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Wirecard-Untersuchungsausschuss
Welche Rolle hatte Kai Diekmann im Finanzskandal?

Der Fall Wirecard ist einer der größten Fälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland und beschäftigt den Bundestag, Behörden und Medien. In den Fokus der Berichterstattung ist mittlerweile auch Kai Diekmann geraten, der ehemalige Chefredakteur der "Bild"-Zeitung.

Von Daniel Bouhs | 11.02.2021
Kai Diekmann sitzt auf einer Bühne
Kai Diekmann soll sich für den Finanzdienstleister Wirecard engagiert haben (Imago / Future Image)
Im ARD-Politmagazin "Monitor" war vor kurzem das "größte Lügenschloss der deutschen Unternehmensgeschichte" Thema. Es geht um Wirecard und die Frage, wer das Unternehmen eigentlich beraten hat. Aktiv war auch der einstige "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann - für "Monitor" "bestens vernetzt".
"Wie leidenschaftlich sich Diekmann für Wirecard einsetzen wollte, zeigt eine E-Mail von Anfang 2020 an Firmenchef Markus Braun. Diekmann schreibt: 'Wann immer Sie etwas auf dem Herzen haben sollten, bin ich jederzeit verfügbar.'"

Diekmann soll sich für Wirecard eingesetzt haben

Auch der "Spiegel" zitiert aus den Mails, ausführlicher noch der Rechercheverbund von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Demnach soll Diekmann etwa Kontakt zum Bundesfinanzministerium aufgenommen haben. Das Ziel: sogenannte Leerverkäufe verbieten, um zu verhindern, dass Aktien etwa von Wirecard zum Spielball von Spekulanten werden.
Danyal Bayaz, Wirtschaftspolitiker von Bündnis 90/Die Grünen
Aufarbeitung des Wirecard-Skandals - "Offenbar hat keiner seinen Job gemacht"
Im Bilanzskandal bei Wirecard habe Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mindestens fahrlässig gehandelt, sagte der Grünen-Politiker Danyal Bayaz im Dlf.
Bei der Berater-Frage spielt Diekmann eigentlich nur eine Nebenrolle - etwa neben dem früheren Spitzenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg. Diekmann interessiert Medien und Teile der Politik zweifellos vor allem, weil er fast 15 Jahre die "Bild"-Zeitung geleitet hat.
"Und da Medien ja auch über Medienmacht verfügen, insbesondere die 'Bild'-Zeitung, ist das natürlich ein relevanter Vorgang, wenn die sich einspannen lassen für ein solches kriminelles Netzwerk", sagt Fabio De Masi, Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag - wenngleich Diekmann beim "Bild"-Verlagshaus Axel Springer schon seit vier Jahren raus ist. Um mehr über sein Engagement zu erfahren, wollen De Masi und einige weitere Abgeordnete Diekmann vor den Wirecard-Untersuchungsausschuss laden.

"Horizont" erhält Abmahnung wegen Berichterstattung

Mehrdad Amirkhizi vom Branchendienst "Horizont" brachte schon im August vergangenen Jahres die Schlagzeile: "Worüber Kai Diekmann gern redet - und worüber lieber nicht". Der Medienjournalist hatte Diekmann angerufen. Der wollte aber nichts zu Wirecard sagen und wimmelte Amirkhizi mit einem launigen Spruch ab - den der wiederum aufschrieb.
"Ich habe dann einen entsprechenden Bericht gemacht und der Verlag bekam dann kurz darauf Post vom Rechtsanwalt von Herrn Diekmann, der abmahnte, dass Herr Diekmann in diesem Bericht zitiert worden sei."
Auch gegenüber dem Deutschlandfunk schweigt Diekmann zu Details: Er äußere sich nicht zu Mandanten - tatsächlich ein eisernes Prinzip der PR-Szene.

Diekmann: Investment "ärgert mich die Hölle"

Am Mittwochabend lud Diekmann in einem Videogespräch mit dem Branchendienst turi2 in die Räume der Agentur Storymachine ein, an der Diekmann beteiligt ist. Das Publikum fragte auch nach Wirecard. Diekmann betonte: Mit Storymachine habe das damalige Engagement nichts zu tun. Er sei für die Agentur Edelman aktiv gewesen - für die wiederum auch zu Guttenberg tätig ist.
"Aus der Retrospektive sieht immer alles ganz doof aus", sagt Diekmann, der dann auch austeilt: Nicht deutschen, sondern britischen Journalisten seien die Probleme bei Wirecard aufgefallen. Er selbst habe Experten vertraut: Analysten, der Finanzaufsicht, den hiesigen Medien.
"Ich bin dort diesen Experten genauso auf den Leim gegangen wie viele andere auch. Und ich kann es noch mal wiederholen: Kein anderes Investment hat mich so viel Geld gekostet wie mein Investment in Wirecard. Und Du kannst mir glauben: Das ärgert mich die Hölle."
Illustration eines Handys auf dem Geldstücke liegen.
Regulierung von Fintechs - Zwischen Kontrolle und Innovationsförderung
Der Wirecard-Skandal hat den Finanzmarkt schwer getroffen. Auch die sogenannte Fintech-Branche steht vor der grundlegenden Frage, ob mehr Aufsicht und strengere Regeln notwendig sind.
Diekmann geht auch in einem weiteren Punkt gegen "Horizont" vor. Er möchte nicht als "Chef" von Storymachine bezeichnet werden - er habe die Agentur nur mitgegründet. Und auch die Leitung von tagesschau.de meldet auf Anfrage: Sie habe "juristische Auseinandersetzungen mit Herrn Diekmann, die andauern".

Untersuchungsausschuss will Diekmann befragen

Die ARD leistet also Widerstand - ebenso der Verlag von "Horizont"-Journalist Amirkhizi. Der glaubt: Juristisch gegen Details vorzugehen, sei der Versuch, einen ganzen Bericht zu diskreditieren.
"Und der zweite Punkt ist natürlich auch, dass ich das Gefühl habe, dass mit ständigen Interventionen von Rechtsanwälten natürlich auch so ein bisschen was versucht werden könnte, wie die Gegenseite mürbe zu machen und vielleicht davon abzubringen, weiter zu bohren, weiter zu recherchieren, wenn man dann denkt: Ach komm, jedes Mal den Ärger mit diesen Rechtsanwälten, das wollen wir dann irgendwie doch nicht."
Sollte Diekmann vor den Wirecard-Untersuchungsausschuss geladen werden, müsste er selbst Details offenbaren. Fabio De Masi mahnt jedoch: Die Koalition wolle den Ausschuss bald schließen. Der Abgeordnete überlegt mit anderen, dagegen zu klagen - auch damit Kai Diekmann doch noch aussagen muss.