Das Park Grass Experiment am britischen Agrarforschungszentrum Rothamsted Research ist weltweit ohnegleichen. Der Biologe Jonathan Storkey weiß warum:
"Das Experiment, an dem ich arbeite, startete bereits 1856. Das war zu Zeiten von Charles Darwin. Wir haben Messdaten von jenem Jahr an durchgängig bis heute. So können wir verfolgen, was sich über die ganze Zeit hinweg verändert hat. Das ist eine einzigartige Chance."
Beim Park Grass Experiment geht es um folgende Frage: Wie reagieren Wiesenflächen beziehungsweise die darauf wachsenden Pflanzengemeinschaften auf unterschiedliche Mengen an Dünger. Das Experiment umfasst eine knapp drei Hektar große Wiese in der Nähe des Forschungszentrums. Die Wiese ist in rund 80 kleine Parzellen unterteilt. Die Teilflächen haben über die Jahrzehnte hinweg regelmäßig Stickstoffgaben in unterschiedlicher Höhe erhalten. Einige Parzellen wurden zur Kontrolle gar nicht gedüngt, manche nur mit Kalk behandelt. Zwei Mal im Jahr wird alles gemäht, einmal im Sommer, einmal im Herbst.
"Im Park Grass Experiment zeigt sich ein große Bandbreite der Artenvielfalt. Auf manchen Parzellen wachsen nur noch zwei oder drei Arten, auf anderen sind es 40 Arten. So kann man beobachten, wie sich Veränderungen im Düngermanagement und Umweltveränderungen auf die Vielfalt auswirken."
Die geringste Vielfalt an Gräsern und Kräutern findet sich heute auf den am stärksten gedüngten Parzellen. Dort haben Pflanzen, die Stickstoff besonders gut verwerten können, alle anderen Arten verdrängt. Doch auch auf den unbehandelten Kontrollflächen verzeichneten die Forscher von Rothamsted seit den 1940er Jahren einen steten Rückgang der Biodiversität.
"Das war eine Folge der steigenden Luftverschmutzung. Durch den Einsatz fossiler Brennstoffe gelangen mehr Stickoxide und Ammonium als Schadstoffe in die Atmosphäre. Mit dem Regen kommen sie auf die Erde zurück und wirken wie Stickstoffdünger aus der Luft. Dadurch stieg die Fruchtbarkeit im gesamten Experiment einschließlich der Flächen, die niemals andere Düngergaben erhielten."
Stickstoffeinträge aus der Luft gelten in Industrieländern als einer der Auslöser dafür, dass die Pflanzenvielfalt allgemein in der Landschaft zurückgegangen ist. Doch dieses Bild könnte sich wandeln. Zumindest im Park Grass Experiment beobachten die Forscher seit einigen Jahren wieder einen deutlichen Anstieg der Biodiversität. Der Anteil von Krautpflanzen in den Wiesen sowie weitere statistische Indikatoren für die Artenvielfalt haben sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Der Umschwung setzte um die Jahrtausendwende ein.
"Die Flächen sehen heute wieder so aus wie in den 1950er und 60er Jahren. Sie haben sich also erholt. Das kommt durch die wieder verringerte Luftverschmutzung. Was viel gebracht hat, war die Einführung von Katalysatoren bei den Autos. Die Abgase enthalten jetzt weniger Schadstoffe. Wir sehen also den Nutzen dieser Luftreinhaltungspolitik."
Für Jonathan Storkey zeigen solche Ergebnisse auch die Stärke von Langzeitprojekten wie dem Park Grass Experiment. In der freien Natur wäre es schwer zu erkennen, welche Faktoren tatsächlich für bestimmte Veränderungen verantwortlich sind. Bei Versuchen, die immer mit den gleichen Randbedingungen arbeiten, ergibt sich ein klareres Bild.
"Ich denke, das sind gute Nachrichten. Es zeigt, dass der Aufwand, um die Luftverschmutzung einzudämmen, nicht nur der menschlichen Gesundheit, sondern auch der Biodiversität zu Gute kommt. Unsere Ergebnisse sind ermutigend, weil sie zeigen, dass diese negativen Einflüsse auch umkehrbar sind."
Spannend wird in Zukunft die Frage, wie der Klimawandel die Artenvielfalt der Wiesenflächen beeinflusst. Auch hier könnte sich das Park Grass Langzeitexperiment als aufschlussreich erweisen. Die Forschungsarbeiten werden über eine eigene Stiftung finanziert. Damit ist sichergestellt, dass das Experiment auch die nächsten 100 Jahre noch weitergehen kann.