"Hab schon mit ihm telefoniert, da war ich noch gar nicht hier."
Wenn Sigmar Gabriel auf Joaquim Almunia angesprochen wird, reagiert er fast schon unwirsch, als ob er seine schlechte Laune mit Mühe im Zaum halten kann. Seit der EU-Wettbewerbskommissar ausgerechnet zu Gabriels erstem Arbeitstag als neuem Wirtschaftsminister die milliardenschweren Ausnahmen für energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage auf den Prüfstand gestellt hat, ist Almunia einer von Gabriels großen Widersachern.
Der EU-Kommissar sieht in dieser Befreiung von der Ökostromförderung eine wettbewerbsverzerrende Beihilfe - und die sind in der EU nun mal verboten. Gabriel hingegen muss eben dieses EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, und auch die dort geregelten Rabatte für Stromgroßverbraucher so schnell wie möglich reformieren. Der Neustart bei der Energiewende ist das Wichtigste innen- und wirtschaftspolitische Projekt der Großen Koalition. Dass aber Brüssel ihm dabei in die Suppe spuckt, mag Gabriel nur bedingt:
"Die Kommission beginnt sich über den Umweg des Wettbewerbsrechts einzumischen in die nationale Energiepolitik. Darüber wird man auch mal reden müssen."
Glaubt der 54-jährige Niedersachse und gibt sich seinem Naturell entsprechend kämpferisch. Bewusst hat sich Gabriel gegen das Finanz- und für das Wirtschaftsministerium entschieden, um die Energiewende auf eine neue Grundlage zu stellen. Deshalb hat der machtbewusste Chef der Sozialdemokraten dafür gesorgt, dass Kompetenzen für erneuerbare Energien vom Umwelt- ins Wirtschaftsministerium, also auf ihn, übertragen wurden.
Große Machtfülle im Wirtschaftsministerium
Diese Machtfülle soll helfen, den Einflüsterungen der Ökostromlobby ebenso standzuhalten, wie denen der Betreiber von konventionellen Kraftwerken. Erstere hätten es am liebten, dass sich möglichst wenig ändert, letztere fordern sogar neue Ausgleichzahlungen als Entschädigung dafür, dass ihre Kraftwerke immer seltener laufen, wegen der Versorgungssicherheit aber nicht endgültig stillgelegt werden können. Die neue Machtfülle will Gabriel auch nutzen, damit sich die 16 Bundesländer mit dem Bund endlich auf gemeinsame Ausbauziele bei den Erneuerbaren verständigen.
Alles dient einem Ziel: Der Strompreis und damit die Kosten dieser Energiewende müssen im Griff behalten werden, auch die Strompreise für die energieintensiven Unternehmen, die fast durchweg Grundstoffindustrien sind, auf denen alles weitere aufbaut, was die deutsche Wirtschaft so stark macht: das weiß auch der neue Bundeswirtschaftsminister:
"Es kann nicht sein, dass andere Länder in Europa Industriestromtarife schaffen, die nun wirklich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht sind, und uns Möglichkeit genommen wird, die wirtschaftliche Basis unseres Landes abzusichern. Denn es ist so, dass eine ganze Reihe von Unternehmen zwingend darauf angewiesen ist, diese Ausnahmen zu haben. Dafür werden wir auch kämpfen und ich bin mir auch sicher, dass wir damit Erfolg haben."
Um Ungerechtigkeiten in der Welt abzubauen, ist Gabriel schließlich Sozialdemokrat geworden. Und wenn so eine Ungerechtigkeit deutsche Unternehmen benachteiligt, dann weiß der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, wofür er sich einzusetzen hat. Bis Ostern will Gabriel die Eckpunkte für den Neustart in der Energiewende unter Dach und Fach haben. Wie er bei den Rabatten für große Industriestromkunden die EU-Kommission besänftigen will, hat Gabriel schon vor fast einem Jahr kundgetan.
"Wir müssen zurück zu den Ausnahmen, die SPD und Grüne mal beschlossen haben. Die waren richtig. Die Ausweitung auch auf viele andere Unternehmen, die CDU und FDP gemacht haben, die waren falsch und die muss man zurücknehmen."
Manager der Energiewende, dazu Vizekanzler und SPD-Vorsitzender – Sigmar Gabriel will daneben auch noch andere wirtschaftspolitische Akzente setzen. Einen ersten hat er schon entdeckt: Ähnlich, wie sein Vorgänger Philipp Rösler, will Gabriel junge IT-Firmen fördern. Nach der NSA-Abhöraffäre soll Deutschland zu dem Land werden, in dem Datensicherheit zum Standortfaktortor wird.