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Wirkung intensiver Landwirtschaft
"Ein Artenverlust von neun Prozent"

Intensive Landwirtschaft steigere zwar die Produktivität, gleichzeitig aber gingen viele Arten verloren, sagte der Biologe Michael Beckmann im Dlf. Er hat den Zusammenhang zwischen Ertragssteigerung und Artenvielfalt untersucht. Am stärksten würden die Pflanzenarten an einer Intensivierung leiden.

Michael Beckmann im Gespräch mit Britta Fecke |
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf einem Feld in Hamburg, Deutschland
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf einem Feld in Hamburg Deutschland (imago stock&people)
Britta Fecke: Eine immer mehr auf Effizienz und Ertrag getrimmte Landwirtschaft fordert Opfer. So ließen sich zwar immer mehr Tiere auf wenig Raum immer schneller bis zur Schlachtreife züchten, so dass das Fleisch auch stetig billiger wurde. Doch die Auswirkungen auf die Umwelt kommen uns auch immer teurer zu stehen, etwa wenn das Trinkwasser mühsam aufbereitet werden muss, weil das Grundwasser durch die Gülle aus der Massentierhaltung mit Nitrat belastet ist. Die auf Effizienz und Ertrag getrimmte Landnutzung hat aber noch andere Auswirkungen, etwa auf die Artenvielfalt auf Acker und Weiden.
Das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig hat den Zusammenhang zwischen Artenvielfalt und Ertragssteigerung untersucht. Von Dr. Michael Beckmann, Biologe beim UFZ, wollte ich wissen, wie viele und auch welche Arten verdrängt werden, wenn noch mehr Ertrag auf derselben Fläche erwirtschaftet werden soll.
Michael Beckmann: Was wir jetzt in dieser Studie herausgefunden haben – es ist eine Übersichtsstudie, wo wir sehr, sehr viele Ergebnisse aus anderen Studien zusammengefasst haben, so eine Art Mittel abgebildet haben, was andere Studien so gefunden haben -, da haben wir gesehen, dass generell auf der ganzen Welt, wenn wir Landnutzung intensivieren, wir im Schnitt 20 Prozent Ertragssteigerung erreichen. Aber gleichzeitig im Schnitt haben wir auch einen Artenverlust von neun Prozent ungefähr aller Arten, die auf diesen Flächen, wo diese Landwirtschaft stattfindet, auch existieren.
Fecke: Neun Prozent klingt eigentlich gar nicht so viel. Wenn ich andere Zahlen sehe wie eine Steigerung von 20 Prozent führt nur zum Verlust von neun Prozent der Arten, dann würde man ja sagen, na gut, das ist eigentlich ein ganz gutes Verhältnis.
Beckmann: Ja, das kann man so sehen. Was wir jetzt natürlich mit dieser Studie auch nicht gemacht haben, ist: Wenn wir jetzt die Artenzahlen uns anschauen, die Anzahl der verschiedenen Arten auf einer Fläche, dann wissen wir ja nichts darüber, ob das jetzt viele Individuen sind. Zum Beispiel beim Insektensterben geht es ja auch gerade um das Thema, dass die Masse der Insekten abnimmt und vielleicht gar nicht mal so viele Arten verloren gehen. Wir haben jetzt genau diese andere Perspektive mit dieser Studie, dass wir uns nur angucken, wie viele Arten weg sind. Das sagt jetzt nicht ganz klar aus, neun Prozent der Arten verloren heißt, auch einfach neun Prozent aller Individuen sind weg. Das kann viel mehr sein, aber muss es auch nicht bedeuten. Das ist vielleicht auch ein Schwachpunkt von der Studie, dass wir da nicht auf so eine Genauigkeit gekommen sind.
115 von 10.000 Studien waren passend
Fecke: Gibt es denn überhaupt viele Vergleichsdaten von einer Fläche, dass eine Erhebung erstellt wurde, wie viele Arten dort lebten, bevor sie landwirtschaftlich genutzt wurde?
