Man spreche mit Investoren offen über die Situation und man sei durchaus besorgt, was im Rahmen der Pegida- und Legida-Demonstrationen für ein Imageschaden für Sachsen entstehen könne. Man habe bisher kein Projekt verloren, aber Fragen würden schon gestellt, räumte Nothnagel ein. "Dialog heißt das Zauberwort."
Eine Abschwächung der positiven Standortfaktoren müsse auf jeden Fall verhindert werden. Für die Attraktivität des Bundeslandes seien auch die richtigen Arbeitskräfte notwendig. Mit Blick auf den demografischen Wandel brauche man gut qualifizierte und motivierte Fachkräfte - auch aus dem Ausland.
Das Interview in voller Länge:
Dirk Müller: Leipzig gestern Abend: Die Erwartungen der Sicherheitsbehörden lagen bei bis zu 100.000 Demonstranten, pro und contra Legida beziehungsweise für und gegen Pegida. 4.000 Polizisten waren im Einsatz, das größte Aufgebot seit der Wiedervereinigung. Es zogen dann deutlich weniger durch die Leipziger Innenstadt. Es gab Zusammenstöße.
Bleiben wir in Sachsen, in Dresden. Die Pegida-Märsche an der Elbe sind europaweit, weltweit Thema in den Medien. Fallen die Deutschen wieder zurück in Ausländerfeindlichkeit und Rassismus? Dies ist häufig zumindest der Tenor. Nicht allzu gut vor allem für das Image von Dresden, für den ökonomischen Standort Sachsen. Darüber sprechen wollen wir nun mit Peter Nothnagel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH. Guten Morgen!
Peter Nothnagel: Ja, guten Morgen.
Müller: Herr Nothnagel, kennen Sie Waleed Al Mokarrab Al Muhairi?
Nothnagel: Da bin ich mir jetzt nicht so sicher.
Müller: Das ist einer der größten Arbeitgeber in Dresden, 3.700 Beschäftigte.
Nothnagel: Okay. Na dann ist das klar: Globalfoundries
Müller: War nicht als Fangfrage gemeint, vielleicht habe ich es auch nicht gut ausgesprochen.
Nothnagel: Globalfoundries. Das ist natürlich eines unserer Beispiele, dass Sachsen wirklich ein weltoffenes Land ist. Globalfoundries mit den von Ihnen schon genannten Mitarbeiterzahlen ist ja wirklich auch unser Paradebeispiel, wenn es gilt, wo ganz, ganz viele ausländische und sächsische Arbeitnehmer unter einem Dach gemeinsam arbeiten, nämlich aus 55 verschiedenen Ländern sind in dieser Firma Menschen tätig und davon sind über 250 ausländische Mitarbeiter, die auch - und das ist auch ganz schön - mit ihren Familien ganz überwiegend hier wohnen.
Müller: Ich sage noch mal: Das ist eine große Chip-Fabrik an der Elbe, offenbar der größte Halbleiter-Produzent im Moment in Europa, 3.700 Beschäftigte und im Besitz des Emirats von Abu Dhabi.
Nothnagel: Richtig. Dort gibt es einen staatlichen Investmentfonds, das ist Mubadala, und denen gehört diese Chip-Fabrik und zu unserer großen Freude hat der Besitzer, nachdem er die Firma vor einigen Jahren übernommen hat, dort auch ganz kräftig weiterinvestiert. Das ist für uns einfach ein wunderbares Unternehmen hier in Sachsen. Und ich habe gestern noch mal nachgefragt: Die dortigen ausländischen Mitarbeiter sind sehr zufrieden mit dem Leben hier in Dresden und es sind auch keine Vorfälle bekannt, wo dort Mitarbeiter belästigt wurden oder irgendetwas in dieser Richtung.
Müller: Jetzt treffen die arabischen Investoren auf dieses Klima, was weltweit jedenfalls in den Medien zu lesen ist. Wie problematisch ist das?
