Jasper Barenberg: Auch in der dritten Woche der Proteste in Ägypten sind gestern wieder Zehntausende auf den zentralen Platz der Befreiung in Kairo geströmt. Sie wollen den Druck aufrecht erhalten auf ihren Präsidenten. Hosni Mubarak aber denkt nicht daran, zurückzutreten. Stattdessen kündigt sein Vize und Geheimdienstchef weitere Reformen an und verspricht so etwas wie einen geordneten Übergang der Macht, einen Zeitplan für die Demokratie.
Angeschlagen – wir haben es gerade berichtet – ist das Regime in Ägypten, aber es funktioniert noch. Die Rede ist jetzt von einer friedlichen Lösung, von einem Zeitplan zur Demokratie, und auch in Kairo versucht so mancher offenbar, zu einem halbwegs normalen Leben zurückzukehren. An der Deutschen Evangelischen Oberschule zum Beispiel soll heute wieder der Unterricht beginnen. Darüber wollen wir in den nächsten Minuten mit Thomas Schröder-Klementa sprechen, seit letztem Sommer Schulleiter an der DEO in Kairo. Einen schönen guten Morgen dorthin.
Thomas Schröder-Klementa: Schönen guten Morgen nach Deutschland.
Barenberg: Herr Schröder-Klementa, Sie sind gerade auf dem Schulhof. Wie viele Ihrer Schüler erwarten Sie denn heute zum Unterricht?
Schröder-Klementa: Ja, das ist eine gute Frage. Wir haben ja auch keinen Unterricht nach dem normalen Programm - dann hätten wir schon seit einer dreiviertel Stunde Unterricht -, sondern wir haben einfach angeboten, dass wir einen sanften Beginn machen für alle Schülerinnen und Schüler, die von ihren Eltern heute hergebracht werden können, denn die Schulbusse fahren ja nicht, um hier so ein bisschen wieder einen Hauch von Normalität einkehren zu lassen. Ich habe gerade hier mit Schülern auf dem Schulhof gesprochen, wie es ihnen in den letzten Tagen so ergangen ist, und das sind alles ägyptische Jungen und Mädchen, die jetzt Gott lob keine schlimmen Erfahrungen gemacht haben. Aber wie viele heute kommen, kann ich Ihnen schlecht sagen.
Barenberg: Sie sprechen von den vielen ägyptischen Kindern an Ihrer Schule. Was haben Sie denn in den Gesprächen erfahren über die Sorgen, die man sich in den Familien gemacht hat, über die Sorgen, die sich die Jugendlichen auch selber machen?
Schröder-Klementa: Einige sind ja hier auch zum Demonstrieren gegangen und waren auf dem Tahrir-Platz. Andere haben einfach das so ein bisschen abgeschüttelt. Wissen Sie, das sind ja auch noch jüngere Leute, vor allem die, die jetzt noch nicht in der Oberstufe sind, die ich hier getroffen habe und die einfach eine abwartende Haltung einnehmen, aber mir ganz fröhlich vorkommen, und die wollen wir halt ein bisschen unterstützen. Die Schüler haben ja ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Es gibt ja auch welche, die regelrecht traumatisiert sind, weil in ihren Gegenden dann geschossen wurde, und selbstverständlich ist doch klar, wenn die jetzt nicht in die DEO kommen, dass man das negativ bewerten sollte. Im Gegenteil!
Barenberg: Aber Sie haben auch davon gesprochen, dass einige Schüler tatsächlich selbst zu den Demonstrationen gegangen sind. Es gibt also in Ihrer Schülerschaft durchaus Sympathien und Zustimmung für den Protest, der sich in Kairo gerade abspielt?
Schröder-Klementa: Ganz offensichtlich.
Barenberg: Wie ist der motiviert?
Schröder-Klementa: Bitte?
Barenberg: Wie ist diese Zustimmung motiviert? Was treibt die jungen Leute auf die Straße nach all dem, was Sie gehört haben?
Schröder-Klementa: Dazu waren die Gespräche zu kurz. Da haben wir ja gerade jetzt miteinander das Telefongespräch begonnen, da war ich gerade drin. Aber ich denke schon, dass hier ein politisches Interesse immer schon da war, oder auch zum Teil jetzt erst erwacht ist, und von nicht wenigen dann eben auch auf die Straße getragen wird.
Barenberg: Haben Sie denn in den letzten Tagen schon Kontakt aufgenommen zu den Familien, vielleicht auch in Vorbereitung der Entscheidung, wann und in welchem Maß die Schule jetzt ihren Betrieb wieder aufnehmen soll und kann?
