Benjamin Hammer: Am Samstag soll es laut werden an vielen Flughäfen in Deutschland. Der Lärm kommt dann aber nicht von den Triebwerken von Flugzeugen, sondern von Bewohnern, die sich wehren wollen gegen zu viel Fluglärm. Vor allem die Menschen in Frankfurt, München und Berlin sorgen sich vor zu viel Lärm. In Frankfurt wurde im Oktober die Nordwestbahn eröffnet, seitdem klagen viele Anwohner, dass sie kaum noch durchschlafen können. Auf der anderen Seite die Luftfahrt: Sie gilt als Boombranche, die Arbeitsplätze schafft. Es ist also eine Diskussion zwischen den wirtschaftlichen Interessen ganzer Regionen und dem ruhigen Schlaf der Anwohner. - Am Telefon begrüße ich jetzt zwei engagierte Streiter in dieser Diskussion: Michael Cramer, er kommt aus Berlin, sitzt für die Grünen im Europaparlament und ist dort verkehrspolitischer Sprecher. Guten Tag, Herr Cramer.
Michael Cramer: Schönen guten Tag, Herr Hammer.
Hammer: Und Ralf Kunkel, Sprecher der Berliner Flughäfen und damit auch Sprecher des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg. Guten Tag!
Ralf Kunkel: Hallo! Ich grüße Sie, Herr Hammer.
Hammer: Herr Kunkel, wohnen Sie eigentlich in der Einflugschneise eines Berliner Flughafens?
Kunkel: Ja, im Moment sehe ich die Landeanflüge auf den Flughafen Tegel in Höhe von circa tausend Metern. Mich stört das nicht so sonderlich, aber ich habe Glück, denn weil der Flughafen Tegel schließt, der innerstädtische Flughafen, und der ganze Fluglärm völlig zurecht an den Stadtrand verbannt wird, aus der Innenstadt heraus, werde auch ich ein Stück weit entlastet, also da wird es ruhiger.
Hammer: Herr Kunkel, im Juni öffnet jetzt der neue Flughafen Berlin-Brandenburg und mit großer Sorge schauen die Anwohner dort - denn auch dort leben Menschen - nach Frankfurt. Dort werden manche Bewohner fast jeden Morgen um fünf Uhr morgens von Flugzeugen geweckt. Was antworten Sie denn den Betroffenen von Fluglärm als Betreiber eines Flughafens?
Kunkel: Dass es Fluglärm gibt, das ist unstrittig und das ist vollkommen klar, und unsere Aufgabe aus Flughafengesellschaft ist es natürlich auch, für diejenigen, die in der Nähe von Flughäfen wohnen, entsprechenden Lärmschutz zu leisten. Das tun wir durch ein sehr umfangreiches Schallschutzprogramm, durch ein Nachtflugverbot zwischen null und fünf Uhr. So hat es das Bundesverwaltungsgericht verfügt. Und unterm Strich steht einfach eine massive Lärmentlastung der gesamten Region Berlin-Brandenburg, weil wie eingangs gesagt: Wir schließen jetzt auch den letzten innerstädtischen Flughafen und verbannen damit den Fluglärm an den Stadtrand, der naturgemäß weniger dicht besiedelt ist. Aber dass auch da Menschen wohnen, ist vollkommen klar.
Hammer: Herr Cramer, Sie haben gerade Herrn Kunkel gehört. Ist also alles gut in Berlin?
Cramer: Natürlich nicht. Also ich lebe nicht in einer Einflugschneise, ich würde auch nicht dort wohnen wollen. Lärm macht krank, und gute Arbeit kann man nur machen, wenn man gut geschlafen hat. Deshalb müssen wir den Lärm bekämpfen, aber das reicht überhaupt nicht aus. Und in Berlin haben wir die Katastrophe, dass ein neuer Flughafen genehmigt wurde, aber die Flugrouten nicht festgelegt waren. Das heißt, wir haben in bestimmten Gebieten Lärmschutzfenster eingebaut, wo jetzt kein Lärm ist, und in bestimmten Gebieten keine Lärmschutzfenster, wo jetzt Lärm ist. Das ist alles verrückt, aber traurige Realität.