Beckmann: Als wir die Studie begonnen haben, haben wir gedacht, das ist ja eigentlich total offensichtlich, dass man Landwirtschaft und Naturschutz oder dass man Arten auf den gleichen Flächen wie dort, wo man Landwirtschaft macht, findet. Und wir dachten, wir finden da sehr, sehr viel in der wissenschaftlichen Literatur, wo auch tatsächlich beide Faktoren untersucht wurden. Dann sind wir doch ein bisschen überrascht gewesen, um es vorsichtig auszudrücken.
Insgesamt haben wir ungefähr 10.000 Studien gesichtet, die in Frage gekommen sind -, dass da tatsächlich am Ende nur 115 Studien übrig geblieben sind, die wirklich gemessene Daten von beiden Faktoren auf den gleichen Flächen untersucht haben. Das ist für uns auf jeden Fall ein wichtiges Ergebnis gewesen, dass wir da auch sehen, wir müssen da vielleicht in der Wissenschaft in Zukunft mehr auf diesen Flächen arbeiten und auch den Artenschutz mit in Betracht ziehen, wenn es um Agrarlandschaften und so weiter geht.
Fecke: Bei Agrarlandschaften, wenn ich an intensiv genutzte Flächen denke, wie zum Beispiel eine Mais-Monokultur, da kann ich mir gar nicht vorstellen, dass da noch so viele Arten außer diesem Mais vorkommen.
Beckmann: Ja, das könnte man jetzt so sehen. Aber bei dem Beispiel Mais denkt man vielleicht am ehesten erst mal an andere Pflanzenarten. Was man dabei vielleicht vergisst ist, dass natürlich dort auch zum Beispiel viele Vogelarten noch auf diesen Flächen vorkommen, oder dass es viele Insektenarten dort auch gibt, oder auch, dass es dort im Boden viele Organismen gibt, die man vielleicht so auf den ersten Blick nicht sieht. Dann haben wir natürlich auch eine Acker-Begleitflora, Unkräuter, die aber auch tatsächlich für den Artenschutz durchaus eine relevante Rolle spielen.
Fecke: Ist da dieser Acker-Randstreifen besonders wichtig?
Beckmann: Ja. Das ist ja sozusagen der Gedanke, dass man am Rand des Feldes weniger Pestizide einsetzt, um tatsächlich auch noch eine gewisse Vielfalt an Unkräutern oder Blühpflanzen zu erhalten, die vielleicht auch von den Menschen geschätzt werden, die auch sonst vielleicht durch die Landwirtschaft verloren gingen.
"Pflanzenvielfalt am stärksten durch Intensivierung getroffen"
Fecke: Wenn die landwirtschaftliche Fläche noch intensiver genutzt wird, welche Arten verschwinden denn Ihrer Erkenntnis nach besonders schnell?
Beckmann: Wir müssen das immer ein bisschen in einem globalen Maßstab betrachten. Im Schnitt auf der ganzen Welt, wenn Landnutzungs-Intensivierung stattfindet, dann leiden die Pflanzenarten am stärksten darunter. Wir sehen, dass die am stärksten auf die Intensivierung reagieren. Insekten oder kleine Tiere, die jetzt vielleicht etwas mobil sind, sind da weniger stark betroffen, aber haben auch einen negativen Effekt von der Intensivierung gezeigt. Und noch weniger sind davon betroffen dann Wirbeltiere.
Fecke: Nun hat man ja auch nicht so viele Wirbeltiere wahrscheinlich auf landwirtschaftlich genutzten Flächen?
Beckmann: Ja.
Fecke: Was, wenn man das überhaupt so allgemein sagen kann, führt denn zu einem Verlust der Artenvielfalt? Besonders viel Pestizid-Einsatz, oder die Überdüngung?
