Die deutsche Wirtschaft leidet unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, für Kleinbetriebe, Geschäfte, Restaurants, Selbstständige und Künstler ist die Situation jetzt schon schwer – und die kommenden Woche werden noch schwerer werden und auch große Unternehmen vor Herausforderungen stellen.
Die Bundesregierung, tue alles, um die wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern und Arbeitsplätze zu erhalten, versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer historischen Fernsehansprache am Dienstagabend. Zu den wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung und den geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Dlf-Interview.
Deutschlands Wirtschaft und das Coronavirus
Die Börsen brechen ein, Geschäfte müssen schließen, demnächst gibt es womöglich Ausgangssperren. Neben wenigen Corona-Gewinnern gibt es vor allem Verlierer. Die Politik hilft, doch kann das reichen? Ein Überblick.
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Das angekündigte Notfall-Anleihenkaufprogramm der EZB in Höhe von 750 Milliarden Euro sei eine sehr weitreichende Maßnahme, die das Ziel habe, das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte zu stärken, sagte Altmaier. Er hoffe, dass die EZB-Entscheidung dazu führe, dass an den Börsen klar werde, dass Europa seine Interessen wahren werde und entschlossen sei, diese Krise zu meistern. Es müsse verhindert werden, dass der Euroraum insgesamt in eine Schieflage komme, etwa dadurch, dass einzelne Mitgliedsstatten in eine schwierige Situation gerieten.
Dossier - Was man zum Coronavirus wissen muss
Wie gefährlich ist das Virus? Welche Rechte haben Verbraucher und Arbeitnehmer? Und welche Folgen hat das Virus für die Wirtschaft? Wir klären die relevanten Fragen.
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Im nationalen Rahmen sei es Ziel der Bundesregierung, dass die bereits vergangene Woche angekündigten Maßnahmen schnell und umfassend zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werde sehr genau geschaut, wo es noch Lücken und die Notwendigkeit zum Handeln gebe. Es gehe jetzt nicht darum ideologische Debatten über Kredite oder Zuschüsse zu führen. "Entscheidend ist, dass wir schnell und unbürokratisch helfen", betonte Altmaier.
Lesen Sie hier das Interview in voller Länge.
"Europa wird seine Interessen wahren"
Silvia Engels: Schauen wir zunächst aufs große Ganze in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Auch die europäische Geldpolitik schaltet sich nun in die Corona-Krise ein. Die Europäische Zentralbank hat in der Nacht angekündigt, mit einem Notfall-Anleihekauf-Programm in Höhe von 750 Milliarden Euro den Euro zu stützen. Wie ordnen Sie das ein?
Peter Altmaier: Nun, das ist eine sehr weitreichende Maßnahme der Europäischen Zentralbank, die zum Ziel hat, das Vertrauen internationaler Finanzmärkte zu stärken. Ich glaube, dass es falsch wäre, wenn wir jetzt bei jeder Maßnahme, die irgendwo von der EZB oder von einer nationalen Regierung getroffen wird, das gegenseitig zu kommentieren und zu bewerten. Diese Maßnahme ist getroffen worden und ich hoffe, dass sie heute auch dazu führt, dass an den Börsen, an den Märkten klar wird: Europa wird seine Interessen wahren und Europa ist entschlossen, diese Krise zu überwinden.
Engels: Wir müssen es vielleicht ein bisschen erklären. Es geht um ein Notfall-Anleihekauf-Programm. Ist das vor allem eine Stützung letztendlich der Staatskassen im Euro-Raum, um sich über diesen Weg weiter verschulden zu können, um dann wiederum Konjunkturprogramme für die jeweils heimische Wirtschaft finanzieren zu können?
Altmaier: Diese Anleihekäufe sind ja nicht völlig neu. Sie wurden bereits vor mehreren Jahren eingeführt unter dem EZB-Präsidenten Mario Draghi. Sie waren auch in unterschiedlicher Form durchaus umstritten und diskutiert. Es gab auch rechtliche Verfahren darüber. Das Ziel, das wir alle gemeinsam haben, ist zu verhindern, dass der Euro-Raum insgesamt in eine Schieflage kommt, und das kann geschehen oder könnte geschehen, wenn einzelne Mitgliedsstaaten in eine schwierige Situation geraten.
