Als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Morgen in Peking landete, waren die Temperaturen in Chinas Hauptstadt nahe dem Gefrierpunkt. Spötter könnten behaupten, die Außentemperatur sei ein Gradmesser für die Stimmung zwischen Deutschland und China. Denn der Ärger war schon da, bevor Gabriel überhaupt ins Flugzeug stieg. Die chinesische Regierung hatte gestern den deutschen Gesandten ins Außenministerium einbestellt. Das wurde zwar offiziell nicht bestätigt, aber auch nicht bestritten. Die Sprachregelung der Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin, Sawsan Chebli, blieb vage.
"Weil ich nicht sagen kann, dass es tatsächlich so stattgefunden hat. Ich kann es nicht bestäigten." Ansonsten haben wir ja schon häufig über das Instrument der Einbestellung gesprochen. Das ist ein Instrument, das in der Diplomatie angewandt wird. Und ich kann ihnen hier keine pauschale Aussage darüber machen, ob es immer negativ ist oder zu Verwerfungen dadurch kommen kann - oder einfach nur ein freundliches Gespräch ist. Das ist von Einzelfall zu Einzelfall zu betrachten."
Beim gestrigen Einzelfall in Peking ist es vermutlich so, dass zwar freundlich warmer Tee gereicht wurde - wie in China üblich. Der Ton war aber wohl eher etwas rauer. Denn die Chinesen sind sauer: Darüber, wie in Deutschland die Debatte über chinesische Investitionen geführt wird. Darüber, dass die Bundesregierung vergangene Woche die geplante Übernahme des deutschen Chip-Herstellers Aixtron durch chinesische Investoren nicht genehmigt hat. Und darüber, dass Gabriel im Vorfeld seines Besuchs gleich mehrfach die Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen in China scharf kritisiert hat- unter anderem mit dem Begriff "Foulspiel".
Deutsche Firmen fühlen sich benachteiligt
Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist da diplomatisch etwas geschickter - aber ebenso deutlich. Hanna Müller, Leiterin des Pekinger Büros: "Wir begrüßen chinesische Investitionen in Deutschland und in Europa. Wir möchten aber Gleichbehandlung haben. Das heißt: Wir haben in Deutschland und in Europa Rahmenbedingungen, die relativ offen sind. Und diese Rahmenbedingungen wollen wir auch in China. Das sehen wir nach wie vor in vielen Bereichen nicht, unter anderem beim Joint-Venture-Zwang oder auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Bei der deutsche Firmen und ausländische Unternehmen generell darüber kalgen, benachteiligt zu werden.
Deutschland ist der größte Handelspartner Chinas in Europa. Aber deutsche Unternehmen haben in China mit Hindernissen zu kämpfen. Die Klagen: schlechter Marktzugang, fehlende Rechtssicherheit, Einschränkungen beim Internet, Diebstahl geistigen Eigentums und der Joint-Venture-Zwang. Alles Dinge, die Gabriel bei seinem Besuch in China ansprechen wird.
Die generelle Übernahmelust deutscher und europäischer Unternehmen durch die Chinesen wird aber bleiben, sagt Wang Zhile, Wirtschaftswissenschaftler aus Peking: "Bislang hat China High-End-Produkte aus Deutschland gekauft. Jetzt ist die Strategie eine andere: Statt der Produkte will China nun die Unternehmen kaufen. In der Logik der Entwicklung unserer Wirtschaft ist das der normale Gang."
Schwierige Gespräche
Denn China will selbst zum Hochtechnologieland werden. Und weil man das Know-how in vielen Bereichen nicht hat, soll es aus Deutschland dazugekauft werden. Aber die deutsche Politik gegenüber Investitionen verändert sich.
Und deshalb ist klar: Gabriels Gespräche werden schwierig. Die Stimmung der deutschen Unternehmen in China ist so schlecht wie selten, und die Chinesen sind schon im Vorfeld sauer. Wenn Gabriel als erstes Handelsminister Gao Hucheng trifft, beginnt eine schwierige Gradwanderung zwischen Diplomatie und Kritik.