Nothnagel: Na ja, das ist für uns natürlich schon eine Abschwächung unserer positiven Standortfaktoren. Deswegen bin ich auch sehr dankbar, dass wir heute hier darüber sprechen. Man muss wirklich einfach darüber reden. Das Bild, was dort mitunter jetzt über Fernsehen, Radio oder Zeitung, was dort sichtbar ist - man kann ja nicht leugnen, es gibt hier diese Diskussionen -, das beschreibt aber wirklich die reale Lage in Sachsen nur unzureichend. Richtig, hier wird diskutiert, aber nach wie vor sind wir ein weltoffenes Land. Wir haben, alleine mal eine schöne Zahl, wie ich finde, ganz, ganz viele internationale Unternehmen bei uns. Das sind über 700.
"Wir haben bis jetzt keines unserer Projekte verloren"
Müller: Sie sagen das einfach so, das ist weltoffen. Es kommt ja etwas anderes jetzt zumindest nach außen in die Wirklichkeit, in die Wahrnehmung. Was können Sie tun, um das zu relativieren, um das anders darzustellen?
Nothnagel: Unser Hauptfaktor Wirtschaftsförderung Sachsen, Standortwerbung, ist unser Geschäft nach außen. Wir sind einfach nach wie vor ganz konsequent weltweit unterwegs, um auch dort das Bild von Sachsen zu zeigen, wie wir es sehen. Wir führen tagtäglich Gespräche mit potenziellen Investoren weltweit und vermitteln dort die Sicht auf die Dinge, und wir laden natürlich diese Investoren auch hierher ein und wir zeigen ihnen Sachsen. Insofern ist natürlich, das ist nicht wegzureden, das, was im Augenblick auf den Straßen abläuft, nach außen unschön in der Wahrnehmung. Deswegen freue ich mich auch sehr darüber, dass es zunehmend gelingt - Sie haben es im vorigen Beitrag gebracht -, die Diskussion wirklich von der Straße wegzuholen und in Foren wie zum Beispiel gestern in Dresden, gestern auch in Leipzig oder auch schon vor einiger Zeit in Dresden die Landeszentrale für politische Bildung, um dort die Themen zu erörtern, um die es geht.
Müller: Herr Nothnagel, wenn Sie diese Unternehmen, diese potenziellen Investoren einladen, dann halt nicht mehr Montags?
Nothnagel: Wir laden die auch Montags ein. Aber es ist natürlich richtig, dass wir, wenn Montags in der Innenstadt eine Demonstration ist, natürlich dann nicht gerade hinfahren. Da haben Sie völlig recht. Aber wir sprechen mit den Investoren da offen drüber und es ist wie es ist. Aber ich bin da sehr großer Hoffnung und voller Optimismus, dass das Ganze jetzt langsam aber sicher in geregeltere Bahnen wieder kommt.
Müller: Sie haben ja gestern Nachmittag schon ganz kurz, als wir Sie angerufen haben, die Verabredung vereinbart haben für das Telefon-Interview heute Morgen, gesagt, wir sind da schon durchaus besorgt. Gibt es bisher in irgendeiner Form an irgendeiner Stelle konkrete Hinweise darauf? Sind Sie schon angesprochen worden von internationalen Unternehmen, die da sagen, was ist bei euch los?
Nothnagel: Nein. Also nicht über ein gewisses Maß hinaus. Wir haben bis jetzt keines unserer Projekte verloren und man muss wissen, wir haben im Augenblick so 240 laufende Investitionsprojekte, um die wir uns kümmern, und davon sind 130 aus dem Ausland und von denen ist uns jetzt keiner abgesprungen und wir hatten auch noch keine richtig besorgten Nachfragen. Im täglichen Gespräch wird man natürlich schon gefragt, aber das geht einem als Dresdener im Augenblick überall so: Was ist denn da in Dresden los. Ich war auf der Internationalen Grünen Woche Anfang dieser Woche und da hat mich beim Frühstück mein zufälliger Tischgenosse natürlich auch gefragt, was ist das in Dresden. Der hat aber auch, muss ich sagen, ein sehr vernünftiges Bild von der Sache und hatte auch erkannt, dass es da Demonstrationen gibt, dass dort vielleicht die Überschrift auch etwas anderes ist als der Inhalt der Diskussion und, na ja, dass man irgendwie eine vernünftige Lösung finden muss.