Ich bin der Auffassung, wir dürfen jetzt aber nicht den Fehler machen, dass jedes Land für sich einfach loslegt, sondern wir müssen über das, was wir tun, auf europäischer Ebene diskutieren und sprechen. Wir werden morgen zusammen sein in einer Telefon-Schaltkonferenz mit den Wirtschaftsministern über den Wettbewerbsfähigkeitsrat der Europäischen Union. Ich stehe auch in engem Kontakt mit dem Industriekommissar Thierry Breton.
"Auch kleine Selbständige, müssen eine Absicherung haben."
Engels: Dann kommen wir vom großen europäischen Bild der Wirtschaft nun auf die Themen, die hier ganz vielen Kleinunternehmen unter den Nägeln brennen. Wir gucken auf die Kredithilfen, die Sie schon angekündigt haben, und natürlich das Ringen im Moment darum auch mit dem Finanzminister, ob man nicht auch Zuschüsse zahlen kann. Da ist das Stichwort ein Notfall-Fonds, der auch gerade kleinen und Kleinstunternehmen zur Hilfe kommen kann, die ja nicht profitieren von erweiterten Kurzarbeitergeld-Regelungen, weil sie normalerweise nur einen Mitarbeiter haben, nämlich sich selbst. Wieviel ist da mittlerweile in Bewegung? Wann können die mit Hilfen rechnen?
Altmaier: Wir sprechen in der Bundesregierung ständig darüber. Das erste Ziel, war dass die Hilfen, die wir angekündigt haben, Olaf Scholz und ich gemeinsam am letzten Freitag, schnell und umfassend zur Verfügung stehen. Wir sind gestern einen großen Schritt weiter gekommen, weil die KfW zusammen mit den Banken inzwischen die ersten Entscheidungen getroffen hat.
Der zweite Punkt ist, dass wir jetzt uns sehr genau darum kümmern, wo es Lücken gibt, wo es die Notwendigkeit gibt, weiter zu handeln, und ich plädiere dringend dafür, dass wir keine ideologische Debatte führen nur über Kredite oder Zuschüsse. Entscheidend ist, dass wir schnell und unbürokratisch helfen. Dafür können auch Zuschüsse in Betracht kommen. Ob man das einen Notfall-Fonds nennt, oder ob man es anders organisiert, das werden wir gemeinsam in der Bundesregierung in den nächsten Stunden diskutieren und entscheiden.
Für mich kommt es darauf an, dass wir erkennen müssen: Erstens, auch ein kleiner Selbständiger, dessen ganzes Kapital seine eigene Person ist, Künstler beispielsweise, Inhaber von Ladengeschäften, wo es nur einen Angestellten gibt, nämlich den Inhaber, und viele andere, die müssen leben, die müssen eine Absicherung haben. Und das zweite ist: Es gibt natürlich laufende Betriebsmittelkosten, die völlig unabhängig davon sind, ob gerade Gewinne gemacht werden, ob Umsätze stattfinden – denken Sie an Ladenmieten beispielsweise, die gezahlt werden müssen, und andere Kosten. Da muss man sehen, was kann abgedeckt werden durch die Betriebsmittel-Kredite und wo muss man gegebenenfalls auch bereit sein, verlorene Zuschüsse zu zahlen.
Hilfen sollen zielgenau sein
Engels: Da haben wir ein gutes Beispiel: die Übernahme von Pacht- oder Mietkosten. Wäre da, weil da ja ein Kredit möglicherweise den sehr knappen Kassen nicht hilft, tatsächlich ein Zuschuss denkbar?
Altmaier: Darüber sprechen wir mit Hochdruck in der Bundesregierung. Wir wollen natürlich denen helfen, die es dringend brauchen. Andererseits wollen wir unsere Hilfe aber auch nicht mit der Gießkanne verteilen, denn es gibt auch Unternehmen, die können eine Durststrecke von zwei oder drei Monaten aus eigener Kraft durchstehen. Die wollen das auch. Deshalb kommt es sehr genau darauf an, diese Hilfe zielgenau zu machen, und es kommt darauf an, sie schnell durchzuführen.
Sie wissen, dass wir in Deutschland nur eine begrenzte Erfahrung haben mit solchen Notfallmaßnahmen. Wir arbeiten im Augenblick fieberhaft daran, die Verwaltungsstrukturen fit zu machen, gemeinsam mit den Sparkassen und Banken, den Kreditinstituten Lösungen zu finden, und das alles wird, hoffe ich jedenfalls, dann in der nächsten Woche dazu führen, dass der Gesetzgeber notwendige Entscheidungen treffen kann und für alle klar ist, welche zusätzlichen Möglichkeiten geschaffen werden.
