
Union und SPD warben erwartungsgemäß für ihre Pläne. Der CDU-Vorsitzende Merz erklärte, die Sicherheitslage in Europa sei besorgniserregend. Weitreichende Entscheidungen duldeten daher keinen Aufschub. Höhere Ausgaben für die Verteidigungsfähigkeit seien dabei ebenso wichtig wie die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Merz fügte hinzu, dass man den Grünen deutlich entgegenkomme. So solle das sogenannte Sondervermögen für Infrastruktur durch Investitionen in den Klimaschutz ergänzt werden. Zudem wolle man die geplante Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben - wie von den Grünen gefordert - auch auf den Zivil- und Bevölkerungsschutz ausweiten.
Klingbeil (SPD): Nachkriegsordnung ins Wanken geraten
SPD-Fraktionschef Klingbeil sagte, Deutschland müsse nach dem Kurswechsel in den USA sicherheitspolitisch eine Führungsrolle in Europa einnehmen. Dabei gehe es auch um wirtschaftliche und soziale Stärke. Er betonte, die internationale Nachkriegsordnung sei durch die Unberechenbarkeit der US-Regierung ins Wanken geraten. Zugleich nähmen die Provokationen Russlands gegenüber der NATO zu. Klingbeil betonte, an die Grünen gebe es die feste Zusage, dass die geplanten Kredite nur für Investitionen verwendet würden.
Dröge (Grüne): Keine Zustimmung in der jetzigen Form
Grünen-Fraktionschefin Dröge erwiderte, ihre Partei verlasse sich nicht auf mündliche Zusagen, sondern nur auf das, was in den Gesetzestexten von Union und SPD stehe. Diesen könne man in der jetzigen Form nicht zustimmen. Dröge verwies zudem darauf, dass ihre Partei der Union vor der Bundestagswahl einen Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse gemacht habe. Diesen habe Fraktionschef Merz aber aus politischem Kalkül abgelehnt.
Baumann (AfD) spricht von Verachtung für Demokratie
Der Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Baumann, warf Union und SPD Verachtung für die Demokratie und den Wählerwillen vor. Es gebe keinen Grund, die Grundgesetzänderungen noch im "alten" Bundestag durchzupeitschen. Der FDP-Politiker Vogel erklärte, Union und SPD nutzen die Weltlage als Vorwand, um notwendige Reformen in Deutschland aufzuschieben und teure Wahlversprechen zu finanzieren.
Lindner: "Wer sind Sie? Und was haben Sie mit Merz gemacht?"
Der scheidende FDP-Vorsitzende und frühere Finanzminister Lindner warf Merz vor, seine Überzeugungen für das Amt des Bundeskanzlers zu opfern. Wörtlich sagte Lindner: "Sie hier vorne in der ersten Reihe: Wer sind Sie? Und was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?". Merz habe plötzlich eine ganz andere wirtschaftspolitische Haltung als noch vor der Bundestagswahl.
Reichinnek (Linke): "Zutiefst undemokratisch"
Die Ko-Fraktionschefin der Linken, Reichinnek, nannte die Pläne für die Abstimmung im "alten" Bundestag zutiefst undemokratisch. Union und SPD hätten offenbar Angst vor den neuen Mehrheiten im Bundestag. Dort hat die Linke deutlich an Gewicht gewonnen, und ihre Stimmen wären für eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Reichinnek betonte, einem "Blankoscheck für Aufrüstung" werde ihre Partei nicht zustimmen.
Abstimmung in beiden Kammern mit Zweidrittel-Mehrheit
Die Abstimmung über die Grundgesetzänderungen soll am kommenden Dienstag stattfinden. Ende nächster Woche wäre ein Beschluss dann Thema im Bundesrat. Kernpunkt der Pläne von Union und SPD ist zum einen, die Schuldenbremse zu lockern, um die Ausgaben für die Verteidigung tatsächlich deutlich anheben zu können. Zudem soll ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die teilweise marode Infrastruktur Deutschlands ermöglicht werden. Am Nachmittag befasst sich zudem der Haushaltsausschuss in einer Anhörung von Fachleuten mit dem Thema.
Für die dafür notwendige Änderung des Grundgesetzes ist eine Zweidrittel-Mehrheit in beiden Parlamentskammern erforderlich - und damit auch eine Zustimmung von Grünen oder FDP im jetzigen Bundestag.
Klagen gegen Einberufung des Bundestags
AfD und Linke haben gegen die Einberufung des aktuellen Bundestages Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie sehen die Rechte der neu gewählten Abgeordneten verletzt. In der Zusammensetzung des künftigen Bundestags wäre eine Zweidrittel-Mehrheit nur mit Zustimmung von Linken oder AfD möglich.
"Seltsame Atmosphäre" im Reichstagsgebäude
Hauptstadt-Korrespondentin Ann-Kathrin Büüsker sagte im Deutschlandfunk, die Atmosphäre im Bundestag sei ein wenig seltsam. Normalerweise würde das Plenum jetzt vorbereitet für die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages - aber das gehe nun alles nicht. Stattdessen werde alles nochmal hergerichtet für die alten Fraktionsstärken. Und auch BSW und FDP - beide nicht mehr im neuen Bundestag vertreten - seien noch einmal dabei, auch wenn deren Abgeordneten bereits ihre Büros leerräumten. Grundsätzlich werde die Debatte sicher von der Frage der Legitimität des Vorgehens von Union und SPD bestimmt, betonte Büüsker.
Appell von Politologen: "Einigt euch!"
Die Sondersitzung des Bundestages wird auch von Protesten und Appellen begleitet. So haben 18 namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich Sicherheit und Verteidigung ein Schreiben verfasst, das sich an Union, SPD, und Grüne, aber auch an die FPD richtet. Sie fordern eine sofortige Einigung auf eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Der Appell wurde initiiert von den Politologen Carlo Masala, Christian Mölling und Claudia Major.
In dem Schreiben heißt es wörtlich: "Wir sind Wissenschaftler*innen, die verschiedene Disziplinen repräsentieren und die auch zu den einzelnen Vorschlägen verschiedene Meinungen haben. Aber trotz unserer Unterschiedlichkeit eint uns ein gemeinsames Ziel: Die Frage nach der Finanzierung deutscher und damit auch europäischer Sicherheit duldet keinen Aufschub und keine Taktik." Es folgen die Worte - in Großbuchstaben: "EINIGT EUCH!"
Zu den weiteren Unterzeichnern gehören unter anderem der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, Michael Zürn vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) und die Osteuropa-Expertin Sabine Fischer.
Protestaktion auch von "Fridays for Future"
Auch die Bewegung "Fridays for Future" ruft zu einer Protestaktion vor dem Konrad-Adenauer-Haus - der CDU-Parteizentrale - aufgerufen. Die Klimaaktivisten kritisieren vor allem, dass das geplante Sondervermögen keine Maßnahmen zum Klimaschutz beinhalte: "Klimaschutz ist keine Randnotiz, sondern die Grundlage unserer Zukunft", sagte Sprecherin Egeling.
Bundestag - Lockerung der Schuldenbremse und Sondervermögen: Fragen und Antworten zur Abstimmung über das Finanzpaket von Union und SPD
Diese Nachricht wurde am 13.03.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.