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"Wir wollen die Jugend-Freiwilligendienste konsequent ausbauen"

Viele soziale und medizinische Einrichtungen sind durch die Bundeswehrreform und die damit verbundenen Folgen für den Zivildienst betroffen - welche Pläne die SPD hat, um diese Auswirkungen abzumildern, erklärt die familienpolitische Sprecherin der SPD, Caren Marks.

Caren Marks im Gespräch mit Christian Bremkamp |
    Caren Marks: Derartige Einrichtungen stehen natürlich ohne Zivildienst vor größeren Herausforderungen. Das ist ganz klar. Aber in der letzten Zeit gab es ja schon große Verunsicherungen, insbesondere durch die - meines Erachtens - nicht besonders sinnige Verkürzung auf die sechs Monate, und insofern sind viele medizinische und soziale Stellen eigentlich jetzt schon da unterwegs, ihren ganzen Arbeitsablauf so zu organisieren, dass sie nicht unbedingt auf Zivildienstleistende angewiesen sind. Viele haben sich jetzt schon auf die FSJler, also auf die Männer und Frauen eingestellt, die ein sogenanntes freiwilliges soziales Jahr begehen.

    Christian Bremkamp: Auf das freiwillige soziale Jahr möchte ich später noch zu sprechen kommen. Frau Marks, was halten Sie von einem neuen staatlich organisierten Freiwilligendienst, wie ihn Bundesfamilienministerin Schröder jetzt ins Spiel gebracht hat?

    Marks: Ich denke, dass diese neuen Pläne zum freiwilligen Zivildienst Unsinn sind. Sie schaffen Doppelstrukturen, die man meines Erachtens weder den Einsatzstellen, aber auch den jungen Männern und Frauen nicht wirklich erklären kann, und sie stellen vor allem die seit Jahrzehnten erfolgreich von Trägern organisierten freiwilligen Dienste ein Stück weit infrage, beziehungsweise stehen in Konkurrenz dazu, und ich denke, das kann nicht im Sinne des Bundes sein, Konkurrenzsituationen in der Engagementpolitik aufzustellen.

    Bremkamp: Wie sähe Ihr Alternativvorschlag aus?

    Marks: Mein Alternativvorschlag sähe aus, dass wir wirklich konsequent auf eine Stärkung des Prinzips der Freiwilligkeit setzen. Das ist das Konzept der SPD-Bundestagsfraktion. Wir wollen a) die Jugend-Freiwilligendienste konsequent ausbauen und die Platzzahlen erhöhen, einerseits finanziert durch die Einsparungen beim Zivildienst - da werden ja entsprechend Mittel frei -, und wir wollen natürlich auch in die bereits vorhandene Freiwilligendienste-Infrastruktur investieren. Die Jugend-Freiwilligendienste, vor allem die bekannten, das freiwillige soziale, oder das freiwillige ökologische Jahr - das sind so die bekanntesten -, sind wirklich bei den jungen Menschen in unserem Land sehr beliebt und ganz attraktiv.

    Bremkamp: Das freiwillige soziale Jahr haben Sie jetzt mehrfach angesprochen. Aber, Frau Marks, glauben Sie, ganz egal welchen Dienst es in Zukunft geben wird, dass sich genug Freiwillige melden werden? Es geht doch hier um Tausende.

    Marks: Es gibt im Moment meines Erachtens so circa 37.000 junge Frauen und Männer, die sich jetzt schon im Bereich der freiwilligen Dienste, also dem sozialen oder ökologischen oder kulturellen Jahr, engagieren. Auf einen Platz kommen im Schnitt drei Bewerber. Das heißt also, man kann die Zahl entsprechend mal drei multiplizieren. Das ist schon eine ganz beachtliche Summe und ich hatte vor Kurzem Gespräche mit verschiedenen Trägern, die gute Erfahrungen mit Zivildienstleistenden haben, aber in der letzten Zeit eigentlich dabei sind umzustellen auf die Jugend-Freiwilligendienste, weil die sechs Monate sowohl für sie als auch, wenn es darum geht, das Engagement von jungen Menschen zu fördern, eine unbefriedigende Situation darstellen.

    Bremkamp: Es gibt Wirtschaftswissenschaftler, die fordern, ganz auf einen Zivildienst zu verzichten. Die Begründung: Solch ein Dienst führe zur Vergeudung von Talenten und Ressourcen und vernichte zudem Arbeitsplätze. Ist da was dran?

    Marks: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sowohl der Zivildienst, wie er bisher aufzustellen war, als auch die freiwilligen Dienste generell arbeitsplatzneutral zu organisieren sind. Das ist natürlich entsprechend auch immer wieder zu überprüfen. Aber grundsätzlich ist doch ganz klar, dass es Ressourcen und Talente von jungen Männern und Frauen fördert oder auch herausfordert, entdeckt.

    Bremkamp: Aber trotzdem: Ist da nicht was dran, dass Krankenhäuser und Altersheime beispielsweise bislang recht preisgünstig davon gekommen sind, weil Zivis eben billig sind, zumindest was die Bezahlung angeht?

    Marks: Ich will das noch mal wiederholen: Grundsätzlich waren auch alle diese Einrichtungen immer gehalten, den Einsatz von Zivildienstleistenden arbeitsplatzneutral aufzustellen. Da kann man bei der einen oder anderen Stelle durchaus mal ein Fragezeichen setzen, und darum ist es auch nötig, dass das nicht nur im Gesetz ist, sondern dass das auch entsprechend immer wieder überprüft wird, weil wir wollen nicht junge Menschen als billige Arbeitskräfte missbrauchen und wir wollen zweitens auch nicht notwendige Arbeitsplätze, die ansonsten auch eben zu entsprechenden Löhnen und sozialversicherungspflichtig sind, aushöhlen. Das darf natürlich nicht Sinn vom Zivildienst sein und auch nicht vom freiwilligen Engagement, denn gerade auch im Bereich Pflegefachkräftemangel kann es nicht angehen, da gebe ich völlig recht, dass junge Menschen hier missbraucht werden beziehungsweise, dass das dazu beiträgt, dass wertvolle sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in irgendeiner Weise abgebaut oder infrage gestellt werden.


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