerben - man steckt den Kopf nicht in den Sand, das ist sicherlich gut - und dass man für 2016 möglicherweise den Hut in den Ring werfen will. Und da geht es natürlich vor allem darum, will man sich eventuell für die Sommerspiele bewerben oder für die Winterspiele?
von Richthofen: Wir wären ja nicht in Deutschland, würden wir nicht auch dafür einen entsprechenden Ausschuss eingerichtet haben. Und das Nationale Olympische Komitee hat dafür einen Ausschuss eingerichtet, der jetzt in Kürze tagen wird und der entscheiden wird, lohnt es sich, für die Sommerspiele sich zu bewerben oder ist es taktisch klüger, sich auf die Winterspiele zu konzentrieren. Es spricht manches für die Winterspiele, so zum Beispiel, dass eigentlich der Austragungsort feststeht. Es wird München mit Umgebung, einigen sehr attraktiven, schon vorhandenen Anlagen sein. Aber München muss natürlich kräftig arbeiten, wollen sie international bestehen. Und wir haben natürlich einen ganz großen Vorteil für die Austragung der Olympischen Spiele, nämlich wir sind zur Zeit leistungsmäßig im Wintersport die Nummer 1 der Welt. Und man will natürlich, wenn man die Spiele in ein Land holt, auch die eigenen Athleten dann mit Freude beklatschen, wenn sie sich um die vorderen Plätze rangeln können. Entscheidet man sich für die Sommerspiele, muss man wissen - dieses ist durch Erklärung bereits deutlich geworden, durch Erklärung der beiden Bürgermeister -, dass sich Berlin und Hamburg bewerben werden. Also, wir werden da wieder eine Auswahl zu treffen haben. Erst muss man sich entscheiden für den Sommer und dann für eine der beiden Städte. Ich glaube auch, dass uns entsprechend eine Sommerbewerbung uns schwerer fallen wird. Die Konkurrenten bei der Sommerbewerbung sind übrigens natürlich auch ungleich mehr als bei einer Bewerbung um die Winterspiele. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass Deutschland international ein Signal sendet. Das heißt, wir wollen wieder am Tage X Olympische Spiele haben - wir sind ein großes Sportland -, denn man wird mehrere Anläufe brauchen, um die Spiele zu bekommen. Das haben wir ja jetzt wieder erlebt. Also, es wird eine sehr schwierige Entscheidung. Das IOC, das zwischenzeitlich mal die Erklärung abgab, auch kleinere Städte hätten eine Chance, hat eigentlich bei den praktischen Umsetzungen diese Sprüche schnell vergessen. Es geht in größere Städte. Olympische Spiele werden in größeren Städten ausgetragen. Ich meine natürlich die Sommerspiele. Also, für Berlin spricht die Hauptstadt und natürlich auch einige sehr gute und ideale Sportstätten, die vorhanden sind, obwohl einiges noch gebaut werden muss. Hamburg hatte ein glänzendes Konzept bei der Bewerbung, wo wir uns dann mehrheitlich für Leipzig entschieden haben. Und es ist also keine Frage, dass bei Hamburg starke Kräfte der deutschen Wirtschaft eine solche Durchführung der Spiele in dieser Stadt gerne sehen würden. Das muss man dann abwägen, aber das traurige Procedere, was wir mit den fünf Städten aufgeführt haben, das sollte nicht wiederholt werden, denn da ist Geld hinausgeworfen worden, auch Steuergeld. Das hätte man für den praktischen Sport besser angewandt, so zum Beispiel für den Bau einiger Sportstätten.
Fischer: Herr von Richthofen, die abschließende Frage. Sie ließen es ja schon anklingen: Deutschland ist gegenwärtig im Wintersport ungleich erfolgreicher als zum Beispiel letzthin bei den Olympischen Sommerspielen in Athen. Nun stehen ja im Februar die Olympischen Winterspiele in Italien, in Turin, an. Darf man da mit einem reichen Medaillensegen, wenn man das vorher so prognostizieren kann, durch deutsche Athleten rechnen?
von Richthofen: Also, wir gehen sehr optimistisch nach Turin, weil wir in einigen Wintersportarten so viele Weltklasseathleten haben wie eben vergleichbar nur wenige Länder. Aber wir haben es natürlich auch mit einer interessanten Konkurrenz zu tun. Wenn ich zum Beispiel an Norwegen denke, ist es sensationelle, was dieses kleine Land bei den Olympischen Spielen auf die Beine stellen kann. Aber wenn Sie also daran denken, dass eben Sportarten, in denen wir schon lange erfolgreich sind - ich nenne Bob und Rodeln -, dass wir diese Erfolgsserie noch ergänzen konnten durch eine ganze Reihe von anderen Sportarten, die in der Zwischenzeit doch sehr populär geworden sind, dass Biathlon für Einige vor einigen Jahren eine völlig uninteressante kleine Sportart war und heute Zehntausende zu den Veranstaltungen kommen, dass das ganze Langstrecken-Skilaufen eine sensationelle Entwicklung genommen hat, dass moderne Skisportarten auch viel Begeisterung auslösen, wenn Sie auch daran denken, dass wir im Eisschnelllauf eine wirkliche Macht darstellen, dass wir im Alpin noch den ein oder anderen Nachholbedarf haben, schon gut, und dass wir natürlich bei allen Sprungwettbewerben einen hochinteressanten Nachwuchs haben, auch wenn einige Stars nicht mehr antreten, so glaube ich, insgesamt gehen wir also hoffnungsvoll nach Turin. Ich würde mich nicht auf den ersten Platz festlegen, aber dass wir ganz vorne mit stehen werden, das kann man eigentlich sehr seriös vorrechnen.