Schröder-Klementa: Wissen Sie, genau das ist ein Punkt, da müsste man Prophet sein, denn es sind ja auch viele, viele nicht nur Schülerinnen und Schüler und Eltern ausgereist, sondern natürlich auch viele meiner deutschen Lehrkräfte, und solange die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht, können die alle nicht nach Kairo zurückkommen. Und dann kann man, selbst wenn sie zurückkommen, nicht am nächsten Tag sagen, so, kommt, jetzt schreiben wir Abitur. Das heißt, wir werden dann wohl in diesen Dingen noch weiter nach hinten gehen müssen, das Abitur eben nicht wie geplant durchführen. Die Planung ist eh schon über den Haufen geworfen, sodass wir möglicherweise dann in den März hineingehen. Da müssen wir abwarten, wie Auswärtiges Amt und Botschaft reagieren und irgendwann vielleicht mal sagen, es ist nicht mehr so, dass man nicht nach Kairo einreisen kann. Aber das vermag ich jetzt gar nicht einzuschätzen.
Barenberg: Das heißt, viele der deutschen Lehrkräfte jedenfalls sind noch nicht wieder zurückgekehrt?
Schröder-Klementa: So ist es. Wissen Sie, die können ja auch nicht einfach gegen eine Reisewarnung verstoßen und sagen, jetzt setze ich mich ins Flugzeug. Das ist ja sehr, sehr heikel.
Barenberg: Herr Schröder-Klementa, ich wollte Sie noch fragen nach Ihrem Eindruck aus der letzten Zeit, denn Sie selbst sind ja seit Sommer vergangenen Jahres, wenn ich das richtig weiß, Schulleiter dort. Wie hat sich die Situation nach Ihren Eindrücken entwickelt und was haben Sie in Gesprächen, die Sie vielleicht geführt haben, mit den Menschen dort erfahren über all das, über die Frage, wie man umgeht mit diesen Protesten der letzten Tage?
Schröder-Klementa: Für jemand, der so relativ frisch in Kairo ist, ist es mir so ergangen, dass ich fast jeden zweiten Tag überrascht war, dass das, was ich mir so vorgestellt habe, sich wieder gedreht und gewandelt hat. Wenn man am nächsten Tag das Gefühl hatte, da passiert jetzt Folgendes, dann war der Tisch quasi wieder völlig neu gedeckt und man war überrascht, dass es dann doch so nicht ist. Das ist eine Sache, die mir ganz besonders aufgefallen ist. Was natürlich auch eine Rolle spielt ist, dass unsere DEO oder dass unsere Schülerinnen und Schüler nach wie vor uns allen hier am Herzen liegen und die DEO auch eine Schule ist, für die es sich lohnt, da zu sein. Das hört man auch in allen Gesprächen.
Und was die politische Entwicklung betrifft, bin ich im Moment ganz unsicher, wie jetzt hier die Gespräche und die neue Entwicklung voranschreiten wird. Im Moment habe ich eher den Eindruck, es bewegt sich da nicht so allzu viel, aber das kann mich auch wieder täuschen, morgen sage ich vielleicht was Neues.
Barenberg: Vielen Dank für dieses Gespräch, Thomas Schröder-Klementa, Schulleiter der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo. Danke.
Angeschlagen – wir haben es gerade berichtet – ist das Regime in Ägypten, aber es funktioniert noch. Die Rede ist jetzt von einer friedlichen Lösung, von einem Zeitplan zur Demokratie, und auch in Kairo versucht so mancher offenbar, zu einem halbwegs normalen Leben zurückzukehren. An der Deutschen Evangelischen Oberschule zum Beispiel soll heute wieder der Unterricht beginnen. Darüber wollen wir in den nächsten Minuten mit Thomas Schröder-Klementa sprechen, seit letztem Sommer Schulleiter an der DEO in Kairo. Einen schönen guten Morgen dorthin.
Thomas Schröder-Klementa: Schönen guten Morgen nach Deutschland.
Barenberg: Herr Schröder-Klementa, Sie sind gerade auf dem Schulhof. Wie viele Ihrer Schüler erwarten Sie denn heute zum Unterricht?
Schröder-Klementa: Ja, das ist eine gute Frage. Wir haben ja auch keinen Unterricht nach dem normalen Programm - dann hätten wir schon seit einer dreiviertel Stunde Unterricht -, sondern wir haben einfach angeboten, dass wir einen sanften Beginn machen für alle Schülerinnen und Schüler, die von ihren Eltern heute hergebracht werden können, denn die Schulbusse fahren ja nicht, um hier so ein bisschen wieder einen Hauch von Normalität einkehren zu lassen. Ich habe gerade hier mit Schülern auf dem Schulhof gesprochen, wie es ihnen in den letzten Tagen so ergangen ist, und das sind alles ägyptische Jungen und Mädchen, die jetzt Gott lob keine schlimmen Erfahrungen gemacht haben. Aber wie viele heute kommen, kann ich Ihnen schlecht sagen.
Barenberg: Sie sprechen von den vielen ägyptischen Kindern an Ihrer Schule. Was haben Sie denn in den Gesprächen erfahren über die Sorgen, die man sich in den Familien gemacht hat, über die Sorgen, die sich die Jugendlichen auch selber machen?
