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"Wir wollen ein öffentliches Zerreißen des Fotos des Papstes organisieren"

Der Ferienmonat August ist ein guter Zeitpunkt, um die "Protestbewegung der Empörten" von der Puerta del Sol zu verweisen, dachte sich das spanische Innenministerium - schließlich kommt bald der Papst zu Besuch. Doch nicht alle spanischen Demonstranten machen Ferien - im Gegenteil.

Von Hans-Günter Kellner |
    Stürmischer Jubel auf der Madrider Puerta del Sol, dem zentralen Platz in der Madrider Innenstadt, Menschen umarmen sich und schreien, dieser Mann wedelt mit den Armen und ruft seine Freude in die Nacht:

    "Die Puerta del Sol gehört uns! Wir haben den Platz zurückerobert. Die Polizei hatte uns vertrieben, aber wir sind wieder da. Hier wieder einzuziehen, friedlich, ohne einen Stein zu werfen, ohne einen Polizisten zu beleidigen, einfach nur zu Fuß hier reinzugehen ... meine Freunde ist riesengroß!"

    Vier Tage lang war der Platz letzte Woche fest in Hand der Polizei, Tag und Nacht. Sie hatte am Mittwoch die letzten hier campierenden Mitglieder der sogenannten "Protestbewegung der Empörten" im Morgengrauen vertrieben, eine städtische Reinigungskolonne entfernte auch einen selbst gezimmerten Infostand der Protestierenden. Hunderte von Jugendlichen versuchten den Platz in den Folgetagen immer wieder zu besetzen, die Polizei sperrte alle Zugänge ab. Selbst der unterirdische U- und S-Bahnhof wurde zeitweise geschlossen, erklärte Marta Solanas, eine der jugendlichen Protestierenden, noch am Freitagmorgen:

    "Die Haltestelle ist mal offen und mal geschlossen. Wenn die Beamten meinen, da sind zu viele Leute auf dem Platz, die so aussehen, als wollten sie demonstrieren, werden die Türen geschlossen. Manchmal steigen dann Leute aus der U-Bahn und dürfen aber nicht raus aus der Haltestelle. Gleichzeitig halten die Züge aber auch nicht mehr an. So bleiben die Leute so lange in diesem unterirdischen Bahnhof, bis die Polizei die Türen wieder öffnet."

    Seit Dienstag kam es abends in der Innenstadt zu spontanen Kundgebungen gegen die Räumung, die Proteste wurden mit jedem Tag massiver, die Bereitschaftspolizei setzte erstmals in Madrid Schlagstöcke gegen die Protestbewegung ein. Jugendliche hatten zuvor versucht, den Zaun des Innenministeriums zu besteigen. Am Freitag demonstrierten dann Tausende gegen die Räumung, auch Diego Carvallo, Professor an der Technischen Hochschule:

    "Das war ein Riesenfehler des Innenministeriums. Auf der Puerta del Sol war doch nur noch ein ganz kleiner Infostand. Das hat niemanden gestört. Anfangs campierten noch sehr viele Leute dort. Aber das ist doch schon Wochen her. Jetzt ist der Platz umstellt von Polizisten, keiner kommt rein. Wer soll das verstehen? So eine Provokation. Die Symbole sind wichtig für die Menschen. Und die Puerta del Sol war ein Symbol für diese Protestbewegung, hier hatte sie doch begonnen. Ein Symbol, das eine demokratische Regierung respektieren sollte."

    Als sich im Mai und Juni täglich Tausende auf dem Platz trafen, eine Infrastruktur von einer Küche bis hin zu einer Bibliothek oder einem Kindergarten aufgebaut war und Hunderte auch dort schliefen, ging das Innenministerium tolerant mit den Besetzern um. Zuletzt waren es nur noch wenige, die die Nächte auf dem Platz verbrachten. Viele Demonstranten meinen, hinter der Räumung stehe darum der Besuch des Papstes und der Weltjugendtag Mitte August.

    "In Spanien sagt man, die Regierung löscht das Feuer mit Benzin. Das hat sich bestätigt. Die Situation hatte sich beruhigt, es gab kaum Proteste. Die Regierung hat das Feuer neu entfacht und jetzt sind die Leute wieder auf der Straße. Als wir vor vier Wochen die Regional- und Kommunalwahlen hatten, hatte die Polizei nichts gegen die Proteste unternommen. Jetzt kommt der Papst und sie schreitet ein. Für mich zeigt das: Die Kirche und der Staat stehen in Spanien immer noch fest zusammen."

    Seit Freitag ist die Puerta del Sol nun wieder für alle passierbar, die Polizei beobachtet die Situation, hält sich aber zurück. Die Protestierenden schlagen keine Zelte mehr auf, sind jedoch für ihre öffentlichen Vollversammlungen nun wieder auf den Platz zurückgekehrt. Dabei wird deutlich: Die Bewegung scheint nun auch die starken antiklerikalen Strömungen in Spanien zu bündeln. Denn sie diskutiert nun vor allem Aktionen zum katholischen Weltjugendtag und zum Besuch von Benedikt XVI. vom 17. bis zum 21. August in Madrid. Dabei strebt sie nicht etwa das Gespräch mit den Katholiken an. Die Erklärungen eines der Jugendlichen klingen eher wie eine Kampfansage:

    "Wir hatten eine Vollversammlung zum Thema Papstbesuch. Zahlreiche gleichgeschlechtliche Paare wollen vor dem Papamobil ein öffentliches Massenküssen veranstalten. Wir wollen ein öffentliches Zerreißen des Fotos des Papstes organisieren. Es wird zudem eine Kundgebung gegen den Papstbesuch geben. Wir werden versuchen, dieses Weltjugendtreffen aktiv zu stören."