Hammer: Michael Cramer von den Grünen, schauen wir mal nach Frankfurt. 70.000 Arbeitsplätze gibt es am Frankfurter Flughafen. Das ist die Angabe der Fraport AG und damit ist das nach eigenen Angaben die größte Arbeitsstätte Deutschlands. Zeigt das nicht, wie wichtig die Flughäfen für die Wirtschaft sind, für die Regionen?
Cramer: Der Flughafen ist wichtig, aber ich möchte Ihnen sagen, dass seit der Bahnreform in Deutschland etwa 250.000 Arbeitsplätze bei der Bahn abgebaut sind - da regt sich überhaupt keiner auf - und dass der europäische Steuerzahler jedes Jahr den Airlines 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, weil die keine Kerosinsteuer und in internationalen Flügen keine Mehrwertsteuer zahlen - die Bahn muss das alles bezahlen. Das heißt, künstlich schaffen wir einen Boom, den wir sehr teuer bezahlen müssen, und wenn wir 30 Milliarden in Europa jedes Jahr in die Bahnen investieren würden, nach zehn Jahren hätten wir ein Supernetz, billige Preise und den Flugverkehr um mehr als die Hälfte reduziert und damit auch den Lärm. 30 Milliarden pro Jahr, der deutsche Steuerzahler zahlt davon 12 Milliarden im Jahr.
Hammer: Herr Cramer, Sie wollen, dass die Schienennetze ausgebaut werden. Schauen wir uns mal Ihren Heimatort Berlin an und dann Brüssel. Da gibt es relativ schnelle Strecken. Darf ich fragen, wie oft Sie mit dem Zug von Brüssel nach Berlin oder Berlin nach Brüssel fahren?
Cramer: Zugegebenermaßen von Berlin nach Brüssel fahre ich selten mit dem Zug. Es kommt aber auch vor. Die Strecke - ich brauche dreimal so viel Zeit, der Preis ist dreimal so teuer und der Staat kassiert noch 19 Prozent Mehrwertsteuer mit. Nehme ich das Flugzeug, obwohl die Emissionen in der Stratosphäre drei- bis viermal so gefährlich sind wie am Boden, sagt der Staat, nein, nein, diese 19 Prozent da, die brauche ich nicht. Das müssen wir ändern und natürlich könnten wir mit einem ausgebauten Bahnsystem erheblich mehr Jobs schaffen. Zwischen Berlin und Hamburg gibt es keinen Flugverkehr mehr, weil da eine gute Bahnverbindung ist. Zwischen Berlin und Hannover gibt es keinen Flugverkehr mehr, weil da eine gute Bahnverbindung ist. Da müssen wir investieren, aber nicht jedes Jahr zwölf Milliarden Euro in den Luftverkehr, damit wir da für einen Taxipreis fahren können. Ich bin von Rom nach Berlin geflogen für 25,99 Euro - nicht, weil ich einen billigen Flug gesucht habe, sondern weil es gerade so passte, und das passt nicht in die Landschaft. Das zahlen die Umwelt und die Steuerzahler, und das muss sich ändern.
Hammer: Herr Kunkel von den Berliner Flughäfen, jetzt haben wir gerade gehört, dass Herr Cramer aus verständlichen terminlichen Gründen durchaus das Flugzeug zwischen Berlin und Brüssel benutzt. Ist das nicht eine grundsätzliche Frage, ein grundsätzliches Problem? Die Bevölkerung profitiert von günstigen Flügen, von Nonstop-Verbindungen von Berlin zum Beispiel in ziemlich viele Destinationen. Wenn es dann etwas lauter wird, dann regt sich Protest. Ist das so?
