Archiv


"Wir unterstützen selbstverständlich Niedersachsen"

Die polizeiliche Sicherung des Castor-Transports kostet Niedersachsen etwa 25 Millionen Euro: Ministerpräsident David McAllister fordert finanzielle Hilfe von anderen Bundesländern. Hilfe bekomme er bereits, sagt Joachim Herrmann (CSU).

    Tobias Armbrüster: Demonstranten und Polizisten und wie sie sich gegenüberstehen, das sind Bilder, die wir auch heute Morgen wieder aus dem Wendland bekommen von den Protesten rund um den Castor-Transport und das geplante Atommüll-Endlager. Die Demonstranten, von denen wir da hören, die sind auf eigene Kosten nach Gorleben gereist. Aber für die Polizisten muss jemand zahlen. Das macht in diesem Fall die Landesregierung von Niedersachsen. Ministerpräsident David McAllister hat sich gestern hier im Deutschlandfunk darüber beschwert,dass die anderen Bundesländer ihn bei der Finanzierung dieses Einsatzes allein lassen.

    O-Ton David McAllister: Niedersachsen übernimmt mit den Castor-Transporten eine Aufgabe für die gesamte Nation. Das ist eine nationale Aufgabe. Dass unser Land Niedersachsen am Ende pro Castor-Transport auf 20 bis 25 Millionen Euro zusätzlichen Polizeieinsatz-Kosten hängen bleibt, ist und bleibt eine Ungerechtigkeit. Aber im Kreis der 16 Länder haben wir da wenig Solidarität zu erfahren, und das kann ich als niedersächsischer Ministerpräsident auch keinem mehr in meinem Lande erklären.

    Armbrüster: So weit der CDU-Politiker David McAllister, Ministerpräsident in Niedersachsen. – Am Telefon begrüße ich jetzt den Innenminister von Bayern, Joachim Herrmann von der CSU. Schönen guten Morgen, Herr Herrmann.

    Joachim Herrmann: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Herrmann, warum lassen Sie die Niedersachsen die Zeche bei diesen Einsätzen alleine zahlen?

    Herrmann: Wir sind solidarisch mit Niedersachsen zunächst einmal in diesem Polizeieinsatz. Wir haben auf Wunsch von Niedersachsen im Moment 500 Polizeibeamte aus Bayern unmittelbar dort in der Gegend von Gorleben mit im Einsatz. Wir unterstützen selbstverständlich Niedersachsen, so wie umgekehrt die Niedersachsen uns auch unterstützen, wenn wir zusätzliche Polizeibeamte brauchen, beispielsweise während der Sicherheitskonferenz in München, oder wenn Linksautonome, oder wenn Neonazis bei großen Veranstaltungen in Bayern demonstrieren. Auch dafür sind wir dankbar.
    Es ist einheitliche Regel in Deutschland, dass dann jeweils der Polizeieinsatz gegenseitig in Rechnung gestellt wird. Also wenn wir um Unterstützung aus Baden-Württemberg, Hessen oder Niedersachsen bei solchen Großveranstaltungen in Bayern bitten, dann kriegen wir anschließend auch eine Rechnung aus diesen Bundesländern, und so ist es umgekehrt jetzt natürlich auch. Wenn wir jetzt Polizeibeamte für Gorleben zur Verfügung stellen, dann wird das auch erstattet. Insgesamt ist es übrigens so, dass übers Jahr hinweg sich in den allermeisten Fällen dies gegenseitig auch einigermaßen ausgleicht. Gorleben wie jetzt im Moment ist natürlich eine besondere Situation.

    Armbrüster: Heißt das, Herr Herrmann, wenn ich Sie da kurz unterbrechen darf, dass David McAllister hier Unrecht hat, dass sich die Kosten sozusagen ausgleichen und er keinesfalls auf 25 Millionen sitzen bleibt?

    Herrmann: Nein. Für den Einzelfall ist das sicherlich richtig. Man muss aber sehen, dass das ja, Gorleben, jetzt nicht unbedingt jedes Jahr stattfindet, sondern sich das übers Jahr hinweg verteilt und wir jedenfalls - wir haben das kürzlich auf Wunsch des Landtages einmal ausgerechnet – feststellen mussten, dass, wenn man das über ein ganzes Jahr hinweg oder gar mehrere Jahre betrachtet, sich insgesamt das, was wir einerseits anderen Bundesländern in Rechnung stellen für unsere Einsätze außerhalb Bayerns, und umgekehrt das, was wir an Rechnungen bezahlen müssen, wenn wir anderen Polizeien um Einsatz bei uns in Bayern bitten, dass sich das übers Jahr hinweg einigermaßen ausgleicht. Ich denke, wenn man das über mehrere Jahre hinweg vergleicht, dann wird das erst recht eine recht ausgeglichene Situation sein. Auf jeden Fall bleibt es dabei: Jeder ist halt für den Polizeieinsatz in seinem Land zuständig.

