"Remigrations-Pläne"
Wirtschaft wendet sich gegen AfD

In Unternehmen formiert sich Widerstand gegen rechtsextreme Tendenzen in Deutschland. Etliche deutsche Unternehmenschefs, etwa vom Software-Konzern SAP, vom Chiphersteller Infineon, vom Stiftungskonzern Bosch oder Chemiekonzern Evonik nennen das Erstarken der AfD eine Bedrohung für die größte europäische Volkswirtschaft.

    Christian Klein, Vorstandssprecher des Softwarekonzerns SAP, gestikuliert bei der Bilanzpressekonferenz.
    SAP-Vorstandssprecher Christian Klein sieht im Erstarken der AfD ein "großes Problem". (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Der SAP-Vorstandsvorsitzende Christian Klein sprach im Deutschlandfunk von einer gefährlichen Entwicklung. SAP beschäftige an seinen Standorten viele ausländische Mitarbeiter. Diese Top-Talente aus Asien, den USA oder anderen Ländern seien wichtig für sein Unternehmen. Wenn solche Mitarbeiter sich nicht mehr willkommen in Deutschland fühlten, sei das ein großes Problem für die Wirtschaft.

    "Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland"

    Auch der Chef von Infineon, Jochen Hanebeck, schrieb, "Hass und Ausgrenzung dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Die Idee der sogenannten Remigration ist unmenschlich", fügte er in Anspielung auf ein Geheimtreffen mit AfD-Beteiligung in Potsdam hinzu. Der Geschäftsführer des Düsseldorfer Flughafens, Lars Redeligx, sagte, solche Abschiebediskussionen machten es notwendig, sich zu äußern. "Diese verfassungsgefährdenden Gedanken sind Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland", sagte er. "Es bedroht unser friedliches Zusammenleben, es bedroht unseren Wohlstand und sendet ein fatales Signal in die Welt."

    "Auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen"

    Der Chef des Technologieriesen Bosch, Stefan Hartung, erklärte: "Als internationales und global agierendes Unternehmen setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland ein weltoffenes Land bleibt, und wir erteilen jeglicher Position zur Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung eine klare Absage." Es gebe keine einfachen Lösungen für die enormen Herausforderungen dieser Zeit. Die Gesellschaft könne sie nur bewältigen, wenn sie zusammenstehe und Werte wie Vielfalt, Chancengerechtigkeit und die Teilhabe aller aufrechterhalte. Bosch betreibt wie Infineon eine große Fabrik in Dresden und ist als globaler Arbeitgeber darauf angewiesen, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen.
    Evonik-Chef Christian Kullmann hatte sich bereits im November geäußert: "Alle, die in diesem Land Verantwortung tragen, müssen klar Stellung beziehen" zur AfD, die "unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft, unserer Zukunft schadet", hatte er gesagt. Auch der Aufsichtsratschef von Siemens Energy, Joe Kaeser, hatte vor einigen Wochen vor einem Erstarken der AfD gewarnt. Andere Unternehmen wie der Optikelektronikkonzern Jenoptik haben Werbekampagnen für Vielfalt und Offenheit entwickelt.

    Geheimtreffen mit AfD-Beteiligung zu "Remigration"

    Auslöser auch für die Aussagen von Unternehmenschefs, die sich normalerweise mit politischen Aussagen zurückhalten, sind Berichte über ein Treffen in Potsdam, an dem auch zwei hochrangige AfD-Funktionäre, Mitglieder der rechtskonservativen Werteunion und ein CDU-Mitglied teilgenommen hatten. Dabei soll es um Pläne für Massenabschiebungen von Bürgern ausländischer Herkunft gegangen sein, was die Teilnehmer selbst aber dementieren. Seit längerem warnen Wirtschaftsvertreter hinter den Kulissen davor, dass Deutschlands Image und die Bemühungen um ausländische Fachkräfte beschädigt werden könnten, wenn die Rechtspartei AfD weiteren Auftrieb erhält. Sie könnte laut Umfragen stärkste Kraft etwa bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden.

    Feaser hatte schon vor Wochen "klare Position" der Wirtschaft gefordert

    Bundesinnenministerin Faeser hatte die Wirtschaft schon Anfang Dezember aufgefordert, stärker Position gegen die AfD zu beziehen. Ohne Widerspruch gebe es eine weitere schleichende Normalisierung von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Positionen, sagte die SPD-Politikerin dem "Handelsblatt". Es sei auch Sache der Wirtschaft, deutlich Haltung zu zeigen. Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die CDU-Politikerin Connemann, verlangte ebenfalls klare Worte. Die AfD stünde für "Instabilität, Abschottung und nationale Sonderwege". Ihr Parteikollege, der stellvertretende CDA-Vorsitzende Bäumler meinte, das Schweigen in den Schaltzentralen der deutschen Wirtschaft zeige erschreckende Geschichtsvergessenheit. Kritik kam auch von Grünen und FDP.