Kunkel: Vielleicht zwei Anmerkungen zu dem, was Herr Cramer gesagt hat. Zunächst einmal hat er vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland eine merkwürdige Trennung haben, was die Genehmigung von Flughäfen anbetrifft, die liegt in Länderverantwortung -, die Genehmigung von Flugrouten in Bundesverantwortung. Und dass diese beiden Verfahren nun gerade nicht so besonders eng miteinander vertaktet sind - und das drücke ich noch sehr vorsichtig aus -, das hat man in Berlin sehr, sehr deutlich gesehen und das ist auch mit Sicherheit kein Dauerzustand. Hier muss Abhilfe geleistet werden, genauso was eine Beschleunigung der ganzen Genehmigungsverfahren und damit auch eine wesentlich größere Transparenz für den Bürger anbetrifft.
Hammer: Wenn ich da ganz kurz einhaken darf, damit auch die Hörer in ganz Deutschland ein bisschen im Bilde sind. Sie sprechen zum Beispiel wahrscheinlich an, dass Bewohner bestimmter Ortschaften, zum Beispiel Berlin-Friedrichshagen, relativ spät erst erfahren haben, wie die Flugrouten laufen sollen, und dann relativ schockiert waren, als es auf einmal so weit war.
Kunkel: Ja, genau so ist es. Das ist natürlich ein Punkt, der besonders unschön ist. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass solche Routen, die wir jetzt anderthalb Jahre lang diskutiert haben, auch das Ergebnis eines sehr, sehr sorgfältigen Abwägungsprozesses sind, an dem die Bürger ja auch sehr intensiv mitgearbeitet haben, und viele Bürgerinitiativen haben da sehr, sehr konstruktive Ideen eingebracht, die jetzt zu einer realen Lärmminderung führen. Dass man dann hinterher ankommt und wieder auf Vertrauensschutz pocht, wenn man dann eineinhalb Jahre an der Diskussion beteiligt war, das funktioniert natürlich auch nicht. Also entweder Bürgerbeteiligung mit allen Konsequenzen, oder man muss es dann eben weiter so belassen, wie das vorher der Fall gewesen ist, was sicherlich die schlechtere Lösung wäre.
Aber ich will noch ein Wort zu dem sagen, was Herr Cramer zum Flugverkehr sagte. Das ist nämlich der einzige Verkehrsträger, der sich seine Infrastruktur selber finanzieren muss, seine Flughäfen selber bauen muss, und der eben nicht wie Straße und Schiene durch öffentliche Mittel subventioniert wird.
Cramer: 30 Milliarden öffentliche Mittel!
Kunkel: Von daher gibt es da keine Schieflage und das ist vollkommen gerechtfertigt, dass von daher auch keine Zusatzsteuer noch mal auf das Kerosin anfällt. Wir bezahlen hier, glaube ich, schon genug, was jetzt beispielsweise im letzten Jahr die Sondersteuer auf den Luftverkehr gewesen ist.
Hammer: Wenn ich da ganz kurz einhaken darf, denn wir sind langsam knapp mit der Zeit. Ich sage noch mal, dass Herr Cramer gerade gesagt hat, dass 30 Milliarden ja eben doch seiner Meinung nach indirekt öffentliche Mittel sind. - Ganz kurze Frage, ich würde sagen an Herrn Cramer: Was können Sie den aus Ihrer Sicht Opfern von Fluglärm sagen? Was soll zum Beispiel bis zur Eröffnung des Berliner Flughafens noch passieren, mit der Bitte um eine kurze Antwort?
Cramer: Wir wollen weiter demonstrieren. Wir brauchen Mindestregeln für den Lärmschutz, Mindeststandards, die von der Europäischen Union vorgegeben werden. Wir müssen das Länderstreiten aufhören, das muss eine Bundesangelegenheit werden, nicht nur für die Länder. Und den Betroffenen kann ich nur sagen: Weiter demonstrieren und darauf zu drängen, dass auch der Luftverkehr wie die Bahn für Mineralölsteuer zahlt, auch der Luftverkehr an den Steuern beteiligt wird. Dann werden die Preise steigen und es gibt eine Reduktion. Und das Geld, was wir dann einsparen, muss in die Schiene. Das ist die Lärm-bessere Alternative zum Flugverkehr.
