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"Wir wollen, dass die NPD verboten wird"

Den Vorstoß der Länder, zunächst eine Mehrheit für ein NPD-Verbot im Bundesrat zu finden, hält der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) für richtig. Ziel sollte es aber sein, "eine geschlossene Front" aus Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung gegen das "verfassungsfeindliche Treiben der NPD" zu schaffen.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Fast zehn Jahre ist es jetzt her, da scheiterte das Verbotsverfahren gegen die NPD. Seitdem kommt immer wieder die Debatte darüber hoch, ob man nicht einen neuen Anlauf starten soll, zuletzt, als die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle NSU die Öffentlichkeit schockte. Eigentlich hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern darauf verständigt, erst das Material, das vorliegt gegen die NPD, zu sichten, und dann zu entscheiden, ob noch einmal ein Verbotsantrag gestellt werden soll oder nicht. Jetzt sind aber mehrere Ministerpräsidenten erneut vorgeprescht, so der SPD-Regierungschef in Kiel, Thorsten Albig, aber auch die Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, von Thüringen und von Sachsen. Und auch Bayerns Regierungschef Horst Seehofer, der hat sich dezidiert für ein neues Verbotsverfahren ausgesprochen, notfalls – und das ist neu – auch ohne den Bund. Dazu am Telefon Joachim Herrmann von der CSU, er ist der Innenminister Bayerns. Schönen guten Morgen, Herr Herrmann!

    Joachim Herrmann: Guten Morgen!

    Heckmann: Die Innenminister von Bund und Ländern, ich habe es gerade erwähnt, hatten sich auf ein Verfahren verständigt. Weshalb prescht Ihr Ministerpräsident da wieder vor?

    Herrmann: Nun, wir haben eine klare Position: Wir wollen auf ein erfolgreiches, neues NPD-Verbotsverfahren hinarbeiten. Das ist eine klare Position Bayerns, das ist eine klare Position anderer Länder. Die Innenminister tragen im Moment das Material zusammen. Wir wollen viele gute, stichhaltige Argumente für ein Verbotsverfahren haben. Aber die Zielrichtung ist völlig klar: Wir wollen, dass die NPD verboten wird.

    Heckmann: Aber die Vereinbarung ist ja gewesen, bis Ende September eben das Material zu sichten vonseiten der Innenminister, und dann eben die Entscheidung erst herbeizuführen, ob ein neues Verbotsverfahren in Gang gesetzt wird, ja oder nein. Weshalb also – noch mal meine Frage – dieses Vorpreschen von Horst Seehofer?

    Herrmann: Horst Seehofer hat noch einmal bekräftigt, dass unser Ziel ein solches Verbotsverfahren ist. Das ändert daran, dass wir sorgfältig das Material zusammentragen, nichts. Aber wir haben von bayerischer Seite aus nie einen Hehl daraus gemacht, dass unser Ziel dieses Verbotsverfahren ist. Es ist jedem Land unbenommen, das Material, das jetzt dann im Herbst vorliegt, sorgfältig zu sichten. Wir werden uns in der Innenministerkonferenz damit befassen und dann der Ministerpräsidentenkonferenz eine entsprechende Empfehlung geben. Aber ich denke, es ist ganz normal in einer solch zentralen Frage, die auch so eine hohe politische Bedeutung hat, dass hier die Ministerpräsidenten klar ihre Ziele benennen, und das Ziel kann nur sein, die NPD zu verbieten. Das ist ja ganz normal.

    Heckmann: Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dieses Ziel eben zu erreichen, nämlich die NPD zu verbieten. Was aber neu ist in der Debatte: dass die Länder das möglicherweise sogar notfalls alleine machen werden. Horst Seehofer hat sich so geäußert, aber auch Erwin Sellering aus Mecklenburg-Vorpommern und auch Stanislaw Tillich aus Sachsen. Wie sinnvoll wäre aus Sicht denn ein solcher Alleingang, oder wäre das nicht schon ein Signal für das Scheitern eines solchen Antrags?

