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Wirtschaft
Dauerkritik am deutschen Außenhandel

Die Stärke deutscher Unternehmen und die damit verbundenen Exportüberschüsse werden immer wieder kritisiert. Es sei eigentlich eine Kritik an den schwachen Importen, sagte Daniel Gros vom Brüsseler Think Tank CEBS im DLF. "Wenn die Deutschen mehr konsumieren würden, dann würden vielleicht auch mehr Arbeitsplätze im Süden von Europa entstehen."

Daniel Gros im Gespräch mit Sandra Pfister |
    Sandra Pfister: Deutschland sitzt wegen seiner Exportüberschüsse ständig auf der Anklagebank. Laut jüngsten Medienberichten soll jetzt angeblich sogar die Bundesregierung das deutsche Exportproblem anerkennen. Sie ist also offenkundig auch der Meinung, dass die Stärke deutscher Unternehmen anderen Ländern schadet. Ist das so und kann die Bundesregierung alleine wirklich etwas daran ändern? – Wir haben Daniel Gros vom Brüsseler Think Tank CEBS um eine Einschätzung gebeten. Ich habe ihn vor der Sendung gefragt, ob er findet, dass die Dauerkritik an deutschen Exportüberschüssen gerechtfertigt ist.
    Daniel Gros: Es gibt gar keine Kritik an den deutschen Exporten. Wenn man genauer hinsieht, merkt man ja, dass die Kommission und auch die Amerikaner vorher niemals die deutschen Exporte kritisiert hatten, sondern nur die Schwäche der deutschen Importe, und darum genau geht es auch der Kommission. Die sagt einfach: Wenn die Deutschen mehr konsumieren würden, mehr investieren würden, dann würden vielleicht auch mehr Arbeitsplätze im Süden von Europa entstehen, und das würde Europa zugutekommen.
    Pfister: Und hat die Kommission, haben die anderen Kritiker recht?
    Kritik an der Importschwäche
    Gros: Wie gesagt, das ist keine Kritik an den deutschen Exporten, sondern nur an der Importschwäche, und da ist es ganz klar, dass schon die deutsche schwache Nachfrage im Inland den anderen Ländern einige Probleme bringt. Natürlich nicht alle Probleme. Es ist klar: Die Euro-Krise lag nicht an Deutschland, sondern an den hausgemachten Fehlern woanders. Aber es stimmt schon, dass den anderen Ländern es etwas besser gehen würde, wenn die Deutschen mehr konsumieren würden und mehr investieren würden. Die Frage ist nur: Wie kann man das erreichen?
    Pfister: Da haben Sie bestimmt eine Antwort.
    Gros: Darauf gibt es leider keine einfache Antwort, denn wenn es einen einfachen Knopf gäbe, auf den man einfach drücken müsste, um zu sagen, so, jetzt wird in Deutschland mehr konsumiert, ich glaube, auf diesen Knopf hätte auch eine Bundesregierung schon gedrückt. Nur gibt es ihn nicht. In einer Marktwirtschaft entscheidet jeder selbst, wie viel er ausgeben möchte, wie viel er sparen möchte, und daran kann auch eine Regierung wenig ändern, und genau das ist jetzt das Dilemma für die Kommission in Brüssel.
    Pfister: Aber die klassische Argumentation wäre, zu sagen, wir erhöhen die Löhne. Die Bundesregierung wirkt darauf hin, auch wenn es eine Tarifautonomie gibt, die Löhne zu erhöhen.
    Kommission tut sich mit Lösungsansätzen schwer
    Gros: Das ist natürlich eine mögliche Antwort. Aber selbst auf diesem Gebiet tut sich natürlich die Kommission schwer, denn sie sagt ja allen anderen Ländern, bitte erhöht die Löhne nicht, damit ihr wettbewerbsfähiger werdet, und außerdem ist die Kommission allgemein gegen Lohnuntergrenzen und Mindestlöhne, weil sie halt denkt, dass dadurch der Wettbewerb im Markt verzerrt wird. Deswegen tut sich die Kommission gerade mit diesem Lösungsansatz in Deutschland sehr, sehr schwer, obwohl Sie sicher recht haben, dass es im spezifischen Fall Deutschland jetzt für die anderen Länder vielleicht gut wäre, wenn die Mindestlöhne in Deutschland jetzt eingeführt werden und danach dann die Löhne kräftig steigen würden.
    Pfister: Lässt sich sagen, welche Länder denn besonders profitieren würden, wenn Deutschland mehr importieren würde?
    Länder um Deutschland wären Importe besser dran
    Gros: Wenn nur Deutschland mehr importieren würde, dann wären vor allem die Länder um Deutschland besser dran: die Schweiz, Holland, in gewisser Hinsicht Frankreich, aber auch Länder wie Russland und China, die viel nach Deutschland exportieren. Die Länder in Südeuropa hätten davon relativ wenig. Das ist gerade das Problem. Die Länder, die von der deutschen Importnachfrage profitieren würden, das sind Länder, die selber eine sehr schwache Binnennachfrage haben und selber noch größere Exportüberschüsse haben als Deutschland. Deswegen fragt man sich da natürlich: Macht es denn Sinn, dass man Druck auf Deutschland macht, damit es seine Importe erhöht, und das dann vielleicht andere Exportüberschüsse noch mehr erhöht und im Endeffekt für die EU als Ganzes relativ wenig bringt.
    Pfister: Daniel Gros vom Brüsseler Think Tank CEBS hat uns geholfen, die deutschen Exportüberschüsse einzuordnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.