Hammer: Zur Fluglärmdiskussion in Deutschland waren das der Europaabgeordnete Michael Cramer von den Grünen und der Sprecher der Berliner Flughäfen, Ralf Kunkel. Herzlichen Dank an beide.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Cramer: Schönen guten Tag, Herr Hammer.
Hammer: Und Ralf Kunkel, Sprecher der Berliner Flughäfen und damit auch Sprecher des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg. Guten Tag!
Ralf Kunkel: Hallo! Ich grüße Sie, Herr Hammer.
Hammer: Herr Kunkel, wohnen Sie eigentlich in der Einflugschneise eines Berliner Flughafens?
Kunkel: Ja, im Moment sehe ich die Landeanflüge auf den Flughafen Tegel in Höhe von circa tausend Metern. Mich stört das nicht so sonderlich, aber ich habe Glück, denn weil der Flughafen Tegel schließt, der innerstädtische Flughafen, und der ganze Fluglärm völlig zurecht an den Stadtrand verbannt wird, aus der Innenstadt heraus, werde auch ich ein Stück weit entlastet, also da wird es ruhiger.
Hammer: Herr Kunkel, im Juni öffnet jetzt der neue Flughafen Berlin-Brandenburg und mit großer Sorge schauen die Anwohner dort - denn auch dort leben Menschen - nach Frankfurt. Dort werden manche Bewohner fast jeden Morgen um fünf Uhr morgens von Flugzeugen geweckt. Was antworten Sie denn den Betroffenen von Fluglärm als Betreiber eines Flughafens?
Kunkel: Dass es Fluglärm gibt, das ist unstrittig und das ist vollkommen klar, und unsere Aufgabe aus Flughafengesellschaft ist es natürlich auch, für diejenigen, die in der Nähe von Flughäfen wohnen, entsprechenden Lärmschutz zu leisten. Das tun wir durch ein sehr umfangreiches Schallschutzprogramm, durch ein Nachtflugverbot zwischen null und fünf Uhr. So hat es das Bundesverwaltungsgericht verfügt. Und unterm Strich steht einfach eine massive Lärmentlastung der gesamten Region Berlin-Brandenburg, weil wie eingangs gesagt: Wir schließen jetzt auch den letzten innerstädtischen Flughafen und verbannen damit den Fluglärm an den Stadtrand, der naturgemäß weniger dicht besiedelt ist. Aber dass auch da Menschen wohnen, ist vollkommen klar.
Hammer: Herr Cramer, Sie haben gerade Herrn Kunkel gehört. Ist also alles gut in Berlin?
Cramer: Natürlich nicht. Also ich lebe nicht in einer Einflugschneise, ich würde auch nicht dort wohnen wollen. Lärm macht krank, und gute Arbeit kann man nur machen, wenn man gut geschlafen hat. Deshalb müssen wir den Lärm bekämpfen, aber das reicht überhaupt nicht aus. Und in Berlin haben wir die Katastrophe, dass ein neuer Flughafen genehmigt wurde, aber die Flugrouten nicht festgelegt waren. Das heißt, wir haben in bestimmten Gebieten Lärmschutzfenster eingebaut, wo jetzt kein Lärm ist, und in bestimmten Gebieten keine Lärmschutzfenster, wo jetzt Lärm ist. Das ist alles verrückt, aber traurige Realität.
Hammer: Michael Cramer von den Grünen, schauen wir mal nach Frankfurt. 70.000 Arbeitsplätze gibt es am Frankfurter Flughafen. Das ist die Angabe der Fraport AG und damit ist das nach eigenen Angaben die größte Arbeitsstätte Deutschlands. Zeigt das nicht, wie wichtig die Flughäfen für die Wirtschaft sind, für die Regionen?
