Glaubt man Paul Bulcke, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittels-Weltkonzerns Nestlé, dann haben die oft gescholtenen multinationalen Firmen viel dazugelernt. So habe bei Nestlé mit seinen 460 Fabrikstandorten weltweit die Wahrung der Menschenrechte Eingang in die Management-Prinzipien gefunden, verkündet Bulcke öffentlich gern und vehement.
"Das sind die Leitlinien, die von jedem Nestle-Mitarbeiter einzuhalten sind – jeden Tag und egal, wo auf der Welt. Und sie sind nicht verhandelbar.
Tötung eines unbequemen kolumbianischen Gewerkschafters
Tatsächlich ist "due diligence", zu deutsch: die sorgfältige Prüfung sozialer und humaner Folgen unternehmerischen Tuns zum beliebten Schlagwort geworden. Doch die Realität sieht anders aus. So wurde gegen Nestlé im März 2012 in der Schweiz Strafanzeige erstattet, wegen fahrlässiger Tötung eines unbequemen Gewerkschafters 2005 in Kolumbien.
Der Manager der dortigen Nestlé Tochter soll den Mann nicht geschützt haben. Das Verfahren ist wegen Verjährung eingestellt. Schwierig zu kontrollierende Lieferketten, Abschiebung der Verantwortung auf lokale Unternehmen und Behörden sind nach wie vor die größten Probleme, sagt Sharon Burrow, Generalsekretärin der Internationalen Arbeitsorganisation. Und wer einmal Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen werde, habe kaum Klagemöglichkeiten.
"Firmen lehnen leider immer noch die Verantwortung dafür ab, verlässliche Beschwerdemechanismen einzurichten."
Bis 2016 ein Nationaler Aktionsplan für Deutschland
Deutschland zeigt nun gute Absichten. Bis 2016 soll ein nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien erstellt werden, heißt es beim Auswärtigen Amt – ein Plan, wie ihn andere Länder, etwa Großbritannien oder Dänemark, bereits haben. Dazu gehört, dass Hermes-Bürgschaften Umwelt- und Sozialkriterien berücksichtigen. Das ist dringend nötig, sagt Heike Drillisch, Koordinatorin des Netzwerks für Unternehmensverantwortung CorA.
"Die Bundesregierung hat 2012 eine Hermes-Bürgschaft gegeben für Turbinen-Lieferungen and den Sogomosa-Staudamm in Kolumbien. Und wir erfahren jetzt halt von den Menschen dort vor Ort, dass sehr, sehr viele der Betroffenen in keiner Weise entschädigt werden. Sie werden einfach nicht anerkannt als Betroffene, obwohl sie direkt unterhalb des Staudamms leben und ihre gesamte Ökonomie, die auf dem Fischfang basierte, zusammengebrochen ist."
Das zeige, dass die bisherigen Prüfverfahren für Hermes-Bürgschaften nicht ausreichten, so Drillisch weiter. Ein künftiger Aktionsplan dürfe es daher auch nicht nur bei Empfehlungen belassen, sondern müsste verbindliche, gesetzliche Regelungen für Unternehmensverantwortung innerhalb und außerhalb Deutschlands umfassen. Drillisch:
"Dann wäre es zumindest möglich, dass die Betroffenen auch hier in Deutschland ihre Rechte einklagen. Und das würde natürlich dazu führen, dass Unternehmen im Vorfeld wirklich ganz andere Maßnahmen ergreifen, als sie das jetzt tun."
Weltweites Gesetz für Unternehmen bleibt fraglich
Auch auf UN-Ebene wird die Forderung nach einem legal verbindlichen Instrument lauter, das die – bislang freiwilligen – Leitprinzipien ersetzen soll. John Ruggie, ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für Unternehmen und Menschenrechte und Erfinder der Leitprinzipien, zeigte sich bei einer Konferenz der Vereinten Nationen in Genf aber skeptisch:
"Es ist zu bezweifeln, dass irgendein übergeordnetes Vertragswerk tatsächlich einen besseren Schutz vor international anerkannten Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen bieten würde."
Denn was nützt ein ehrgeiziger Vertragsentwurf, wenn nur die wenigsten Staaten ihn ratifizieren? fragt Ruggie. Ob es zu einem weltweiten Gesetz für Unternehmen kommt, das sie zur Einhaltung von Menschenrechten, Sozial- und Umweltstandards verpflichtet, bleibt fraglich. Klar ist nur, die Verhandlungen darüber werden noch Jahre andauern.