Beckmann: Das ist eine gute Frage. Das muss man immer stark im Kontext betrachten. Die Landnutzungs-Intensivierung hat natürlich viele Facetten. Das kann genauso was sein, was man aufs Feld aufbringt. Das kann aber auch etwas sein, wie stark man das Feld bearbeitet, wie man die Ernte macht, ob das mit kleinen Maschinen oder mit großen Maschinen passiert, oder ob das von Hand passiert. Das macht natürlich einen großen Unterschied. Deswegen könnte ich jetzt so gar nicht sagen, es ist mehr die Düngung oder mehr das Pestizid aufbringen, was da den Effekt hat. Ich würde aber vermuten, dass es wahrscheinlich tatsächlich die Pestizide am Ende sein werden.
"Überdüngung führt zu Verarmung der Flora"
Fecke: Im Moment wird in Deutschland ja heftig diskutiert, um die Düngeverordnung wird gestritten. Wenn ich mir eine sehr artenreiche, sehr bunte Bergwiese anschaue, die nicht gedüngt ist, die sehr nährstoffarm ist, und dagegen diese sehr stark gedüngten, immer wieder mit Gülle zugekippten, wenn ich es so anschaulich sagen darf, Weidegründe zum Beispiel, wo eigentlich außer Löwenzahn, wenn überhaupt, gar nichts anderes mehr steht, was würden Sie raten, wenn es bei dem Streit um die Düngeverordnung geht? Wie könnte man dort vielleicht einen Kompromiss finden, der auch die Biodiversität mitberücksichtigt?
Beckmann: Das ist sicherlich auch immer im Kontext zu betrachten. Die Überdüngung führt letztendlich dazu, dass eine Verarmung der Flora stattfindet, weil nicht alle Arten mit der hohen Nährstoff-Verfügbarkeit auch klarkommen. Oft ist das dann kombiniert mit dem starken Besatz mit Weidetieren, oder auch mit dem sehr intensiven Beernten der Flächen, und das hat natürlich dann wiederum auch zur Folge, dass Arten, die sich mit dieser Art der Beweidung nicht anfreunden können, auch verloren gehen.
Fecke: Unterm Strich: Was würden Sie sagen? Ich weiß, Sie wollen keine Empfehlung aussprechen, oder Sie haben bei der Studie es nicht auf eine Empfehlung abgesehen. Aber dennoch ist es ja so, dass man ableiten kann oder ablesen kann, welche Maßnahmen vielleicht dazu führen könnten, dass die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche, wozu ja auch Wälder gehören oder Weiden und nicht nur die Monokultur, dass diese Flächen genutzt werden können und trotzdem die Artenvielfalt nicht so zurückgedrängt wird in diesen Lebensräumen, weil auch die ja für Kiebitz oder Feldlerchen, um mal prominente Arten zu nennen, weil ja auch die auf landwirtschaftlichen Flächen noch ihren Lebensraum gefunden haben?
Beckmann: Generell muss man sagen, Intensivierung hat im Schnitt auf jeden Fall einen negativen Effekt auf die Arten. Das sollte man vielleicht nicht vergessen. Das ist vielleicht das allerwichtigste. Was man aber auch sagen muss ist: Wir brauchen einfach tatsächlich mehr Informationen über solche Flächen, wie Sie sie gerade beschrieben haben: Was passiert im Einzelfall? Gehen Arten verloren, wenn Intensivierung stattfindet? Oder findet das eben nicht statt, wenn wir intensivieren?
Das ist ganz spannend herauszufinden, in Einzelfällen vielleicht, woran liegt das denn, dass in manchen Fällen tatsächlich Intensivierung keinen Schaden bei den Arten hervorruft, oder keinen Verlust von den Arten. Das muss, glaube ich, die Forschung in den nächsten Jahren mehr ins Auge fassen, dass wir versuchen, das besser zu verstehen, und auch daraus dann Handlungsempfehlungen ableiten, in welchen Fällen ist Intensivierung tatsächlich nicht schädlich für bestimmte Artengruppen und in welchem Kontext.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.