Cramer: Der Flughafen ist wichtig, aber ich möchte Ihnen sagen, dass seit der Bahnreform in Deutschland etwa 250.000 Arbeitsplätze bei der Bahn abgebaut sind - da regt sich überhaupt keiner auf - und dass der europäische Steuerzahler jedes Jahr den Airlines 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, weil die keine Kerosinsteuer und in internationalen Flügen keine Mehrwertsteuer zahlen - die Bahn muss das alles bezahlen. Das heißt, künstlich schaffen wir einen Boom, den wir sehr teuer bezahlen müssen, und wenn wir 30 Milliarden in Europa jedes Jahr in die Bahnen investieren würden, nach zehn Jahren hätten wir ein Supernetz, billige Preise und den Flugverkehr um mehr als die Hälfte reduziert und damit auch den Lärm. 30 Milliarden pro Jahr, der deutsche Steuerzahler zahlt davon 12 Milliarden im Jahr.
Hammer: Herr Cramer, Sie wollen, dass die Schienennetze ausgebaut werden. Schauen wir uns mal Ihren Heimatort Berlin an und dann Brüssel. Da gibt es relativ schnelle Strecken. Darf ich fragen, wie oft Sie mit dem Zug von Brüssel nach Berlin oder Berlin nach Brüssel fahren?
Cramer: Zugegebenermaßen von Berlin nach Brüssel fahre ich selten mit dem Zug. Es kommt aber auch vor. Die Strecke - ich brauche dreimal so viel Zeit, der Preis ist dreimal so teuer und der Staat kassiert noch 19 Prozent Mehrwertsteuer mit. Nehme ich das Flugzeug, obwohl die Emissionen in der Stratosphäre drei- bis viermal so gefährlich sind wie am Boden, sagt der Staat, nein, nein, diese 19 Prozent da, die brauche ich nicht. Das müssen wir ändern und natürlich könnten wir mit einem ausgebauten Bahnsystem erheblich mehr Jobs schaffen. Zwischen Berlin und Hamburg gibt es keinen Flugverkehr mehr, weil da eine gute Bahnverbindung ist. Zwischen Berlin und Hannover gibt es keinen Flugverkehr mehr, weil da eine gute Bahnverbindung ist. Da müssen wir investieren, aber nicht jedes Jahr zwölf Milliarden Euro in den Luftverkehr, damit wir da für einen Taxipreis fahren können. Ich bin von Rom nach Berlin geflogen für 25,99 Euro - nicht, weil ich einen billigen Flug gesucht habe, sondern weil es gerade so passte, und das passt nicht in die Landschaft. Das zahlen die Umwelt und die Steuerzahler, und das muss sich ändern.
Hammer: Herr Kunkel von den Berliner Flughäfen, jetzt haben wir gerade gehört, dass Herr Cramer aus verständlichen terminlichen Gründen durchaus das Flugzeug zwischen Berlin und Brüssel benutzt. Ist das nicht eine grundsätzliche Frage, ein grundsätzliches Problem? Die Bevölkerung profitiert von günstigen Flügen, von Nonstop-Verbindungen von Berlin zum Beispiel in ziemlich viele Destinationen. Wenn es dann etwas lauter wird, dann regt sich Protest. Ist das so?
Kunkel: Vielleicht zwei Anmerkungen zu dem, was Herr Cramer gesagt hat. Zunächst einmal hat er vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland eine merkwürdige Trennung haben, was die Genehmigung von Flughäfen anbetrifft, die liegt in Länderverantwortung -, die Genehmigung von Flugrouten in Bundesverantwortung. Und dass diese beiden Verfahren nun gerade nicht so besonders eng miteinander vertaktet sind - und das drücke ich noch sehr vorsichtig aus -, das hat man in Berlin sehr, sehr deutlich gesehen und das ist auch mit Sicherheit kein Dauerzustand. Hier muss Abhilfe geleistet werden, genauso was eine Beschleunigung der ganzen Genehmigungsverfahren und damit auch eine wesentlich größere Transparenz für den Bürger anbetrifft.