    Armbrüster: Nun gilt das vielleicht für Bayern und für Niedersachsen, dass diese Zahlungen ausgeglichen werden. Aber wäre nicht diese Demonstration, die wir da jetzt wieder erleben und die sich ja wahrscheinlich auch noch häufiger wiederholen wird, wäre das nicht ein Anlass für die Länder, sich noch mal zusammenzusetzen, um zu überlegen, wie man diese Kosten besser verteilen kann?

    Herrmann: Das würde dazu führen, dass wir bei jeder großen, jedem Ausnahmeereignis in Deutschland, jedes Mal wieder neu beraten müssten. Das würde zu letztendlich keinem vernünftigen Ergebnis führen, sondern es ist das klare Prinzip: jeder trägt die Kosten für die Sicherheit in seinem Land. Ich darf bei der Gelegenheit schon, wenn es um diese grundsätzlichen finanziellen Fragen dann auch geht, sagen, dass wir ja von Bayern immerhin über eine Milliarde im Länderfinanzausgleich, inzwischen noch mehr sogar zahlen, wo natürlich dann auch die wirtschaftliche Stärke der Länder dadurch untereinander ausgeglichen wird, insofern natürlich auch andere Länder ständig von der zweifellos guten wirtschaftlichen Entwicklung Bayerns auch mit profitieren, und da müssen dann solche Dinge natürlich auch mit ausgeglichen werden. Ich glaube, das Entscheidende ist in dieser Situation – ich kann den Herrn McAllister durchaus verstehen -, dass wir diesen Polizeieinsatz gemeinsam erfolgreich meistern, denn das Hauptproblem sind dabei nicht die Kosten, sondern das Hauptproblem ist aus meiner Sicht wirklich das unerträgliche gewalttätige Vorgehen vieler Demonstranten. Die verursachen die Kosten und ich denke, jetzt sollten wir uns da nicht an einer anderen Stelle über diese Kosten streiten, sondern klar machen, gäbe es diese illegalen gewalttätigen Ausschreitungen von Demonstranten nicht, dann wären diese Kosten insgesamt für den Polizeieinsatz nicht so hoch. Das ist der Kern des Punktes.

    Armbrüster: Herr Herrmann, sollte denn vielleicht auch die Atomindustrie einen Beitrag zahlen zu diesen Polizeikosten?

    Herrmann: Jeder Bürger in Deutschland und jede Firma zahlt mit ihren Steuern ihren Beitrag dazu. Ich sage klar, der Polizeieinsatz in dieser Intensität wird nicht durch den Castor-Transport ausgelöst, sondern durch gewalttätige Demonstranten. Die sind die Verursacher. Gäbe es diese unfriedlichen Demonstrationen nicht – es geht nicht darum, dass jeder das Recht hat, auf Deutschlands Straßen auch eine friedliche Demonstration durchzuführen, aber die eigentlichen immensen Kosten entstehen doch jetzt dadurch, dass beispielsweise Demonstranten, die sich illegal hier jetzt auf einer Bahnstrecke aufhalten, jetzt einzeln weggetragen werden müssen. Dadurch werden die Kosten verursacht und deshalb: gäbe es diese illegalen Demonstrationen nicht, diesen illegalen Widerstand, diese Gewalttätigkeiten, dann würden diese Kosten nicht entstehen. Deshalb muss man eher fragen, warum die nicht entsprechend die Kosten bezahlen, nicht aber diejenigen, die ganz legal ihrer Tätigkeit nachgehen.

    Armbrüster: Herr Herrmann, sollten wir nicht vielleicht trotzdem festhalten, dass der Großteil dieser Demonstration friedlich verlaufen ist bisher?

    Herrmann: Der ist friedlich verlaufen, aber auch als friedlicher Demonstrant darf ich mich beispielsweise nicht auf eine Bahnstrecke setzen und dadurch verursache ich Kosten. Das sind die Kostenverursacher und nicht diejenigen, die den Transport machen, und erst recht nicht die Polizei.

    Armbrüster: Aber Polizisten müssen auch anrücken, wenn sich 40.000 Menschen komplett friedlich zu einer Demonstration versammeln, ohne zu schottern oder ohne gegen die Polizei vorzugehen.

    Herrmann: Das ist richtig, aber die sind vergleichsweise wesentlich niedriger und da hätten wir wesentlich weniger Kosten und da wäre das Ganze insgesamt billiger. Beispielsweise, wenn ich daran denke, wir hatten im Mai in München den zweiten ökumenischen Kirchentag, wo in der Tat HundertTausende von Menschen aus ganz Deutschland friedlich zusammengekommen sind. Wenn ich vergleiche, was wir dort, welch minimalen Polizeieinsatz wir hatten, um diesen ökumenischen Kirchentag ordnungsgemäß zu begleiten, dann kann ich Ihnen in der Tat sagen, dass es ein Riesenunterschied ist, ob sich 200.000 Menschen beim ökumenischen Kirchentag absolut friedlich versammeln, oder ob es derartige Gewalttätigkeiten wie jetzt in Gorleben gibt.

    Armbrüster: Joachim Herrmann, der Innenminister von Bayern. Vielen Dank für dieses Gespräch heute Morgen.

    Herrmann: Danke schön! Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.