Schröder-Klementa: Einige sind ja hier auch zum Demonstrieren gegangen und waren auf dem Tahrir-Platz. Andere haben einfach das so ein bisschen abgeschüttelt. Wissen Sie, das sind ja auch noch jüngere Leute, vor allem die, die jetzt noch nicht in der Oberstufe sind, die ich hier getroffen habe und die einfach eine abwartende Haltung einnehmen, aber mir ganz fröhlich vorkommen, und die wollen wir halt ein bisschen unterstützen. Die Schüler haben ja ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Es gibt ja auch welche, die regelrecht traumatisiert sind, weil in ihren Gegenden dann geschossen wurde, und selbstverständlich ist doch klar, wenn die jetzt nicht in die DEO kommen, dass man das negativ bewerten sollte. Im Gegenteil!
Barenberg: Aber Sie haben auch davon gesprochen, dass einige Schüler tatsächlich selbst zu den Demonstrationen gegangen sind. Es gibt also in Ihrer Schülerschaft durchaus Sympathien und Zustimmung für den Protest, der sich in Kairo gerade abspielt?
Schröder-Klementa: Ganz offensichtlich.
Barenberg: Wie ist der motiviert?
Schröder-Klementa: Bitte?
Barenberg: Wie ist diese Zustimmung motiviert? Was treibt die jungen Leute auf die Straße nach all dem, was Sie gehört haben?
Schröder-Klementa: Dazu waren die Gespräche zu kurz. Da haben wir ja gerade jetzt miteinander das Telefongespräch begonnen, da war ich gerade drin. Aber ich denke schon, dass hier ein politisches Interesse immer schon da war, oder auch zum Teil jetzt erst erwacht ist, und von nicht wenigen dann eben auch auf die Straße getragen wird.
Barenberg: Haben Sie denn in den letzten Tagen schon Kontakt aufgenommen zu den Familien, vielleicht auch in Vorbereitung der Entscheidung, wann und in welchem Maß die Schule jetzt ihren Betrieb wieder aufnehmen soll und kann?
Schröder-Klementa: Wissen Sie, genau das ist ein Punkt, da müsste man Prophet sein, denn es sind ja auch viele, viele nicht nur Schülerinnen und Schüler und Eltern ausgereist, sondern natürlich auch viele meiner deutschen Lehrkräfte, und solange die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht, können die alle nicht nach Kairo zurückkommen. Und dann kann man, selbst wenn sie zurückkommen, nicht am nächsten Tag sagen, so, kommt, jetzt schreiben wir Abitur. Das heißt, wir werden dann wohl in diesen Dingen noch weiter nach hinten gehen müssen, das Abitur eben nicht wie geplant durchführen. Die Planung ist eh schon über den Haufen geworfen, sodass wir möglicherweise dann in den März hineingehen. Da müssen wir abwarten, wie Auswärtiges Amt und Botschaft reagieren und irgendwann vielleicht mal sagen, es ist nicht mehr so, dass man nicht nach Kairo einreisen kann. Aber das vermag ich jetzt gar nicht einzuschätzen.
Barenberg: Das heißt, viele der deutschen Lehrkräfte jedenfalls sind noch nicht wieder zurückgekehrt?
Schröder-Klementa: So ist es. Wissen Sie, die können ja auch nicht einfach gegen eine Reisewarnung verstoßen und sagen, jetzt setze ich mich ins Flugzeug. Das ist ja sehr, sehr heikel.
Barenberg: Herr Schröder-Klementa, ich wollte Sie noch fragen nach Ihrem Eindruck aus der letzten Zeit, denn Sie selbst sind ja seit Sommer vergangenen Jahres, wenn ich das richtig weiß, Schulleiter dort. Wie hat sich die Situation nach Ihren Eindrücken entwickelt und was haben Sie in Gesprächen, die Sie vielleicht geführt haben, mit den Menschen dort erfahren über all das, über die Frage, wie man umgeht mit diesen Protesten der letzten Tage?
Schröder-Klementa: Für jemand, der so relativ frisch in Kairo ist, ist es mir so ergangen, dass ich fast jeden zweiten Tag überrascht war, dass das, was ich mir so vorgestellt habe, sich wieder gedreht und gewandelt hat. Wenn man am nächsten Tag das Gefühl hatte, da passiert jetzt Folgendes, dann war der Tisch quasi wieder völlig neu gedeckt und man war überrascht, dass es dann doch so nicht ist. Das ist eine Sache, die mir ganz besonders aufgefallen ist. Was natürlich auch eine Rolle spielt ist, dass unsere DEO oder dass unsere Schülerinnen und Schüler nach wie vor uns allen hier am Herzen liegen und die DEO auch eine Schule ist, für die es sich lohnt, da zu sein. Das hört man auch in allen Gesprächen.
Und was die politische Entwicklung betrifft, bin ich im Moment ganz unsicher, wie jetzt hier die Gespräche und die neue Entwicklung voranschreiten wird. Im Moment habe ich eher den Eindruck, es bewegt sich da nicht so allzu viel, aber das kann mich auch wieder täuschen, morgen sage ich vielleicht was Neues.
Barenberg: Vielen Dank für dieses Gespräch, Thomas Schröder-Klementa, Schulleiter der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo. Danke.