Hammer: Wenn ich da ganz kurz einhaken darf, damit auch die Hörer in ganz Deutschland ein bisschen im Bilde sind. Sie sprechen zum Beispiel wahrscheinlich an, dass Bewohner bestimmter Ortschaften, zum Beispiel Berlin-Friedrichshagen, relativ spät erst erfahren haben, wie die Flugrouten laufen sollen, und dann relativ schockiert waren, als es auf einmal so weit war.
Kunkel: Ja, genau so ist es. Das ist natürlich ein Punkt, der besonders unschön ist. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass solche Routen, die wir jetzt anderthalb Jahre lang diskutiert haben, auch das Ergebnis eines sehr, sehr sorgfältigen Abwägungsprozesses sind, an dem die Bürger ja auch sehr intensiv mitgearbeitet haben, und viele Bürgerinitiativen haben da sehr, sehr konstruktive Ideen eingebracht, die jetzt zu einer realen Lärmminderung führen. Dass man dann hinterher ankommt und wieder auf Vertrauensschutz pocht, wenn man dann eineinhalb Jahre an der Diskussion beteiligt war, das funktioniert natürlich auch nicht. Also entweder Bürgerbeteiligung mit allen Konsequenzen, oder man muss es dann eben weiter so belassen, wie das vorher der Fall gewesen ist, was sicherlich die schlechtere Lösung wäre.
Aber ich will noch ein Wort zu dem sagen, was Herr Cramer zum Flugverkehr sagte. Das ist nämlich der einzige Verkehrsträger, der sich seine Infrastruktur selber finanzieren muss, seine Flughäfen selber bauen muss, und der eben nicht wie Straße und Schiene durch öffentliche Mittel subventioniert wird.
Cramer: 30 Milliarden öffentliche Mittel!
Kunkel: Von daher gibt es da keine Schieflage und das ist vollkommen gerechtfertigt, dass von daher auch keine Zusatzsteuer noch mal auf das Kerosin anfällt. Wir bezahlen hier, glaube ich, schon genug, was jetzt beispielsweise im letzten Jahr die Sondersteuer auf den Luftverkehr gewesen ist.
Hammer: Wenn ich da ganz kurz einhaken darf, denn wir sind langsam knapp mit der Zeit. Ich sage noch mal, dass Herr Cramer gerade gesagt hat, dass 30 Milliarden ja eben doch seiner Meinung nach indirekt öffentliche Mittel sind. - Ganz kurze Frage, ich würde sagen an Herrn Cramer: Was können Sie den aus Ihrer Sicht Opfern von Fluglärm sagen? Was soll zum Beispiel bis zur Eröffnung des Berliner Flughafens noch passieren, mit der Bitte um eine kurze Antwort?
Cramer: Wir wollen weiter demonstrieren. Wir brauchen Mindestregeln für den Lärmschutz, Mindeststandards, die von der Europäischen Union vorgegeben werden. Wir müssen das Länderstreiten aufhören, das muss eine Bundesangelegenheit werden, nicht nur für die Länder. Und den Betroffenen kann ich nur sagen: Weiter demonstrieren und darauf zu drängen, dass auch der Luftverkehr wie die Bahn für Mineralölsteuer zahlt, auch der Luftverkehr an den Steuern beteiligt wird. Dann werden die Preise steigen und es gibt eine Reduktion. Und das Geld, was wir dann einsparen, muss in die Schiene. Das ist die Lärm-bessere Alternative zum Flugverkehr.
Hammer: Zur Fluglärmdiskussion in Deutschland waren das der Europaabgeordnete Michael Cramer von den Grünen und der Sprecher der Berliner Flughäfen, Ralf Kunkel. Herzlichen Dank an beide.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.