Liminski: Der amtierende amerikanische Präsident George Bush macht gerade seine Abschiedstour durch die Länder, die seine Amtszeit besonders prägten: den Irak und Afghanistan. Wie immer werden solche Reisen mit höchster Geheimhaltung behandelt und erst post festum bekannt. Bush ist nach seiner Visite in Bagdad nun am Hindukusch.
In Afghanistan ist am Telefon Reinhard Erös. Er war Oberst bei der Bundeswehr, ist jetzt auch in Afghanistan, um den Menschen vor Ort konkret zu helfen. Er hat ein kleines Hilfswerk aus dem Boden gestampft und baut seit Jahren Schulen, Waisenhäuser und Krankenstationen im Osten Afghanistans. Guten Tag, Herr Erös.
Erös: Grüß Gott, Herr Liminski.
Liminski: Herr Erös, Bush spricht von Fortschritten in Afghanistan. Die Frage ist, für wen? Wer verzeichnet Ihrer Meinung und Beobachtung nach Fortschritte, die westliche Allianz oder die Taliban?
Erös: Fangen wir mal mit dem Thema Sicherheit an. Wir haben in diesem Jahr 2008 eine Situation, dass etwa 70 Prozent des Territoriums von Afghanistan von den Taliban beeinflusst beziehungsweise beherrscht sind. Im Jahr 2007 waren das 50 Prozent und im Jahr 2006 waren es 30 Prozent. Wir hatten vor drei Wochen die Situation, dass der 1000. westliche Soldat in Afghanistan ums Leben kam. Jetzt nach drei Wochen sind wir bereits bei 1030. Wir haben in diesem Jahr etwa 1600 afghanische Zivilisten, die getötet wurden. Das sind 40 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, davon übrigens die Hälfte durch westliche Bomben. Also wenn man das alles als Fortschritt bezeichnen mag, dann überlasse ich das mal George Bush, wie er das dann interpretiert. Ich sehe hier in Afghanistan, was den Bereich Sicherheit angeht, nicht nur keinen Fortschritt, sondern dramatische Rückschritte.
Das jetzt zu verleugnen, indem man noch mehr Soldaten schickt - das ist ja die Lösung, die jetzt auch Obama ja vorschlägt, auch dies scheint mir nicht einleuchtend, denn die Taliban-Kommandeure, mit denen man ab und zu mal ins Gespräch kommt, die freuen sich regelrecht darauf, so nach dem Motto "viel Feind, viel Ehr". Also schickt uns noch mehr Soldaten, dann haben wir noch mehr richtige Ziele, dann wird es noch mehr Tote geben.
Liminski: Herr Erös, die Leitung ist nicht besonders gut. Deswegen die kurze Frage noch. Was muss denn getan werden, um die Taliban einzudämmen?
Erös: Wir werden die Taliban nie eindämmen können. Das sehen inzwischen auch fast alle westlichen Kommandeure, die hier in Afghanistan tätig sind. Selbst der General, der bis vor wenigen Monaten hier Kommandeur der ISAF und zuvor der Operation Enduring Freedom war, hat auf die Frage, wie viele Soldaten bräuchten sie denn, um die Taliban halbwegs in den Griff zu kriegen, gesagt, ich bräuchte 500.000. Vor drei Monaten hat der Kommandeur der britischen Truppen im Süden Afghanistans auf die gleiche Frage gesagt, wir werden die Taliban nie besiegen können. Wir müssen mit den Taliban in Verhandlungen eintreten. Das ist die Position der meisten Hilfsorganisationen, die im Taliban-Gebiet arbeiten. Wir zum Beispiel sprechen jede Aktion von uns mit den Taliban ab. Nur so funktioniert das. Die Taliban haben inzwischen eine Machtposition im Land erreicht, wie sie sie noch nie zuvor hatten.
Liminski: Zuspitzung in Afghanistan. Das war Reinhard Erös, Oberst a.D. und Chef eines kleinen Hilfswerks am Hindukusch. Besten Dank für das Gespräch, Herr Erös.
Erös: Alles Gute nach Deutschland, Herr Liminski.
