Zertrümmerte Fensterscheiben, umlagerte Parteizentralen, gewaltsame Zusammenstöβe mit der Polizei. Mit einiger Verspätung hat die Protestwelle gegen den harten Sparkurs der Regierung auch Groβbritannien erfasst. Bei der jüngsten Demonstration in London schritt die Polizei hart ein, auf beiden Seiten gab es Dutzende von Verletzte. Und Riesenschlagzeilen, nachdem der Rolls Royce von Prince Charles und seiner Frau angegriffen wurde. Diese Publicity lenkte aber eher von den eigentlichen Belangen der Demonstranten ab.
Publicitywirksame Direktaktionen werden auch durch die neuen sozialen Medien organisiert. So hat die Gruppe UK Uncut eine Reihe von Vorzeigeläden in der Oxford Street lahmgelegt, darunter Vodafone und Top Shop, weil sie den Besitzern vorwerfen, Steuern in Milliardenhöhe zu umgehen. Ironischerweise wurde ausgerechnet Top Shop Besitzer Sir Phillip Green – dessen Frau im Steuerparadies Monaco ansässig ist - von der britischen Regierung zum Sonderberater in Sachen Kürzungen ernannt.
Unterdessen hat sich die Protestwelle ausgeweitet, auch auβerhalb von London wird demonstriert. RR berichtet aus dem südenglischen Städtchen Lewes.
Noch im Oktober erklärte der britische Alt-68er Tariq Ali, eine massive Protestwelle wie in Frankreich oder Griechenland könne er sich auf der Insel nicht vorstellen. Frau Thatcher habe den Gewerkschaften den Rücken gebrochen, und Tony Blair habe die Labour Party kastriert. Nur Nick Clegg, Chef der Liberaldemokraten, hatte vor blutigen Straβenaufständen gewarnt, falls die Konservativen ihr hartes Sparprogramm durchdrückten. Doch das war noch vor den Wahlen. Inzwischen sitzt Nick Clegg mit den Tories im Regierungsboot.
Und gilt bei Demonstranten als der groβe Verräter. Die Tories reiben sich die Hände, denn der gröβte Zorn der Protestierenden richtet sich - zumindest vorerst - gegen die Liberaldemokraten. Nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in der Provinz. Und nicht nur unter Studenten.
Daniel, 15, geht in Lewes, einer südenglischen Kleinstadt, zur Schule. Eigentlich wollte er studieren, doch damit sei es vorbei, denn er könne sich unmöglich mit einem Schuldenberg von 20.000, 30.000 Pfund belasten.
"Unser Abgeordneter ist der Liberaldemokrat Norman Baker. Er hat uns hoch und heilig versprochen, die Studiengebühren abzuschaffen. Erst wollte er vor der Abstimmung im Parlament zurücktreten, aber dann stimmte er sogar für eine Erhöhung."
Daniels Freund Mike, 13, sucht nach Worten.
Irgendwie sei das Ganze total unfair.
Die Schüler haben, zusammen mit Eltern, Lehrern, Mitarbeitern karitativer Organisationen und ein paar Gewerkschaftern einen Protestmarsch durch Lewes organisiert. Mindestens 400 Leute hätten mitgemacht. Nicht schlecht, bei einer Bevölkerung von nur 16 000, sagen sie: und dies sei nur der Anfang.
Erst neulich meinte der britische Denker John Gray, die politische Klasse habe die Marktideologie der Thatcher-Ära so internalisiert, dass niemand mehr für den Erhalt des Sozialstaats auf die Straβe gehen wolle. Aber sind Thatchers Kinder und Kindeskinder wirklich so egoistisch?
Überhaupt nicht, beteuert der Schüler Daniel. Er würde auch für andere Belange demonstrieren. Zum Beispiel für den Erhalt des Nationalen Gesundheitsdienstes.
Angesichts der jüngsten Proteste schlägt so manchem britischen Alt-68er das Herz höher. Aber Kritiker mäkeln, die Aktionen seien chaotisch, es mangele ihnen an Wortführern, an einer Zukunftsvision. Am schlimmsten aber seien die Mütter, die ihre Sprösslinge aus der Schule nähmen, mit Bio-Sandwiches und Kraftdrinks versorgten, und zur nächsten Demo chauffierten, damit sie neben Violin- und Ballettstunde auch praktische Staatsbürgerkunde vermittelt bekämen. Phil Clark, Lehrer an der Priory Schule in Lewes, sieht das anders.
"Die Eltern sehen, wie ihren Kindern die Zukunft weggenommen wird. In unserer Kommune sind Hilfsleistungen für die Sozial schwächsten besonders schwer betroffen. Bislang haben wir in London und Brighton demonstriert. Aber nun kämpfen wir auch ganz konkret um lokale Einrichtungen. Seit den Demonstrationen sind meine Schüler hellwach."
Die Umfragewerte schwanken, wie viele Briten in punkto Studiengebühren mit den Demonstranten sympathisieren. Bildung sei ein Privileg, kein Recht, sagen Gegner. Außerdem seien die Neuerungen schlecht erklärt und falsch verstanden worden. Paul Stone, Familienvater in Lewes, widerspricht. Er ist mit Frau und Kindern mitmarschiert. Die Proteste würden sich ausweiten. Für den 26. März hätten die Gewerkschaften bereits eine Groβaktion angekündigt.
