Wenn Nick Hardman-Mountford vor dem Rechner sitzt, kriegt er schnell einen Drehwurm. Der australische Forscher und seine Kollegen haben vermutlich so viele rotierende Meereswirbel untersucht wie noch niemand vor ihnen. Manche der sogenannten "Eddys" drehen sich mit dem Uhrzeigersinn, manche andersherum - genauso wie Hoch- und Tiefdruckwirbel in der Atmosphäre. Die rotierenden Meeresströmungen haben typischerweise Durchmesser von mehreren hundert Kilometern.
"Wir haben uns 200.000 'Eddys' angeschaut, die Satelliten über einen Zeitraum von 13 Jahren beobachtet haben. In den fünf großen Ozeanbecken: im Nord- und Südatlantik, im Nord- und Südpazifik und im Indischen Ozean."
Nach der aufwändigen Analyse glaubt Hardman-Mountford, dass etwas nicht stimmt, was man über die marinen Wirbel sagt.
Keine lebensfeindlichen Wüsten
Es betrifft jene "Eddys", die einen Warmwasser-Kern haben und "Anti-Zyklonen" genannt werden wie in der Atmosphäre die Hochdruckgebiete. In den Tropen und Subtropen galten diese Meereszonen bisher als lebensfeindliche Wüsten. Weil das Wasser dort angeblich nicht so gut durchmischt wird und kaum Nährstoffe aus der Tiefe nach oben gelangen, wo sie aber hinmüssen. Denn nur an der Oberfläche steht Meeresalgen genügend Licht zur Verfügung, um Photosynthese zu betreiben und Biomasse aufzubauen - die Nahrungsgrundlage für alles Leben im Ozean.
Doch so nährstoffarm und leer sind die vermeintlichen Wasserwüsten offenbar gar nicht: "Wir haben uns auf Satellitenbildern auch die Verteilung von Chlorophyll in den Wirbeln angeschaut. Das ist das grüne Farbpigment in Meeresalgen. Mit dem Südindischen Ozean fingen wir an. Dabei fiel uns auf: Die vermeintlich lebensfeindlichen 'Warmwasser-Eddys' haben oft sogar ein stärkeres Algenwachstum als die kühleren. Als wir unsere Untersuchungen auf die ganzen Subtropen ausdehnten, zeigte sich: Das ist tatsächlich in allen Meeresbecken so."
Zu den Algen-Blüten in den Warmwasser-Wirbeln kommt es ausgerechnet im Winter. Wie kann das sein? Auch das glaubt der Ozeanograph von der australischen Forschungsorganisation CSIRO inzwischen zu wissen: "Wir haben später ein Computermodell laufen lassen, das die Meereswirbel auch in tieferen Wasserschichten simuliert, die den Satelliten verborgen sind. Dabei konnten wir sehen: Im Winter wird das Meer in den 'Eddys' der Subtropen tiefgreifender durchmischt als gedacht, so dass doch viele Nährstoffe nach oben gelangen. Dann ist auch die biologische Produktivität am höchsten. Denn in den Subtropen haben Meeresalgen das ganze Jahr über genügend Licht für die Photosynthese."
Die Ozeane spielen eine wichtige Rolle im Klimawandel. Sie schlucken rund ein Viertel der Kohlendioxid-Emissionen des Menschen und verhindern so eine noch stärkere Erwärmung der Atmosphäre. Das funktioniert über chemisch-physikalische Prozesse. Ständig steigende Mengen des Treibhausgases lösen sich im Meerwasser.
Neue Daten aus den Wirbelstürmen der Meere
Aber auch die Algen entziehen der Atmosphäre CO2, wenn sie wachsen. So wie alle grünen Pflanzen. Dieser Effekt werde aber noch nicht genügend berücksichtigt, sagt Nick Hardman-Mountford. Wobei die subtropischen Ozeane von besonderer Bedeutung seien, da sie 40 Prozent der Erdoberfläche bedeckten.
"Wir verstehen die Prozesse jetzt besser, die in den 'Ozean-Eddys' ablaufen. Und können nun verfolgen, wie Algen in diesen Meereszonen auf den Klimawandel reagieren. Wenn sich ihre biologische Produktivität verändert, dann gilt das auch für die CO2-Aufnahme durch den Ozean. Deswegen ist es wichtig, diese Mechanismen in unsere Computermodelle einzubauen - um die Auswirkungen des Klimawandels besser vorhersagen zu können."
Inzwischen sind sogar Tauch-Roboter im Indischen Ozean im Einsatz. Sie sollen den Forschern jetzt auch Daten liefern, die direkt aus den Wirbelstürmen der Meere stammen.