Das Satellitenprogramm von NHK bringt am Nachmittag des 11. März eine Übertragung aus dem japanischen Parlament. Man sieht, wie die Abgeordneten miteinander diskutieren und über Vorschläge und Ideen abstimmen:
Mit einem kurzen Signalton wird um 14:46 Uhr Ortszeit plötzlich ein blauer Schriftzug mit einer Landkarte eingeblendet: Im Nordosten der Hauptinsel Honshu hat sich soeben ein Erdbeben ereignet. Der Reporter aus dem Parlamentsstudio, der gerade noch über die politische Debatte berichtet hat, unterbricht und informiert nun, welche Präfekturen von dem Erdbeben betroffen sind.
"Ibarai, Fukushima, Miyagi, Sendai, Iwate, ..."
Japans öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt NHK ist seit Jahren mit einem einzigartigen Erdbeben-Frühwarnsystem ausgestattet. Sobald sich irgendwo in Japan ein Beben ereignet, blendet der Sender automatisch eine Erdbebenwarnung ein. Das Besondere an dieser Information ist, dass sie vor den eigentlichen Erschütterungen kommt. Denn das System basiert auf der Tatsache, dass bei einem Erdbeben zwei Arten von seismischen Wellen entstehen. Das Warnsystem registriert die Energie der ersten, noch ungefährlichen Welle und warnt direkt über alle Fernseh- und Radiokanäle. Diese paar Sekunden können lebensrettend sein, weil sie den Menschen die Möglichkeit geben, sich rechtzeitig in Schutz zu bringen.
Bereits in dem Moment, in dem sich das Erdbeben ereignete, kannten die Mitarbeiter von NHK die Stärke. Anderthalb Minuten nach dem Beben hatte der Sender sein Programm geändert, alle Kanäle - sowohl Fernsehen als auch Radio - brachten nun ein Sonderprogramm: Der 56 Jahre alte Yoshihiko Shimizu ist seit 2008 Nachrichtenchef von NHK.
"NHK hat ein automatisches System. Ab Erdbeben der Stärke 6 stellen wir unser Programm automatisch um."
Shimizu selbst erlebte das Beben auf einem Termin außerhalb von NHK. Doch er wusste, dass im Funkhaus in Shibuya auch ohne ihn alles nach Plan laufen würde. Denn weil sich Erdbeben in Japan so häufig ereignen, sind die Mitarbeiter routiniert und wissen genau, was zu tun ist.
"Unsere Journalisten haben ungefähr eine Minute Zeit, um auf das Sonderprogramm umzustellen, aber das klappt. Wir haben rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, einen Moderator vor dem Studio, der kann jederzeit ins Studio gehen und mit der Live-Sondersendung beginnen."
Für die Journalisten in Tokio war auch schnell deutlich, dass das Erdbeben einen Tsunami ausgelöst hatte. NHK besitzt zwölf Hubschrauber, die sind in ganz Japan verteilt und können jederzeit starten, wenn irgendwo etwas passiert. Und so zeigte NHK am 11. März kurz nach dem Beben Bilder der Tsunamiwelle, die auf Japans Ostküste zuraste. Aus der Vogelperspektive konnten die Zuschauer in Japan mitverfolgen, wie die Welle in Sendai auf Land traf: Die Wassermassen verschlingen Autos und Häuser, sie überspülen Felder und Gewächshäuser.
NHK ist wie wohl sonst kein Sender in der Welt auf Erdbebenberichterstattung spezialisiert. Und dem vertrauen die Japaner, denn wenn es irgendwo im Land wackelt, schnellen bei dem Sender die Einschaltquoten nach oben. Doch man darf sich das Programm nicht im schnellen Nachrichtenstil von CNN vorstellen. Im Gegenteil. Das reguläre NHK-Programm wirkt oft altmodisch und angestaubt. Und am 11. März beschrieben die Moderatoren die dramatischen Bilder, die zeigten, wie ein ganzer Landstrich unter den Wassermassen begraben wurde, distanziert und unbeteiligt.
