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Wir wollen keinen "Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene"

Die laufende Kontrolle der griechischen Sparbemühungen steht für den FDP-Finanzexperten Hermann-Otto Solms im Vordergrund. Eine dauerhafte Zahlungsverpflichtung der Euroländer dürfe es nicht geben.

Hermann-Otto Solms im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Turbulente Tage in Berlin. Im Eilverfahren wird die Griechenland-Hilfe ab heute durch die Parlamente gepaukt. Bis Ende der Woche sollen die Abstimmungen im Bundestag und im Bundesrat über die Bühne sein. Trotz vieler kritischer Stimmen bei Union und FDP steht die sichere Mehrheit der Koalition. Die Zustimmung der Opposition dagegen ist nicht sicher. SPD, Grüne und Linke fordern weit reichende Konsequenzen aus der Griechenland-Krise.

    Am Telefon begrüße ich den Bundestagsvizepräsidenten Hermann-Otto Solms, Finanzfachmann der FDP. Guten Morgen, Herr Solms.

    Hermann-Otto Solms: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: "Guido Westerwelle macht die Faust in der Tasche", "Rainer Brüderle hat riesige Bauchschmerzen", so ist heute in Zeitungen zu lesen. Wie geht es Ihnen denn heute Morgen, wenn Sie an die Griechenlandkredite denken?

    Solms: Man hat schon große Sorgen. Man fragt sich, ob das denn gut geht, ob die Griechen überhaupt in der Lage sind, die harten Instrumente durchzusetzen, die jetzt von ihnen gefordert werden. Die griechische Regierung ist ja bereit, dieses zu tun, aber sie alleine wird es nicht schaffen. Die Bevölkerung muss mitmachen, und Sie sehen ja schon: Generalstreik und Widerstand. Es wird so einfach nicht sein.

    Heinlein: Sie haben Sorgen. Was heißt das für Sie? Werden Sie im Bundestag der Griechenland-Hilfe zustimmen?

    Solms: Das hängt jetzt von den Bedingungen ab, die ja noch nicht endgültig feststehen. Entscheidend ist, dass es eine tatsächliche Stabilitätspolitik in Griechenland gibt. Das wird nicht von heute auf morgen gelingen. Sie müssen ja alleine sehen, dass es den Griechen zurzeit gar nicht möglich ist, die Steuern richtig zu erheben. Das wird also ein langfristiges Programm sein, und jetzt geht es darum, dass die Europäische Union die richtigen Sanktionsmittel in die Hand bekommt, dass der Unionsvertrag geschärft wird und dass dann Griechenland laufend kontrolliert wird und der Vollzug dringend und eng überwacht wird.

    Heinlein: Ihr Parteivorsitzender hat Sie also nicht vollständig überzeugt? Er ist ja eigens zur Fraktion gereist, um die FDP-Abgeordneten zu überzeugen.

    Solms: Die zentrale Sorge ist doch die, dass es, wenn diese Runde nicht gelingt, zu der nächsten Finanzierungsrunde kommt, sei es für Griechenland, sei es für ein anderes europäisches Land, und das darf auf gar keinen Fall eintreten. Wir wollen keine Transferunion, nicht einen Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene, die zu einer automatischen Finanzierungsverpflichtung führen würde. Dann würden die Steuerzahler der stabilen Länder sozusagen die Zahlmeister Europas werden, und da würde Deutschland dazugehören. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, die deutschen Steuerzahler vor einem solchen Mechanismus zu schützen.

    Heinlein: Was muss denn die Bundesregierung Ihnen konkret noch vorschlagen, damit Sie am Freitag Ja sagen?

    Solms: Entscheidend wird es sein, einmal die Sanktionsmöglichkeiten deutlich zu verschärfen, die laufende Überwachung in Griechenland durchzusetzen und präventive Maßnahmen einzurichten. Die europäische Statistikbehörde muss ihre Aufgabe viel effektiver durchführen können und dazu die Mittel in die Hand bekommen. Wir müssen eng mit dem Internationalen Währungsfonds zusammenarbeiten, der ja die Expertise, das Fachwissen und die Erfahrung in solchen Dingen hat, und wir müssen auch im Extremfalle in die Lage versetzt werden, ein Land, das den Stabilitätskriterien nicht genügt, aus der Währungsunion auszuschließen.

    Heinlein: Braucht es auch mehr Kontrolle und strengere Regeln für den Bankensektor, um die Spekulanten zu zähmen, und diese Finanztransaktionssteuer, so wie es SPD und Grüne fordern?

    Solms: Nein. Eine Finanztransaktionssteuer, darüber hätte man theoretisch reden können. Das ginge aber dann nur weltweit. Wenn wir auf nationaler Ebene das einführen, werden wir den deutschen Finanzplatz schwächen gegenüber anderen Finanzplätzen. Das ist in Schweden einmal gemacht worden, dann sind alle Umsätze nach London abgewandert und die sind nicht mehr zurückgekehrt. Das wäre eine ganz schlechte Maßnahme.

    Heinlein: Seit gestern aber ist klar, was den Bankensektor betrifft: Herr Ackermann und andere werden sich mit einem symbolischen Beitrag an der Griechenland-Rettung beteiligen. Hätten Sie sich denn persönlich mehr gewünscht?

