Lange Schlangen wickeln sich in den letzten Tagen vor der Währungsreform um Bankgebäude in Caracas. Die Venezolaner versuchen an Bargeld zu kommen, damit sie immer knapper werdende Lebensmittel horten können und für das befürchtete Chaos nach der Reform gewappnet sind. Aber auch Bargeld ist in der Hyperinflation Mangelware. Ein Mann stand heute schon an mehreren Banken an, weil es pro Person nur 500.000 Bolívares gibt. Das reicht nicht einmal für eine Flasche Mineralwasser. Weil es Bares schon seit langem nur noch auf Zuteilung gibt, haben Venezolaner wie er so viele verschiedene Konten wie möglich.
"Ich glaube nicht, dass die Währungsreform unsere Probleme löst. Das wissen wir aus Erfahrung. Für einfache Leute wie mich wird es ein neuer Reinfall sein. Es wird Chaos geben, bei Überweisungen zum Beispiel. Die Leute sind verunsichert und verwirrt, weil sie nicht wissen, was passieren wird."
Präsident Maduro verspricht bessere Zeiten
Nur so viel ist klar: Fünf Nullen wollen die seit 20 Jahren regierenden Sozialisten streichen, um die Hyperinflation zu bekämpfen. Aus einer Million des bisherigen "starker Bolívar" genannten Geldes werden dann zehn "souveräne Bolívar", so heißt die neue Währung. Die wird an die vor einem halben Jahr eingeführte Kryptowährung Petro gekoppelt. Ob schon ausreichend neue Geldscheine gedruckt wurden – das ist unbekannt. Wieder einmal verspricht Präsident Nicolas Maduro den leidgeprüften Venezolanern bessere Zeiten:
"Es ist ein Win Win Spiel. Alle können nur gewinnen. Unsere Anhänger und Gegner, Patrioten, die ihr Land lieben, Venezolaner im In-und Ausland. Ich sage euch allen: im Vertrauen auf Gott werden wir alles tun, damit unser "Programm der Wirtschaftlichen Erholung" erfolgreich wird. Es ist zum Wohl aller Venezolaner. So ist es."
Schon vor einigen Wochen wollte die Regierung Nullen streichen - damals waren es nur drei - aber die galoppierende Inflation holte sie ein und sie musste den Termin verschieben. Nullen streichen nütze wenig, meinen Ökonomen wie Víctor Álvarez. Die Bindung des neuen Bolívar an die Kryptowährung Petro, dessen realer Gegenwert die reichen venezolanischen Bodenschätze sind, könne nur unter einer Bedingung klappen:
"Den neuen Bolívar an den Petro zu binden, um dadurch seine Kaufkraft zu erhalten, könnte funktionieren. Aber wirklich nur, wenn es eine ernsthafte und überprüfbare Verpflichtung gibt, keine neuen Bolívar-Scheine zu drucken. So wurde nämlich bislang das Defizit von staatlichen Unternehmen wie der Erdölfördergesellschaft PDVSA finanziert. Deren Einnahmen reichen nicht einmal für die Löhne."
Experten setzen auf US-Dollar
Wenn wieder neues Geld gedruckt würde, wären schon bald wieder Zehntausender Geldscheine in Umlauf, meint Álvarez. Und die Kryptowährung Petro sei bislang nur ein Experiment ohne das gewünschte Ergebnis und ohne international anerkannt zu sein. Die Prognosen für die Inflation in diesem Jahr sind schwindelerregend: eine Million Prozent schätzt der IWF. Wirklich helfen könnte der US-Dollar als Landeswährung, so wie in Panama oder Ecuador, meinen Experten. Außerdem müsse Venezuela endlich seine gravierenden strukturellen Probleme lösen: die extrem eingebrochene Erdölförderung steigern, aber auch die Abhängigkeit vom Erdölexport verringern, indem die brachliegende Produktion in Industrie und Landwirtschaft wiederbelebt wird.