"Egal, was passiert, auch wenn sie sehen, dass eben noch fahrende Autos von dem Wasser erfasst werden und untergehen, unsere Moderatoren sollen ruhig bleiben. Denn wenn sie emotional würden, dann würden auch die Zuschauer von Gefühlen überwältigt. Aber unsere Moderatoren sind geschult, distanziert zu bleiben, wir wollen Panik vermeiden."
Bei weniger starken Erdbeben dauert das Sonderprogramm von NHK maximal einige Stunden. Nach dem 11. März berichtete der Sender eine Woche lang nur über die Erdbebenregion: Die Bilder waren auch aus moralischer Sicht eine Herausforderung, sagt Nachrichtenchef Shimizu:
"Aus Respekt vor den Angehörigen zeigen wir eigentlich keine Bilder von toten Menschen oder von Sterbenden, aber manchmal hatten wir Bilder direkt aus dem Hubschrauber, dann ließ sich das nicht immer vermeiden. Aber grundsätzlich ist es so, dass wir keine sterbenden Menschen zeigen wollen, zumal ja viele Bilder mehrmals wiederholt werden."
Fast vier Wochen nach dem Erdbeben beherrschen die Entwicklungen in Fukushima noch immer die Nachrichten bei NHK. Auch beim internationalen Kanal NHK World. Allerdings ist es für NHK schwierig, mit den mangelhaften Informationen von Tepco, der Betreibergesellschaft des Atomkraftwerks, umzugehen:
"Eigentlich müssen wir alle Informationen weitergeben, die wir bekommen, aber wir müssen auch überlegen und abwägen, was passiert, wenn wir Panik verbreiten."
Große Schlagzeilen wie "Radioaktive Wolke zieht nach Tokio", die vor einigen Tagen auf der Webseite eines großen deutschen Politikmagazins stand, würde NHK unter den derzeitigen Umständen nicht bringen, sagt Shimizu:
"Denn wenn wir sagen, die Strahlung kommt, dann würden 100 Millionen Leute panisch werden. Deswegen sind wir sehr vorsichtig mit solchen Aussagen."
Doch für diese Vorsicht muss der Sender auch Kritik einstecken. Viele Japaner finden, NHK müsste Tepco und die Regierung schärfer kritisieren.
Mit einem kurzen Signalton wird um 14:46 Uhr Ortszeit plötzlich ein blauer Schriftzug mit einer Landkarte eingeblendet: Im Nordosten der Hauptinsel Honshu hat sich soeben ein Erdbeben ereignet. Der Reporter aus dem Parlamentsstudio, der gerade noch über die politische Debatte berichtet hat, unterbricht und informiert nun, welche Präfekturen von dem Erdbeben betroffen sind.
"Ibarai, Fukushima, Miyagi, Sendai, Iwate, ..."
Japans öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt NHK ist seit Jahren mit einem einzigartigen Erdbeben-Frühwarnsystem ausgestattet. Sobald sich irgendwo in Japan ein Beben ereignet, blendet der Sender automatisch eine Erdbebenwarnung ein. Das Besondere an dieser Information ist, dass sie vor den eigentlichen Erschütterungen kommt. Denn das System basiert auf der Tatsache, dass bei einem Erdbeben zwei Arten von seismischen Wellen entstehen. Das Warnsystem registriert die Energie der ersten, noch ungefährlichen Welle und warnt direkt über alle Fernseh- und Radiokanäle. Diese paar Sekunden können lebensrettend sein, weil sie den Menschen die Möglichkeit geben, sich rechtzeitig in Schutz zu bringen.
Bereits in dem Moment, in dem sich das Erdbeben ereignete, kannten die Mitarbeiter von NHK die Stärke. Anderthalb Minuten nach dem Beben hatte der Sender sein Programm geändert, alle Kanäle - sowohl Fernsehen als auch Radio - brachten nun ein Sonderprogramm: Der 56 Jahre alte Yoshihiko Shimizu ist seit 2008 Nachrichtenchef von NHK.
"NHK hat ein automatisches System. Ab Erdbeben der Stärke 6 stellen wir unser Programm automatisch um."
