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"Wir werden 2020 keine eine Million Elektroautos haben"

Eine Million Fahrzeuge mit Elektroantrieb bis 2020 auf Deutschlands Straßen zu bringen ist kaum zu schaffen, sagt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland mit Blick auf das Spitzentreffen der Kanzlerin mit der Industrie. Lottsiepen fordert harte CO2-Grenzwerte und energieeffizientere Autos.

Das Gespräch führte Birgid Becker |
    Birgid Becker: Die Elektromobilität – da gibt es das ausgewiesene Ziel der Bundesregierung, dass in Deutschland eine Million Elektroautos fahren sollen, allerdings erst im Jahr 2020, was es etwas einfacher macht, an diesem Ziel noch festzuhalten. Es bleibt ja noch einige Zeit, bis man es vielleicht doch fallen lassen muss. Immerhin so viel Anziehungskraft hat das Projekt aber, dass es reicht für ein Spitzentreffen im Kanzleramt.
    Geben wir die Frage weiter an Gerd Lottsiepen vom VCD, vom Verkehrsclub Deutschland. Guten Tag!

    Gerd Lottsiepen: Guten Tag.

    Becker: Prämien für die Käufer von Elektroautos, würde das helfen?

    Lottsiepen: Das würde sicherlich den Absatz ein wenig erhöhen. Nur es wäre der falsche Weg. Man darf nicht für eine bestimmte Technik irgendwelche Prämien geben. Wenn man Prämien gibt, dann muss man sie geben, weil die Fahrzeuge besonders effizient sind, weil sie dazu sorgen, dass möglichst wenig CO2 emittiert wird. Aber da muss man die gesamte Kette natürlich betrachten, weil wir können es nicht einfach auf die Kraftwerke verlagern. Also da muss man harte Grenzwerte setzen für den CO2-Ausstoß, für den Verbrauch von Fahrzeugen, und wenn Fahrzeuge besonders gut sind, kann man sie auch fördern. Nur wichtig ist dann auch, dass das aufkommensneutral passiert, dass das nicht eine weitere Subvention ist, und das heißt eben auch, dass die Fahrzeuge, die viel verbrauchen, die viel emittieren, dass die das finanzieren müssen.

    Becker: Und woran liegt es nach Ihrer Auffassung, dass die E-Autos einfach nicht vernünftig auf die Straße kommen?

    Lottsiepen: Ach da ist eine große Blase aufgebaut worden in den letzten Jahren, also das Versprechen, dass wir alle Probleme, die mit dem PKW zusammenhängen, mit dem Elektroauto lösen. Es war eigentlich von Anfang an klar, dass die eine Million Fahrzeuge bis zum Jahr 2020 kaum zu schaffen sind. Ursprünglich sprach man ja hauptsächlich von batterieelektrischen Autos. Inzwischen wissen wir, dass, wenn es irgendwann mal 600.000 Fahrzeuge sein werden oder von mir aus auch eine Million in 2023, dann werden von diesen Fahrzeugen 80 bis 90 Prozent Plug-in-Hybride sein, also Fahrzeuge, die auch einen Verbrennungsmotor an Bord haben, und keine rein batterieelektrischen Fahrzeuge. Da wurde viel versprochen und man hat andere Sachen, die dringend notwendig gewesen wären, wie ambitionierte CO2-Grenzwerte, die hat man da nicht angegangen.

    Becker: Die Straßenunterlage will der Bundesverkehrsminister verbessern. Das haben wir eben gehört. Haben Sie verstanden, was das helfen könnte?

    Lottsiepen: Das war heute ein ganz besonders kluger Einfall des Verkehrsministers in dieser doch insgesamt relativ inhaltslosen Veranstaltung, dieser Pressekonferenz. Das, was er sagt, das gilt natürlich für alle Fahrzeuge. Wir haben zurzeit, wenn man sich anschaut, was in unseren Städten passiert, da gibt es viel größere Probleme zum Beispiel für Radfahrer, die in Schlaglöchern auch in Tempo-30-Zonen zu Stürzen kommen. Natürlich muss es eine vernünftige Fahrbahnunterlage geben für alle Fahrzeuge. Dass er das ausgerechnet heute gemacht hat zu den Elektrofahrzeugen? – Ja gut, wenn er sagt, die Mittel sind da besser investiert als in eine Förderung von Elektromobilität um ihrer selbst willen, dann hat er damit noch nicht mal so unrecht. Nur es war heute irgendwie so haarscharf am Thema vorbei.

    Becker: Und das kurz zum Schluss: Wann müsste man daran gehen, dieses Ziel von einer Million E-Autos auf den Straßen auch wieder einzukassieren? Wann wäre der richtige Zeitpunkt, um zu sagen, das wird nichts?

    Lottsiepen: Ich hatte den Eindruck heute, dass eigentlich dieses Ziel jetzt für 2020 schon einkassiert ist. Das waren auch irgendwelche letzten Rückzugsgefechte, auch in den Ausschnitten, die Sie jetzt gesendet haben. Die Kanzlerin wollte sich noch nicht verabschieden, aber Herr Kagermann, der Chef der Plattform Elektrofahrzeuge, sprach schon von 600.000, Herr Zetsche heute Morgen sprach von 600.000, also die Verabschiedung ist in vollem Gange. Wir werden 2020 keine eine Million Elektroautos haben und das ist aber auch nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass Autos energieeffizienter werden, dass sie weniger verbrauchen, weniger zum Treibhauseffekt beitragen.

    Becker: Gerd Lottsiepen war das vom Verkehrsclub Deutschland – vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.