    Herrmann: Ein Signal für das Scheitern auf gar keinen Fall. Klar ist: Bayerns Ministerpräsident, andere Ministerpräsidenten haben gesagt, sie wollen ganz klar auf dieses Thema hinarbeiten, sie wollen dieses NPD-Verbotsverfahren, ich halte das für richtig, und da ist zunächst mal eine Möglichkeit, dass es eine klare Mehrheit im Bundesrat dafür gibt. Das ist die Zielsetzung, die die Ministerpräsidenten geäußert haben. Ich wünsche mir natürlich ganz klar, dass sich auch der Bundestag und möglichst auch die Bundesregierung an diesem Verfahren beteiligt und denke, das sollte nach wie vor unsere Zielsetzung sein, dass es hier eine klare geschlossene Front vom Bund her gibt, Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, die dieses Verbotsverfahren anstrebt. Was Horst Seehofer und andere deutlich gemacht haben ist, dass man notfalls sich auch vorstellen könnte, falls Bundestag oder Bundesregierung nicht mitmachen wollen, dass das Verfahren allein vom Bundesrat betrieben wird.

    Heckmann: Und das würden Sie auch so sehen? Das wäre für Sie kein verheerendes Signal auch gegenüber der NPD, dass sich hier die demokratischen Kräfte nicht einig sind? Denn damals, 2003, als der erste Anlauf ja genommen wurde, da wurde ja immer gesagt: Wir brauchen eine geschlossene Front der Demokraten, das sei ganz wichtig.

    Herrmann: Das sehe ich auch ganz klar, dieses Ziel ist eine geschlossene Front der Demokraten gegen diese fürchterlichen Neonazi-Umtriebe, gegen dieses verfassungsfeindliche Treiben der NPD. Man sieht ja auch im Bundesrat, man sieht an den Äußerungen mehrerer Ministerpräsidenten, dass das ja auch ein parteiübergreifendes Anliegen ist. Wenn nun es zu unterschiedlichen Einschätzungen, nicht hinsichtlich der NPD, aber hinsichtlich der Chancen vor dem Bundesverfassungsgericht kommt, dann müsste man das hinnehmen. Wünschenswert bleibt aus meiner Sicht ganz klar eine geschlossene Front von Bundestag und Bundesrat. Und ich denke, falls es – worauf ich hoffe und worauf wir hinarbeiten – im Bundesrat zu einer ganz klaren Mehrheitsbildung für ein Verbotsverfahren kommt, dann bin ich sicher, dass das auch nicht ohne Wirkung auf den Bundestag und die Bundesregierung bleiben wird.

    Heckmann: Aber Herr Herrmann, wenn es denn strittig sein sollte, ob ein solcher Verbotsantrag Chancen hat in Karlsruhe oder nicht, also wenn diese Frage in der Tat strittig ist, warum sollte man dieses Wagnis denn dann eingehen? Denn es sind sich ja alle einig, dass diesmal der Punkt sozusagen sitzen muss.

    Herrmann: Ich bin der Meinung, die NPD ist hochgefährlich, die NPD ist der geistige Nährboden für vieles, was es an Rechtsradikalismus, was es an auch wirklich extremistischen Straftaten in unserem Land gibt. Diese Zusammenhänge müssen wir klar aufzeigen. Ich halte es für unerträglich, dass die NPD nach wie vor von der staatlichen Parteienfinanzierung profitiert und wir auf der einen Seite überlegen, wie können wir mit guter Jugendarbeit junge Menschen in unserem Land immun machen gegen die Neonazi-Ideologie, und auf der anderen Seite kriegt dann diese Partei staatliche Gelder, um dann genau wieder ihre Neonazi-Propaganda zu finanzieren. Das sind alles unerträgliche Zustände, die beendet werden müssen. Ich denke, da müssen wir eine klare Linie fahren. Ich sehe eine große Chance, dass wir im Bundesrat dafür eine Mehrheit bekommen, und dann werden wir mit aller Kraft dafür werben, dass sich Bundestag und Bundesregierung dem auch anschließen. Ich will jetzt in dem Moment nicht drüber spekulieren, was wäre, wenn die da nicht mitmachen, sondern in der Politik ist es entscheidend, dass man eine klare Überzeugung hat und dass man für sie kämpft und dass man für sie eintritt. Und darum wird es in den nächsten Monaten gehen.