Shimizu selbst erlebte das Beben auf einem Termin außerhalb von NHK. Doch er wusste, dass im Funkhaus in Shibuya auch ohne ihn alles nach Plan laufen würde. Denn weil sich Erdbeben in Japan so häufig ereignen, sind die Mitarbeiter routiniert und wissen genau, was zu tun ist.
"Unsere Journalisten haben ungefähr eine Minute Zeit, um auf das Sonderprogramm umzustellen, aber das klappt. Wir haben rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, einen Moderator vor dem Studio, der kann jederzeit ins Studio gehen und mit der Live-Sondersendung beginnen."
Für die Journalisten in Tokio war auch schnell deutlich, dass das Erdbeben einen Tsunami ausgelöst hatte. NHK besitzt zwölf Hubschrauber, die sind in ganz Japan verteilt und können jederzeit starten, wenn irgendwo etwas passiert. Und so zeigte NHK am 11. März kurz nach dem Beben Bilder der Tsunamiwelle, die auf Japans Ostküste zuraste. Aus der Vogelperspektive konnten die Zuschauer in Japan mitverfolgen, wie die Welle in Sendai auf Land traf: Die Wassermassen verschlingen Autos und Häuser, sie überspülen Felder und Gewächshäuser.
NHK ist wie wohl sonst kein Sender in der Welt auf Erdbebenberichterstattung spezialisiert. Und dem vertrauen die Japaner, denn wenn es irgendwo im Land wackelt, schnellen bei dem Sender die Einschaltquoten nach oben. Doch man darf sich das Programm nicht im schnellen Nachrichtenstil von CNN vorstellen. Im Gegenteil. Das reguläre NHK-Programm wirkt oft altmodisch und angestaubt. Und am 11. März beschrieben die Moderatoren die dramatischen Bilder, die zeigten, wie ein ganzer Landstrich unter den Wassermassen begraben wurde, distanziert und unbeteiligt.
"Egal, was passiert, auch wenn sie sehen, dass eben noch fahrende Autos von dem Wasser erfasst werden und untergehen, unsere Moderatoren sollen ruhig bleiben. Denn wenn sie emotional würden, dann würden auch die Zuschauer von Gefühlen überwältigt. Aber unsere Moderatoren sind geschult, distanziert zu bleiben, wir wollen Panik vermeiden."
Bei weniger starken Erdbeben dauert das Sonderprogramm von NHK maximal einige Stunden. Nach dem 11. März berichtete der Sender eine Woche lang nur über die Erdbebenregion: Die Bilder waren auch aus moralischer Sicht eine Herausforderung, sagt Nachrichtenchef Shimizu:
"Aus Respekt vor den Angehörigen zeigen wir eigentlich keine Bilder von toten Menschen oder von Sterbenden, aber manchmal hatten wir Bilder direkt aus dem Hubschrauber, dann ließ sich das nicht immer vermeiden. Aber grundsätzlich ist es so, dass wir keine sterbenden Menschen zeigen wollen, zumal ja viele Bilder mehrmals wiederholt werden."
Fast vier Wochen nach dem Erdbeben beherrschen die Entwicklungen in Fukushima noch immer die Nachrichten bei NHK. Auch beim internationalen Kanal NHK World. Allerdings ist es für NHK schwierig, mit den mangelhaften Informationen von Tepco, der Betreibergesellschaft des Atomkraftwerks, umzugehen:
"Eigentlich müssen wir alle Informationen weitergeben, die wir bekommen, aber wir müssen auch überlegen und abwägen, was passiert, wenn wir Panik verbreiten."
Große Schlagzeilen wie "Radioaktive Wolke zieht nach Tokio", die vor einigen Tagen auf der Webseite eines großen deutschen Politikmagazins stand, würde NHK unter den derzeitigen Umständen nicht bringen, sagt Shimizu:
"Denn wenn wir sagen, die Strahlung kommt, dann würden 100 Millionen Leute panisch werden. Deswegen sind wir sehr vorsichtig mit solchen Aussagen."
Doch für diese Vorsicht muss der Sender auch Kritik einstecken. Viele Japaner finden, NHK müsste Tepco und die Regierung schärfer kritisieren.