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"Wir wollten betonen, dass wir in Frieden kommen"

IT.- Im Interview mit Manfred Kloiber spricht Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, über den Chaos Communication Congress sowie über das Image des Hackers in Deutschland.

    Manfred Kloiber: "We come in peace" heißt das Motto für den 27C3, den diesjährigen Chaos Communication Congress. Constanze Kurz ist die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Frau Kurz, warum betonen Sie mit diesem Motto eigentlich so sehr, dass Sie in friedlicher Mission unterwegs sind?

    Constanze Kurz: Naja, der Ruf des Hackers ist ja doch ambivalent. Und wir wollten betonen, dass wir in Frieden kommen. Vielleicht mit ein wenig Ironie. Aber wir halten uns an die Hackerethik, die wir uns selber gegeben haben und wollten mal betonen, wie friedfertig wir sind.

    Kloiber: Hat es auch ein bisschen damit zu tun, dass zum Beispiel heute ja in den Zeitungen zu lesen ist, dass viele Hacker in staatlicher Mission unterwegs sind, keineswegs friedfertig, sondern eher spionagemäßig unterwegs sind oder dass es um die WikiLeaks-Causa ja eine riesen Diskussion gibt, ob das nun friedlich ist oder ob das demokratisch ist?

    Kurz: Ich denke unter dem Begriff "Hacker" werden vor allen Dingen in den Medien sehr unterschiedliche Dinge subsumiert. Da meint man Kriminelle, da meint man aber auch im Staatsauftrag tätige Wirtschaftsspionierende. Aber wir wollen uns natürlich auch gerne abgrenzen. Wir sind halt die Guten.

    Kloiber: Sie sind die guten Hacker - was zeichnet einen guten Hacker aus?

    Kurz: Ich denke zum einen der Drang danach, technische Systeme zu verstehen, zu durchdringen, sich zu überlegen, was kann man damit noch tun? Außerdem, was vielleicht vom Hersteller vorgegeben ist. Und natürlich auch die Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit - um Sicherheitslücken, die bestehen oder andere technische Probleme öffentlich zu machen, damit darüber debattiert werden kann.

    Kloiber: Das sind ja auch die Themen, die hier im großen Saal diskutiert werden, die vorgetragen werden in teilweise sehr, sehr technischen Vorträgen. Können Sie uns einfach mal sagen, was so der Querschnitt des Kongresses ist, was die Themen sind?

    Kurz: Wir haben natürlich einen großen Schwerpunkt auf der Frage der Überwachungstechnologien. Wir reden natürlich immer noch über die Vorratsdatenspeicherung - trotz des Urteils in Karlsruhe. Wir reden über Netzzensur und Netzsperren, wir reden aber natürlich auch über die dahinter liegenden Techniken, wie also tatsächlich solche großen Datenmengen analysiert werden können, was man daraus lesen kann. Wir haben aber denke ich auch einen großen Schwerpunkt dieses Jahr auf der Mobiltelefonie und der Frage: Wie sicher sind eigentlich diese Netze? Und wir haben ja hier beim Kongress erstmalig auch ein eigenes Funknetz aufgebaut probehalber und können die Technik damit einfach mal ausprobieren und daran testen. Aber wir haben wir immer bei den über 100 Vorträgen auch sehr Vieles, wo Randbereiche, technisch spannende Fragen besprochen werden, teilweise mit kulturellen Zusammenhängen. Und wir haben ein Live-Konzert, also da ist glaube ich eine sehr breite Spanne an Themen. Ein Schwerpunkt ist noch die Netzneutralität, weil es auch eine aktuelle Debatte ist.