Liminski: Ja, alles Gute. Danke! - Gut war die Leitung allerdings nicht, aber wir haben Herrn Erös nur per Handy auf dem Feld irgendwo in Afghanistan erwischen können. Für die Mängel bitten wir um Nachsicht.
In Afghanistan ist am Telefon Reinhard Erös. Er war Oberst bei der Bundeswehr, ist jetzt auch in Afghanistan, um den Menschen vor Ort konkret zu helfen. Er hat ein kleines Hilfswerk aus dem Boden gestampft und baut seit Jahren Schulen, Waisenhäuser und Krankenstationen im Osten Afghanistans. Guten Tag, Herr Erös.
Erös: Grüß Gott, Herr Liminski.
Liminski: Herr Erös, Bush spricht von Fortschritten in Afghanistan. Die Frage ist, für wen? Wer verzeichnet Ihrer Meinung und Beobachtung nach Fortschritte, die westliche Allianz oder die Taliban?
Erös: Fangen wir mal mit dem Thema Sicherheit an. Wir haben in diesem Jahr 2008 eine Situation, dass etwa 70 Prozent des Territoriums von Afghanistan von den Taliban beeinflusst beziehungsweise beherrscht sind. Im Jahr 2007 waren das 50 Prozent und im Jahr 2006 waren es 30 Prozent. Wir hatten vor drei Wochen die Situation, dass der 1000. westliche Soldat in Afghanistan ums Leben kam. Jetzt nach drei Wochen sind wir bereits bei 1030. Wir haben in diesem Jahr etwa 1600 afghanische Zivilisten, die getötet wurden. Das sind 40 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, davon übrigens die Hälfte durch westliche Bomben. Also wenn man das alles als Fortschritt bezeichnen mag, dann überlasse ich das mal George Bush, wie er das dann interpretiert. Ich sehe hier in Afghanistan, was den Bereich Sicherheit angeht, nicht nur keinen Fortschritt, sondern dramatische Rückschritte.
Das jetzt zu verleugnen, indem man noch mehr Soldaten schickt - das ist ja die Lösung, die jetzt auch Obama ja vorschlägt, auch dies scheint mir nicht einleuchtend, denn die Taliban-Kommandeure, mit denen man ab und zu mal ins Gespräch kommt, die freuen sich regelrecht darauf, so nach dem Motto "viel Feind, viel Ehr". Also schickt uns noch mehr Soldaten, dann haben wir noch mehr richtige Ziele, dann wird es noch mehr Tote geben.
Liminski: Herr Erös, die Leitung ist nicht besonders gut. Deswegen die kurze Frage noch. Was muss denn getan werden, um die Taliban einzudämmen?
Erös: Wir werden die Taliban nie eindämmen können. Das sehen inzwischen auch fast alle westlichen Kommandeure, die hier in Afghanistan tätig sind. Selbst der General, der bis vor wenigen Monaten hier Kommandeur der ISAF und zuvor der Operation Enduring Freedom war, hat auf die Frage, wie viele Soldaten bräuchten sie denn, um die Taliban halbwegs in den Griff zu kriegen, gesagt, ich bräuchte 500.000. Vor drei Monaten hat der Kommandeur der britischen Truppen im Süden Afghanistans auf die gleiche Frage gesagt, wir werden die Taliban nie besiegen können. Wir müssen mit den Taliban in Verhandlungen eintreten. Das ist die Position der meisten Hilfsorganisationen, die im Taliban-Gebiet arbeiten. Wir zum Beispiel sprechen jede Aktion von uns mit den Taliban ab. Nur so funktioniert das. Die Taliban haben inzwischen eine Machtposition im Land erreicht, wie sie sie noch nie zuvor hatten.
Liminski: Zuspitzung in Afghanistan. Das war Reinhard Erös, Oberst a.D. und Chef eines kleinen Hilfswerks am Hindukusch. Besten Dank für das Gespräch, Herr Erös.
Erös: Alles Gute nach Deutschland, Herr Liminski.
Liminski: Ja, alles Gute. Danke! - Gut war die Leitung allerdings nicht, aber wir haben Herrn Erös nur per Handy auf dem Feld irgendwo in Afghanistan erwischen können. Für die Mängel bitten wir um Nachsicht.