    Solms: Ursprünglich wäre es das wirklich Wichtige gewesen, man hätte in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds einen Umschuldungsplan für Griechenland vereinbart. So ist das mit Argentinien gemacht worden, so ist das mit Russland gemacht worden, das war höchst erfolgreich. Dann hätten natürlich die Banken und Versicherungen, die in Griechenland engagiert waren, auf einen Teil ihrer Anlagen verzichten müssen. Das hätte zu einer Abschreibung von 40, vielleicht 50 Prozent geführt. Das wäre die richtige Maßnahme gewesen. Das hätte man aber schon viel früher machen müssen, im letzten Jahr mindestens, und die Zeit dafür hat man leider verpasst.

    Heinlein: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Solms, wären Sie für eine Umschuldung, das heißt einen Staatsbankrott von Griechenland gewesen. Wie können Sie da überhaupt überlegen, dieser Griechenland-Hilfe am Freitag zuzustimmen?

    Solms: Ja. Die Zeit für eine solche Umschuldung ist vorbei, jetzt sind wir in einer dramatischen Situation, Griechenland ist nicht mehr finanzierungsfähig und wir müssen sofort helfen. Deswegen wird das mit der Umschuldung leider nicht mehr möglich sein. Das sehe ich auch so.

    Aber ich weise nur darauf hin, dass diese Chance verpasst worden ist, weil man eben nicht mit dem Internationalen Währungsfonds auch von Seiten der deutschen Regierung zusammenarbeiten wollte, übrigens der alten Regierung wie der neuen, und das bedauere ich. Ich halte das für eine fundamentale Fehlentscheidung.

    Heinlein: Herr Solms, Ihr Parteivorsitzender hat gestern noch einmal erklärt, es bleibe trotz dieser umstrittenen Milliarden-Hilfen für Griechenland und trotz seiner Bauchschmerzen in vollem Umfang bei den liberalen Steuersenkungsplänen. Teilen Sie hier uneingeschränkt diese Meinung von Guido Westerwelle?

    Solms: Ja, selbstverständlich teile ich diese Meinung. Wir können doch nicht sagen, wir müssen den Griechen helfen, können aber unseren eigentlichen Steuerzahlern nicht das gewähren, was steuersystematisch und wegen der Steuergerechtigkeit des Tarifes zwingend notwendig ist. Also diese Diskussion möchte ich nicht führen.

    Heinlein: Nun sagen aber die Steuerschätzer, die ja morgen dann ihre Ergebnisse vorlegen werden, Herr Solms, es werde in den kommenden Jahren deutlich sinkende Steuereinnahmen geben. Ist es da jetzt nicht tatsächlich ein Gebot der Ehrlichkeit, Ihre Steuersenkungspläne einzukassieren, auch wenn es Ihnen weh tut?

    Solms: Erstens wollen wir mal abwarten, was die Steuerschätzung ergibt.

    Heinlein: 40 Milliarden, heißt es.

    Solms: Die Zahlen, die ich kenne, sind nicht so dramatisch, aber das wollen wir abwarten. Im Übrigen hat die Steuerschätzung sich schon häufig getäuscht. Wenn es gelingt, auch durch Steuersenkung den Wachstumsprozess zu stärken und zu beschleunigen, dann werden die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren auch stärker fließen. Das weiß heute keiner, das ist alles Bohren im Kaffeesatz. Die Steuerschätzung ist zwar ein Signal, ein Hinweis aufgrund vergangener Daten, aber die zukünftigen Daten kennen die Steuerschätzer auch nicht.

    Heinlein: Wolfgang Schäuble allerdings ist weiter skeptisch. Hätte sich denn Ihre Partei, Herr Solms, viel Ärger mit der Union in der Steuerfrage erspart, wenn sie in den Koalitionsverhandlungen nicht auf das Finanzressort verzichtet hätte?

    Solms: Das ist Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Frau Merkel wollte dieses Ressort auf gar keinen Fall in die Hände der FDP geben, das müssen wir akzeptieren. Aber Wolfgang Schäuble ist genauso an den Koalitionsvertrag gebunden wie jeder andere in der Koalition auch und ich kenne Wolfgang Schäuble als einen sehr vertragstreuen Menschen.

    Heinlein: Herr Solms, sollte es dennoch – und das ist ja nicht ganz unwahrscheinlich – nicht zu den Steuersenkungen kommen, wie Guido Westerwelle es verspricht, sinkt dann auch der Stern Ihres Parteivorsitzenden?

    Solms: Nein. Für Personaldiskussionen gibt es jetzt gar keinen Anlass. Wir werden das ganz genau entsprechend dem Koalitionsvertrag auch umsetzen, daran habe ich überhaupt keinen Zweifel.

    Heinlein: Aber mit Ihrem Generalsekretär Lindner steht ja bereits ein möglicher Nachfolger in den Startlöchern?

    Solms: Nein! Christian Lindner ist am Anfang seiner Spitzenkarriere. Er hat sich sehr gut eingelassen als neuer Generalsekretär, aber er braucht auch noch ein paar Jahre.

    Heinlein: Und wenn am Sonntag die FDP aus der Regierung in Nordrhein-Westfalen fliegt, dann könnte diese Diskussion aber an Fahrt gewinnen?

    Solms: Wissen Sie, in der Politik beginnt alles immer nach jeder Wahl neu. Das kenne ich nun seit vielen Jahren. Das wollen wir mal alles in Ruhe abwarten. Im Moment haben wir die gute Chance, dass die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt wird und dafür eine klare Mehrheit bekommt, weil auch die Bürger in Nordrhein-Westfalen keine rot-rot-grüne Regierung für diesen alten Industriestaat wollen, und sie sind gut beraten, bei dem zu bleiben was sie haben.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Bundestagsvizepräsident Hermann-Otto Solms, der Finanzexperte der FDP. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören, Herr Solms.

    Solms: Bitte schön!