Die Versprechen der dänischen Politik sind anfangs groß. „Wenn die Tour de France nach Dänemark kommt, wird das nicht nur ein großes Fest, sondern auch ein sehr gutes Geschäft“, sagt zum Beispiel der damalige Wirtschaftsminister Rasmus Jarlov, als die Vergabe 2019 bekannt gegeben wird. Das Ministerium und die beteiligten Städte teilen sich die Kosten von rund 24 Millionen Euro für die drei Etappen. Viel Geld, aber im Vergleich zu anderen Sportevents ist der Grand Départ günstig. Für die Tour de France müssen keine Stadien gebaut werden.
Trotzdem zeigt eine neue Studie der University of Southern Denmark: Rein finanziell lohnt es sich für eine Stadt oder eine Region nicht, Tour-Etappen auszurichten. Und das wird sehr wahrscheinlich auch im Radsport-begeisterten Dänemark der Fall sein, meint Studienleiter Christian Gjersing Nielsen:
„In Kopenhagen ist es ein Ein-Tages-Event. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist das ein Tropfen im Ozean. Es macht wirklich keinen großen Unterschied für die dänische Wirtschaft. Und typischerweise werden die Tourismuszahlen überschätzt. Die Effekte sind einfach marginal.“
"Gefühl von Prestige" durch die Tour
Nielsen und sein Team haben die Regionen untersucht, die zwischen 2004 und 2018 Etappen der Tour de France ausgerichtet haben. Einen positiven Effekt auf das Bruttoinlandsprodukt durch eine Tour-Etappe haben sie nicht gefunden. Auch auf die Zahl der Menschen, die in der Tourismus-Industrie arbeiten, hat eine Etappe keine Auswirkung. Das Hauptargument für die Ausrichtung sollte daher ein anderes sein, meint Nielsen – nämlich, dass solche Events zwischenmenschliche Werte schaffen:
„Die Tour macht zumindest manche Menschen in Dänemark glücklich. Sie könnte zu einem Gefühl von Prestige führen, zu einer Verbundenheit innerhalb der Region. Was aber wichtig ist - man muss rausfinden: Ist das die Kosten wirklich wert?“
Stolz der WM-Gastgeber in Bergen
Die Menschen in der norwegischen Stadt Bergen scheinen diese Frage überwiegend mit „Ja“ zu beantworten. Obwohl das letzte große Sportevent in Bergen finanziell ein Desaster war. 2017 richtet die Stadt die Rad-WM aus. Die Organisatoren rechnen mit 50.000 Hotelgästen und 5.000 Wohnwagen. Am Ende übernachten nur 12.000 Menschen in Hotels und nur 245 Wohnwagen stehen am Streckenrand. Die Veranstaltergesellschaft geht bankrott, die Kosten für die Stadt steigen um mehrere Millionen Euro. Aber während der WM herrscht in der Stadt eine Stimmung wie bei einem Volksfest – und das wirkt nach.
„Wir haben Umfragen gemacht und obwohl die WM ein finanzielles Desaster war, mochten die Menschen sie trotzdem“, sagt Harry Arne Sollberg, Professor für Sport-Ökonomie an der Uni Trondheim. Seine Daten zeigen, dass die Menschen in Bergen auch Jahre später stolz darauf sind, dass sie Gastgeber für die Rad-WM waren.
Sollberg wollte außerdem einen Vergleich zu anderen Veranstaltungen ziehen, die regelmäßig in Bergen stattfinden. Daher hat er die Befragten gebeten, anzugeben, wie viel Steuern sie selbst zahlen würden, um ein Event zu ermöglichen. Bevor Bergen die Rad-WM ausgerichtet hatte, lagen internationale Sportveranstaltungen hinter großen Rock- oder Klassik-Konzerten. In den Umfragen nach der WM sagen die Befragten, dass sie am meisten Geld für die Austragung von Sport-Events ausgeben würden.
Party als Hauptargument
„Ich denke nicht, dass es eine Überraschung ist. Die meisten Menschen wollen solche Events nämlich wegen der Party. Sie kümmern sich nicht so sehr darum, ob Touristen kommen oder die Infrastruktur ausgebaut wird", erklärt Sollberg. So viel Geld alleine für eine Party auszugeben sei aber politisch schwer zu rechtfertigen:
„Die Politiker sagen das, was politisch korrekt ist. Und es ist nicht politisch korrekt zu sagen, dass wir so und so viele Millionen für Megaevents ausgeben. Stattdessen sagen sie: 'Das Event wird das Image der Stadt verbessern, Touristen anziehen, die sportliche Aktivität der Bewohner steigern und bla, bla. bla.' Obwohl wissenschaftliche Studien zeigen, dass es diese Effekte praktisch nicht gibt. Und wenn, dann fallen sie deutlich geringer aus, als vorhergesagt.“
Kosten drücken und ehrliche Kommunikation als Schlüssel
Auch Christian Gjesing Nielsen plädiert für mehr Ehrlichkeit vonseiten der Politik und möglicher Veranstalter: „Anstatt über die ganzen großartigen wirtschaftlichen Vorteile zu reden, für die es keine Beweise gibt, sollten wir über andere Vorteile reden und versuchen, sie zu messen. Zum Beispiel die Wertschöpfung für eine Bevölkerung als Ganzes.“
Für beide Forscher ist dafür entscheidend, dass die Kosten der Events möglichst geringgehalten werden. Harry Arne Sollberg empfiehlt Städten daher, in permanente Event-Organisationen zu investieren. Dadurch könnten die Ausrichter langfristig Expertise aus verschiedenen Veranstaltungen bündeln. Wer das nicht tue, habe am Anfang oft zu hohe Erwartungen und lerne erst zu spät, ob eine Veranstaltung tatsächlich zur Stadt passt – oder ob das Geld ohne Mehrwert ausgeben wird.