Montagmorgen um kurz nach sieben, der Flugplatz von Peenemünde. Expeditionsleiter Burkard Baschek hat sein Team um sich geschart und gibt letzte Instruktionen. Die Wissenschaftler stehen vor einer Premiere: Erstmals in der Meeresforschung wollen sie ein exotisches Luftgefährt für eine Messkampagne einsetzen - einen Zeppelin. Das Wetter jedenfalls spielt mit: klarer Himmel, kaum Wolken.
Kurz darauf geht es los, der Zeppelin wirft seine drei Propeller an und hebt sachte ab. Bald verschwindet Usedom aus dem Blickfeld. Der Zeppelin fliegt Richtung Nordost mit Kurs auf die dänische Insel Bornholm. Die Kabine hat die Ausmaße eines Kleinbusses. An Bord: drei Schränke mit Messtechnik und Rechnern, zwei Piloten und vier Forscher vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht.
Konzentriert widmen sie sich den letzten Vorbereitungen. Fernerkundungsexperte Rüdiger Röttgers erklärt:
"Wir versuchen die Software hinzukriegen. Bei ein paar Kleinigkeiten haben wir noch keine Zeit gehabt, das so einzurichten, dass wir zum Beispiel die Monitore gegenseitig sehen über eine Verbindungssoftware. Das fangen wir gerade an zu testen."
Röttgers Kollege Wolfgang Cordes zeigt auf ein Kernstück der Messtechnik: Eine Spezialkamera, die durch eine Luke im Kabinenboden nach unten auf die Ostsee schaut:
"Das ist eine Wärmebildkamera. Wir können sehr feine Temperaturunterschiede erkennen. Also kann man mit sehr hoher Zuverlässigkeit sagen, dass man 0,1 Grad sicherlich perfekt auflösen kann."
Mit Wärmebildkamera auf der Jagd nach Strömungen
Die Kamera soll spezielle Phänomene aufspüren: Kilometergroße Wirbel, in deren Zentrum das Wasser kälter ist als an den Rändern. Oder sogenannte Fronten, bei denen kalte und warme Strömungen aufeinandertreffen. Der Plan: Sobald der Zeppelin etwas entdeckt, sollen unten drei Forschungsschiffe darauf zuhalten und mit Unterwassersensoren Daten sammeln – Temperatur, Salzgehalt, Algenkonzentration.
Inzwischen ist Bornholm in Sicht, unten zeichnen sich die drei Forschungsschiffe ab. Dann kommt Hektik auf: Expeditionsleiter Baschek läuft von einem Fenster zum anderen und starrt mit dem Feldstecher aufs Meer:
"Das könnte eventuell etwas sein. Das sieht per Auge aus der Luft so aus, als ob sich da eine Frontlinie entwickelt hat, die für uns auch von großem Interesse ist. Fliegen wir rüber. Mal schauen, in drei Minuten sind wir darüber."
Und tatsächlich: Auf dem Monitor, der das Bild der Infrarotkamera zeigt, wechselt abrupt die Farbe. Der Expeditionsleiter erläutert das Phänomen:
"Blau ist die kalte Temperatur, Grün ist der wärmere Teil. Wir sind jetzt gerade über eine Temperaturfront geflogen, mit 0,6 Grad Unterschied zwischen den beiden Seiten."
Jetzt zählt jede Minute. Denn keiner weiß, wie lange sich die Front halten wird. Baschek greift zum Funkgerät, die Schiffe sollen sich umgehend auf den Weg machen.
"Prandtl, Ludwig Prandtl, hier ist Zeppelin."
"Ludwig Prandtl hört."
"Hier ist einiges an verschiedenen Fronten. In einer Meile könntet ihr die Geräte ins Wasser lassen und nach Norden fahren."
"Verstanden."
Eine Wasserfront mit außergewöhnlichen Messergebnissen
Einige Zeit später. Zum Glück hat sich die Front gehalten. Die Schiffe können sie mehrmals durchfahren und vermessen. Über allem schwebt der Zeppelin, seine Kameras sammeln fleißig Daten, am Ende sind mehrere Festplatten voll. Die Auswertung wird Röttgers und seine Kollegen mehrere Monate beschäftigen. Vielleicht lernt man dabei Neues über die Entstehung von Algenblüten, hofft Röttgers:
"Wir wollen am Ende gucken, ob diese Durchmischung in der Front irgendwas an den Wachstumsraten von den Algen ändert. Ob es, wenn sich zwei Wassermassen mischen, einen positiven Effekt auf die eine oder andere Wassermasse hat."
15 Uhr. Burkard Baschek hat genug Daten im Kasten, die beiden Piloten sollen den Zeppelin wieder nach Peenemünde manövrieren. Zweieinhalb Stunden dauert der Rückflug. Erst jetzt, nach der Hektik des Tages, kann sich der Expeditionsleiter entspannt zurücklehnen.
"Der erste Eindruck ist, dass wir eine sehr interessante Front gesehen haben, die sich direkt von der Insel Bornholm losgelöst hat. Wir haben einen Temperaturunterschied von knapp 1 Grad beobachtet. Das sind sehr hoch aufgelöste Messungen, ich halte diesen Datensatz für außergewöhnlich. Von daher bin ich hochzufrieden mit dem ersten Tag."
Die Messkampagne geht weiter, bis zum nächsten Montag. Bis dahin wollen die Forscher noch vier Mal mit Zeppelin und Forschungsschiffen ausrücken – in der Hoffnung, nicht nur eine Front zu entdecken, sondern auch einen der rätselhaften Meereswirbel.