"Bei uns sind ausländische Mitbürger willkommen, weil wir sie einfach brachen"
Müller: Tischgenosse, sagen Sie. War das ein Deutscher?
Nothnagel: Das war ein Deutscher in dem Fall.
Müller: Und Sie haben geantwortet, haben Sie gerade gesagt, Abwarten und dann werden wir das Problem schon lösen?
Nothnagel: Na ja, nicht nur Abwarten, sondern Reden. Dialog heißt das Zauberwort. Und wenn Sie sehen - Sie haben es gerade im vorigen Beitrag gebracht - dieses Gespräch gestern in Dresden, natürlich: Das ist keine unendliche große Anzahl von Menschen, die da auf einmal geredet haben. Aber die Menschen, die dort mit dem Ministerpräsidenten und anderen Damen und Herren sich ausgetauscht haben, und vor allen Dingen, die untereinander geredet haben, das war ja wirklich eine Stichprobe aus der Bevölkerung, die sich bewerben konnte und die dann wirklich untereinander extrem offen diskutiert haben.
Müller: Sie weiten den Blick ja häufig über Sachsen hinaus, auch beispielsweise in die anderen ostdeutschen Bundesländer. Da konnten wir gestern nachlesen, dass es ja nach wie vor recht schwierig ist, Großunternehmen, Investoren zu gewinnen für Ostdeutschland. Hat Ostdeutschland immer noch ein bisschen ein Problem, wenn wir vielleicht von Sachsen ursprünglich einmal absehen?
Nothnagel: Na ja, wir reden ja jetzt über Standortfaktoren. Was sind Standortfaktoren für internationale Investoren? Klar: Die suchen einen Investitionsplatz, der geostrategisch günstig liegt. Das ist in Ostdeutschland gegeben. Die suchen eine gute Infrastruktur. Das ist in den allermeisten Regionen Ostdeutschlands auch gegeben, also ordentliche Autobahnen, Straßen, Schienen, Flughafenanbindung. Und dann kommen wir zum, wie ich finde, mittlerweile wichtigsten Standortargument. Das sind qualifizierte, motivierte und flexible Arbeitskräfte. Das ist bis jetzt für uns eines unserer Hauptbringer, möchte ich mal sagen. Wir haben bis jetzt für jeden Investor, der ein Interesse an uns hatte, auch die richtigen Arbeitskräfte gefunden, und da sind wir eigentlich schon wieder beim Thema Fachkräfte und dort natürlich auch beim Thema Zuwanderung. Wenn Sie die heutige "Sächsische Zeitung" hier in Dresden aufschlagen, wird dort berichtet über einen indischen Leiter der Kundenbetreuung hier bei Robotron, also ein Mensch, der hier hergekommen ist, der hier bei Robotron - das ist ein großer EDV-Dienstleister - arbeitet und der hier jemand ist, der mittlerweile für die Firma ganz, ganz wichtig ist. Und auch schon deswegen sind bei uns natürlich ausländische Mitbürger willkommen, weil wir sie einfach brauchen. Wir wissen alle, wie die demographische Lage in Deutschland ist, wie sie in Ostdeutschland ist, wie sie auch in Sachsen ist. Ohne eine vernünftige Zuwanderung werden wir auf Dauer nicht zurechtkommen.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Peter Nothnagel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen. Vielen Dank für das Gespräch, auf Wiederhören.
Nothnagel: Ja, vielen Dank. Sehr gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.