    Heckmann: Herr Herrmann, der Innenminister in Mecklenburg-Vorpommerns, Ihr Kollege Herr Caffier, hat sich optimistisch gezeigt, dass das Material, das gegen die NPD vorliegt, das öffentlich zugängliche Material, ausreicht für einen Verbotsantrag. Teilen Sie eigentlich seinen Optimismus?

    Herrmann: Ganz klar ja. Wir ziehen da, Kollege Caffier und ich, völlig an einem Strang, das ist entscheidend. Es gibt so viele Beispiele für diese unerträglichen Umtriebe von NPD-Funktionären. Ich weiß, da gibt es das politische Argument nach dem Motto, das muss eine Demokratie aushalten – das machen wir zum Thema der demokratischen Auseinandersetzung, das ist okay. Aber ich bin der Meinung, es muss irgendwann einen Schlussstrich …

    Heckmann: Aber es muss ja belegt werden, dass diese Partei aggressiv-kämpferisch gegen die Demokratie vorgeht.

    Herrmann: Bitte?

    Heckmann: Es muss ja belegt werden, dass die NPD aggressiv-kämpferisch gegen die Demokratie vorgeht.

    Herrmann: Da braucht sich jeder im Moment nur umschauen, was in unserem Land vorgeht. Es ist in Ostdeutschland zum Teil noch schlimmer als in Westdeutschland. Aber auch das, was wir zum Beispiel allein in Bayern erleben, reicht mir schon. Ich halte das in der Tat für extrem aggressiv, und es gibt genügend Menschen in unserem Land, die auch ganz konkret darunter zu leiden haben.

    Heckmann: Was ist denn, wenn am Ende dann doch gegen einen neuen Verbotsantrag entschieden wird? Das ist ja nicht ausgeschlossen. Die ganzen Debatten, die jetzt über einen Verbotsantrag gegen die NPD geführt werden, die dürften der Partei im Prinzip dann nur genutzt haben.

    Herrmann: Dieses Risiko muss man letztendlich auf sich nehmen. Aber wenn ich von solchen Argumenten mich von vornherein sozusagen in die Flucht schlagen lassen würde, dann würde ich insgesamt mit den Feinden von Demokratie und Freiheit in unserem Land keine ordentliche Auseinandersetzung mehr führen können. Es gibt immer Argumente, lass es lieber auf sich beruhen und nimm das nicht so wichtig und das wird sich schon selbst geben und dergleichen. Ich glaube, so darf unsere wehrhafte Demokratie nicht agieren. Wir haben eine großartige Freiheit, wir haben sehr viel Toleranz, es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, auch abweichende Meinungen in unserer Demokratie zur Geltung zu bringen. Aber wenn ein gewisses Maß überschritten ist und wenn gerade Leute unterwegs sind, die ihrerseits nur Intoleranz und Fanatismus verbreiten in unserem Land, dann muss man denen die Grenzen aufzeigen und dann muss man irgendwann auch klar sagen: So etwas dulden wir nicht mehr in unserem Land.

    Heckmann: Der Innenminister Bayerns Joachim Herrmann von der CSU war das, live hier im Deutschlandfunk. Herr Herrmann, danke Ihnen für das Interview!

    Herrmann: Ich danke Ihnen auch, einen schönen Tag!

    Heckmann: Wünsche ich Ihnen auch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.