    Kloiber: Dazu gibt es auch eine Übertragung heute auf Dokumente und Debatten, im Deutschlandradio - eine Diskussionssendung ab 18.40 Uhr. Frau Kurz, die Hacker, die hier unterwegs sind, werden von furchtbar vielen Filmkameras, Fernsehkameras mittlerweile hier gefilmt, obwohl das ja eigentlich gar nicht so die Intention ist. Ich sage mal, der Medienrummel ist ziemlich groß geworden um diese Veranstaltung von einstmals sehr, sehr scheuen Hackern. Hat sich das Bild des Hacker, des guten Hackers, in der Gesellschaft geändert? Sind sie wichtiger geworden?

    Kurz: Zum einen glaube ich, dass vergleichsweise hier in Deutschland das Image des Hackers ziemlich positiv ist, wenn man es mit anderen europäischen Ländern oder den USA vergleicht. Zum anderen hat sich glaube ich die Community auch etwas geöffnet. Wir haben immer noch Bereiche hier im BCC in Berlin, die nicht von Filmkameras betreten werden, also die abgetrennt sind - unser sogenanntes Hack-Center im Untergeschoss. Aber ich glaube, es ist für die meisten Menschen nicht mehr rufschädigend, Hacker genannt zu werden. Die Bedeutung des Chaos Computer Clubs und diese Hacker-Community ist aus meiner Sicht sehr gewachsen, einfach weil der Club etwas anbietet, was nur wenige anbieten - nämlich eine unabhängige technisch fundierte Meinung, um die man ihn bitten kann und die er dann abgibt.

    Kloiber: Mit solchen Aktionen, dass Sie sich zum Beispiel den elektronischen Personalausweis genauer ansehen, Schwachstellen aufdecken, der Politik zeigen, hier sind die Probleme, die ihr eigentlich gar nicht so bereden wollt - machen Sie sich bei denen eher unbeliebt oder werden Sie bei denen eigentlich mehr als, ich sage mal professioneller Kritiker mehr gefragt?

    Kurz: Es hat wohl was von beidem. Natürlich sehen uns nicht wenige Politiker als Störenfriede, weil Projekte, über die vielleicht technisch wenig diskutiert wurde dann plötzlich unter anderen Blickwinkeln debattiert werden. Aber viele Politiker haben doch nach langen Debatten dann gesehen, dass die technischen Argumente, die wir haben, oft Hand und Fuß haben. Nicht umsonst hat ja der Chaos Computer Club mehrere Gutachten für das Bundesverfassungsgericht abgegeben. Wir sind heute doch bei mehreren Gesetzgebungsverfahren immer wieder Teil und beraten auch gerne die Politik. Schließlich haben wir eine parteiunabhängige Meinung, die immer auch auf technischer Analyse basiert. Dafür ist glaube ich so ein ehrenamtlicher Verein wie wir ihn hier in Deutschland haben recht einmalig.

    Kloiber: Hier auf der Veranstaltung wird jetzt schon in den einschlägigen Kreisen darüber spekuliert, gemutmaßt, was wohl heute Abend, ich glaube um 21.45, 22 Uhr, gelüftet werden soll. Weil ein großer Hack, der ein großes Problem angeht, findet eigentlich immer wieder hier statt - können Sie uns schon sagen, was heute Abend passieren wird, was gehackt wird?

    Kurz: Wir hatten ja dieses Jahr doch eine recht große Debatte um den elektronischen Personalausweis und die Frage: Welche Sicherheitslücken wird der Bürger eigentlich dort mitkaufen, wenn er sich auf dem Amt diesen neuen Personalausweis holt? Denn dieser hat ja einen Funkchip enthalten und man soll ja damit zum Beispiel elektronische Identitäten nachweisen können und jeweils damit Verträge schließen. Und nachdem wir nun sehr deutlich machen konnten, dass die Sicherheit doch nicht so gut bestellt ist, können wir heute noch einen drauf legen und zeigen, dass also auch die zertifizierten Lesegeräte, die bisher immer noch als absolut sicher verkauft werden, angreifbar sind, dass es auch hier Attacken gibt. Im Prinzip ist es so, dass dieses ganze Konzept des elektronischen Personalausweises ein löchriger Käse geworden ist.

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