Verschrumpelte Haut, blutige Gesichter: Zombies kennt man normalerweise von Halloween und aus Hollywood. Einige Volkswirte gehen aber davon aus, dass Untote demnächst häufiger auch real anzutreffen sind – zumindest in Form von Firmen:
"Wir haben im Rahmen des Ökonomenpanels von ifo und FAZ die VWL-Professoren befragt und da gab's wirklich eine überwältigende Anzahl der Kollegen, die gesagt haben, dass sich die Anzahl der Zombiefirmen seit Beginn der Coronakrise deutlich erhöht hat", sagt Niklas Potrafke vom Münchener ifo-Institut.
Überleben dank staatlicher Hilfe
Gemeint sind damit Unternehmen, deren Geschäftsmodell eigentlich nicht mehr trägt und die in der Coronakrise nur noch dank der staatlichen Hilfen existieren. Vor allem die laxeren Regeln für die Insolvenzanmeldung und das verlängerte Kurzarbeitergeld kämen solchen Firmen zugute, sagt Potrafke:
"Wenn Sie wissen, dass Sie ein Geschäftsmodell haben, das eigentlich nicht trägt, dann müssten sie sich damit auseinandersetzen, was eine Alternative ist. Und dann gibt es unterschiedliche individuelle Gründe, warum man nicht zumacht: Vielleicht weil man sich das nicht eingestehen will, weil man an einem Familienunternehmen hängt oder Ähnliches."
Beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung – dem Forschungsarm der Bundesagentur für Arbeit – hält man die Sorge vor Zombiefirmen für übertrieben. In vielen Branchen würden Unternehmen trotz der staatlichen Hilfen Arbeitsplätze abbauen, sagt IAB-Forscher Enzo Weber. Das gelte insbesondere für kleine Firmen mit weniger Kündigungsschutz, aber auch für große Konzerne:
"Also in der Industrie, da sinkt die Beschäftigung und zwar ziemlich deutlich. Bei den Fluggesellschaften zum Beispiel, da werden Kapazitäten in großem Stile stillgelegt. Also da kann man nicht sagen, dass da keine Anpassung stattfindet."
Ähnlich hat sich auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD kürzlich geäußert. Allerdings räumt der Arbeitsmarktforscher Weber ein: Das Risiko, dass die Hilfen eine Anpassung der Wirtschaft verzögerten, sei dennoch gegeben. Denn die Coronakrise sei nicht nur ein Konjunktureinbruch, sondern verändere auch die Wirtschaftsstruktur. Noch mehr Menschen kaufen jetzt verstärkt online, setzen auf Videokonferenzen statt Reisen und kaufen sich ein Elektro- oder Hybridauto. Nur: Das müsse auch erkannt werden.
"Es besteht sicherlich im Moment die Gefahr, dass wir den Wandel, der in der Wirtschaft abläuft mit Digitalisierung, mit ökologischer Transformation und anderem, dass wir den verzögern, dadurch, dass wir versuchen, die bestehenden Jobs zu erhalten."
Wirtschaft muss sich weiterentwickeln
Doch wie soll der Staat feststellen, ob das Geschäftsmodell einer Firma noch funktioniert – diese also Unterstützung "verdient" hat? Niklas Potrafke vom Münchener ifo-Institut hält das für schwierig:
"Also ich selbst glaube, dass es keine überzeugende Alternative gibt. Man kann das sozusagen nicht wirklich richtig trennen."
Der Staat müsse sich also entscheiden, entweder zu helfen und damit Zombiefirmen in Kauf zu nehmen – oder eben einfach deutlich weniger zu tun, sagt Potrafke. Letzteres wäre seiner Ansicht nach gar nicht so unsozial, wie es auf den ersten Blick vielleicht klinge:
"In den letzten Jahren, wo es einfach gut gelaufen ist, da wurden quasi die Gewinne privatisiert und jetzt...an einigen Stellen wurden Verluste eben sozialisiert. Und das ist auch was, was schwierig ist."
Hilfe an bestimmte Maßnahmen knüpfen
Diese Lösung würde den Staat aber auch belasten - die Arbeitslosigkeit würde steigen, der Konsum zurückgehen, die Konjunktur sich weiter abschwächen. Enzo Weber vom IAB findet es daher richtig, dass der Staat so viel hilft. Er sagt aber auch: Nachdem die Regierung lange auf erhaltende Maßnahmen gesetzt habe, müsse sie nun dafür sorgen, dass sich die Wirtschaft weiterentwickele:
"Das heißt zum Beispiel, Kurzarbeitergeld systematisch mit Qualifizierung verbinden und auch bestimmte Vergünstigungen, wie zum Beispiel die Erstattung der Sozialbeiträge, wirklich daran knüpfen, dass qualifiziert wird. Oder auch durch ein Bafög für Zweitausbildungen."
Damit ließe sich verhindern, dass staatliche Hilfen einfach nur abgerufen werden – ohne Beschäftigte weiter zu qualifizieren.