"Falsch" und "irreführend" sei ein Artikel der "Financial Times" (FT) - das ist der Vorwurf, der im Januar 2019 von Wirecard gegen die Journalisten der Zeitung erhoben wurde. Der Finanzdienstleister wiederholte den Vorwurf mehrfach und verklagte die Autoren und das Blatt. An dieser Darstellung hielt Wirecard auch bei den folgenden Artikeln der "Financial Times" fest und erstattete Anzeige.
Langjähriger Chef unter Betrugsverdacht
1,9 Milliarden Euro fehlen in den Bilanzen des Finanzdiensleisters Wirecard. Das Unternehmen hat deshalb in der vergangenen Woche Insolvenz angemeldet und geht davon aus, dass das Geld wahrscheinlich gar nicht existiert. Der langjährige Vorstandschef Markus Braun trat daraufhin zurück. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Bilanzfälschung vor.
In diesem Zusammenhang wird vor allem auch die anscheinend mangelhafte Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kritisiert. Trotz verschiedener Hinweise und der Berichterstattung durch die "Financial Times" verteidigte sie Wirecard. Die Behörde erstattete Anzeige gegen die Journalisten und nicht gegen Wirecard.
Wirecard klagt, die BaFin auch
Bereits 2015 hatte FT-Journalist Dan McCrum Hinweise erhalten, dass in den Bilanzen von Wirecard etwas nicht stimme. Seine ersten Artikel wurden von Analysten weitgehend ignoriert. Er habe das Geschäftsmodell nicht verstanden, war auch die Aussage von Wirecard selber. 2018 wendete sich dann ein Whistleblower aus dem Unternehmen an ihn und bestätigte seinen Verdacht. Zusammen mit seiner Kollegin, der Singapur-Korrespondentin der FT, Stefania Palma, veröffentlichte er einige Artikel, die Wirkung zeigten.
Die Aktie des Finanzdienstleisters fiel um über 20 Prozent und Wirecard griff die FT und ihre Autoren scharf an. Die Zeitung hielt an der Geschichte fest, trotz des großen wirtschaftlichen Risikos im Falle einer Klage durch Wirecard. Tatsächlich zeigte der Finanzdienstleister im Frühjahr 2019 die Zeitung und die Autoren an, der Vorwurf: Marktmanipulation.
McCrum und Palma sollen sich mit Börsenspekulanten abgesprochen haben. Diese hätten dann durch die Kursverluste von Wirecard an der Börse Gewinne erzielt. Die BaFin schloss sich dieser Sichtweise an und erstattete ebenfalls Anzeige.
Verfahren gegen Journalisten noch offen
Für McCrum und seine Kollegen sei die Anzeige von Wirecard keine Überraschung gewesen, die der BaFin allerdings schon: "Was wir nicht erwartet haben, war, dass die deutschen Behörden die Vorwürfe gegen uns so ernst nahmen." Der Druck deshalb sei enorm gewesen.
Auf der Internetseite der FT erklärt McCrum, dass er zwischenzeitlich das Gefühl hatte verrückt zu werden, auch weil er den Eindruck hatte, verfolgt zu werden. Tatsächlich legen Recherchedokumente der FT nahe, dass er und weitere Journalisten bespitzelt wurden. Wirecard soll dafür Detektive engagiert haben, was das Unternehmen bestritt.
Die Ermittlungen gegen den früheren Chef von Wirecard legen ebenso nahe, dass die FT-Recherchen zu Bilanzmanipulationen bei Wirecard stichhaltig sind. Trotzdem ist das Verfahren gegen McCrum und seine Kollegen weiterhin offen. Bislang gibt es keine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass die Ermittlungen beendet wurden.