"Der britische Normalbürger ist entsetzt, dass in der Finanzwelt wieder fette Boni einkassiert werden, während er gezwungen wird, ihre Fehler auszubaden. Natürlich gäbe es Alternativen um das Loch im Staatsetat zu stopfen. Kürzungen im Verteidigungsetat zum Beispiel, oder höhere Steuern für Groβkonzerne. Diese Demonstrationen bringen den Ball erst richtig ins Rollen."
Publicitywirksame Direktaktionen werden auch durch die neuen sozialen Medien organisiert. So hat die Gruppe UK Uncut eine Reihe von Vorzeigeläden in der Oxford Street lahmgelegt, darunter Vodafone und Top Shop, weil sie den Besitzern vorwerfen, Steuern in Milliardenhöhe zu umgehen. Ironischerweise wurde ausgerechnet Top Shop Besitzer Sir Phillip Green – dessen Frau im Steuerparadies Monaco ansässig ist - von der britischen Regierung zum Sonderberater in Sachen Kürzungen ernannt.
Unterdessen hat sich die Protestwelle ausgeweitet, auch auβerhalb von London wird demonstriert. RR berichtet aus dem südenglischen Städtchen Lewes.
Noch im Oktober erklärte der britische Alt-68er Tariq Ali, eine massive Protestwelle wie in Frankreich oder Griechenland könne er sich auf der Insel nicht vorstellen. Frau Thatcher habe den Gewerkschaften den Rücken gebrochen, und Tony Blair habe die Labour Party kastriert. Nur Nick Clegg, Chef der Liberaldemokraten, hatte vor blutigen Straβenaufständen gewarnt, falls die Konservativen ihr hartes Sparprogramm durchdrückten. Doch das war noch vor den Wahlen. Inzwischen sitzt Nick Clegg mit den Tories im Regierungsboot.
Und gilt bei Demonstranten als der groβe Verräter. Die Tories reiben sich die Hände, denn der gröβte Zorn der Protestierenden richtet sich - zumindest vorerst - gegen die Liberaldemokraten. Nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in der Provinz. Und nicht nur unter Studenten.
Daniel, 15, geht in Lewes, einer südenglischen Kleinstadt, zur Schule. Eigentlich wollte er studieren, doch damit sei es vorbei, denn er könne sich unmöglich mit einem Schuldenberg von 20.000, 30.000 Pfund belasten.
"Unser Abgeordneter ist der Liberaldemokrat Norman Baker. Er hat uns hoch und heilig versprochen, die Studiengebühren abzuschaffen. Erst wollte er vor der Abstimmung im Parlament zurücktreten, aber dann stimmte er sogar für eine Erhöhung."
Daniels Freund Mike, 13, sucht nach Worten.
Irgendwie sei das Ganze total unfair.
Die Schüler haben, zusammen mit Eltern, Lehrern, Mitarbeitern karitativer Organisationen und ein paar Gewerkschaftern einen Protestmarsch durch Lewes organisiert. Mindestens 400 Leute hätten mitgemacht. Nicht schlecht, bei einer Bevölkerung von nur 16 000, sagen sie: und dies sei nur der Anfang.
Erst neulich meinte der britische Denker John Gray, die politische Klasse habe die Marktideologie der Thatcher-Ära so internalisiert, dass niemand mehr für den Erhalt des Sozialstaats auf die Straβe gehen wolle. Aber sind Thatchers Kinder und Kindeskinder wirklich so egoistisch?
Überhaupt nicht, beteuert der Schüler Daniel. Er würde auch für andere Belange demonstrieren. Zum Beispiel für den Erhalt des Nationalen Gesundheitsdienstes.
Angesichts der jüngsten Proteste schlägt so manchem britischen Alt-68er das Herz höher. Aber Kritiker mäkeln, die Aktionen seien chaotisch, es mangele ihnen an Wortführern, an einer Zukunftsvision. Am schlimmsten aber seien die Mütter, die ihre Sprösslinge aus der Schule nähmen, mit Bio-Sandwiches und Kraftdrinks versorgten, und zur nächsten Demo chauffierten, damit sie neben Violin- und Ballettstunde auch praktische Staatsbürgerkunde vermittelt bekämen. Phil Clark, Lehrer an der Priory Schule in Lewes, sieht das anders.
"Die Eltern sehen, wie ihren Kindern die Zukunft weggenommen wird. In unserer Kommune sind Hilfsleistungen für die Sozial schwächsten besonders schwer betroffen. Bislang haben wir in London und Brighton demonstriert. Aber nun kämpfen wir auch ganz konkret um lokale Einrichtungen. Seit den Demonstrationen sind meine Schüler hellwach."
Die Umfragewerte schwanken, wie viele Briten in punkto Studiengebühren mit den Demonstranten sympathisieren. Bildung sei ein Privileg, kein Recht, sagen Gegner. Außerdem seien die Neuerungen schlecht erklärt und falsch verstanden worden. Paul Stone, Familienvater in Lewes, widerspricht. Er ist mit Frau und Kindern mitmarschiert. Die Proteste würden sich ausweiten. Für den 26. März hätten die Gewerkschaften bereits eine Groβaktion angekündigt.
"Der britische Normalbürger ist entsetzt, dass in der Finanzwelt wieder fette Boni einkassiert werden, während er gezwungen wird, ihre Fehler auszubaden. Natürlich gäbe es Alternativen um das Loch im Staatsetat zu stopfen. Kürzungen im Verteidigungsetat zum Beispiel, oder höhere Steuern für Groβkonzerne. Diese Demonstrationen bringen den Ball erst richtig ins Rollen."