"Umfassendstes Steuerstundungspaket der letzten zehn Jahre"
Engels: Versuchen wir, es noch einmal konkret zu machen. Schnelligkeit ist ja gefragt. Einige der Kleinunternehmen sagen, sie können länger durchhalten. Andere sagen, das schaffen wir keine zwei Monate. Können Kleinstunternehmen von sofort an oder ab nächster Woche, wenn die Beschlüsse durch sind, damit rechnen, dass sie ihre Steuervorauszahlungen ans Finanzamt für dieses Jahr beispielsweise einstellen können?
Altmaier: Das ist bereits entschieden worden. Wir haben am letzten Freitag, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister, gemeinsam verkündet, dass es Steuerstundungen gibt, dass bis Ende des Jahres keine Vollstreckungsmaßnahmen getroffen werden, dass Vorauszahlungen herabgesetzt werden. Das ist das umfassendste Steuerstundungspaket der letzten zehn Jahre, soweit ich das überschauen kann. Und wir sind dabei, das umzusetzen. Es gab in den ersten Tagen einige Unklarheiten, weil nicht alle Finanzämter in der Fläche über diese neuen Maßnahmen informiert wurden, aber ich weiß, der Kollege Scholz arbeitet sehr hart daran, dass dies überall in Deutschland einheitlich praktiziert wird.
Engels: Es sind ja ganz viele Vorschläge im Raum. Greifen wir nur einen heraus, den der Verband der Familienunternehmer gestern vorgelegt hat. Der verlangte zum Stichwort schnelle Hilfe gestern, Bonitätsprüfungen für Kredite bei den Banken für Kleinunternehmen zu vereinfachen, Bescheinigungen von Wirtschaftsprüfern sollten ausreichen, um, wenn Kredite gewünscht sind, die wenigstens schnell über die Bühne zu bringen.
Altmaier: Ich bin für diese Vorschläge sehr dankbar. Wir haben ja eine Maßnahme bereits getroffen, nämlich dass Wirtschaftsprogramme für solche Unternehmen auch in einer bestimmten Größenordnung, die gerade für diese kleinen und mittelgroßen Firmen wichtig ist, getroffen werden können, ohne dass vorher der Bund und die KfW zustimmen müssen. Da überlassen wir den Hausbanken, den Bürgschaftsbanken einen gewissen Einschätzungsspielraum. Jetzt kommt es darauf an, dass auch die Banken in einem schnellen Verfahren darüber entscheiden. Es geht oftmals um Tage, es geht in einigen Fällen auch um Stunden, und genau das müssen wir schaffen.
Kurzarbeitergeld als Entlastungsmöglichkeit
Engels: Herr Altmaier, Sie haben in den vergangenen Tagen gesagt, kein Job werde nur aufgrund der Krise verloren gehen. Ist das nicht gerade mit Blick auf die prekäre Finanzausstattung vieler Kleinunternehmer eine gewagte Aussage?
Altmaier: Ich habe gesagt, wir wollen erreichen, dass kein Job nur aufgrund der Krise verloren gehen muss. Wir können natürlich einem Unternehmen nicht verbieten, Arbeitsplätze abzubauen in der Krise, aber wir haben mit der Kurzarbeiterregelung – und die bezieht sich ja auf die Arbeitnehmer mit ihren Jobs – die Möglichkeit geschaffen, dass die Unternehmen in noch nie da gewesenem Umfang entlastet werden von den Kosten, indem das Kurzarbeitergeld für das zuhause bleiben vom Staat übernommen wird in der Größenordnung von 60 Prozent, und dass wir gleichzeitig dafür sorgen, dass die Sozialbeiträge der Arbeitgeber zu 100 Prozent von Anfang an vom Staat übernommen werden.
Das bedeutet, dass es eine Entlastungsmöglichkeit für die Unternehmen gibt. Aber natürlich setzt Marktwirtschaft auch voraus, dass Unternehmen und Arbeitnehmer die Entscheidungen, wie viele Arbeitsplätze bestehen, wie die Zahl sich verändert, gemeinsam treffen. Es gibt im Übrigen auch eine ganze Reihe von Bereichen, wo trotz der schweren Wirtschaftslage Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesucht werden im Augenblick, weil in vielen Branchen einfach auch sehr viel mehr Arbeit derzeit anfällt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.