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Wirtschaftssanktionen
In Finnland bleiben die Russen aus

Kein anderes Land in Europa ist von den Folgen der Sanktionspolitik gegen Russland so sichtbar betroffen wie Finnland: Ortschaften entlang der russischen Grenze erleben schwere wirtschaftliche Einbrüche, da die zahlungskräftigen Gäste aus dem Osten fehlen.

Von Tim Krohn |
    Topi Riutta hat gute Argumente. Der Mann steht in seiner Luxus-Boutique in Lappeenranta und präsentiert den feinsten Zwirn der Saison.
    "Hier dieser Armani-Anzug kostet bei uns 850 Euro. In St. Petersburg zahlen sie dafür das Dreifache!"
    Riuttas Regale sind voll, der Laden aber ist leer. Die Kunden aus Russland bleiben aus. In der finnischen Stadt Lappeenranta, nur 200 Kilometer von Sankt Petersburg entfernt, sind die Boomjahre wohl endgültig vorbei. Noch im vergangenen Jahr hatten die russischen Kunden hier knapp eine halbe Milliarde Euro gelassen. Das war einmal.
    "Nach unserer Kalkulation müsste unser Umsatz um 40 bis 50 Prozent höher liegen, wenn die Situation in der Ukraine und Russland normal wäre."
    Rubel ist schwach
    Normal ist in Finnland heute gar nichts mehr. Weder der Armani-Anzug, noch das ganze Bling-Bling-Design nebenan, auch nicht der Fisch unten am Hafen, nichts scheint sich mehr zu verkaufen. Der Rubel ist schwach, die Zahl der russischen Gäste in Finnland ist um 40 Prozent eingebrochen. Das spüren hier alle.
    "Es wird keine schnelle Lösung geben. Wir stehen hier vor einem Strukturproblem, das uns noch lange beschäftigen wird."
    Juhanna Aunesluoma leitet das Europa-Institut in Helsinki. Finnland, sagt der Experte, "rutscht nicht in die Krise. Finnland steckt schon mittendrin!"
    Aunesluoma zeigt auf die Landkarte hinter ihm. Überdeutlich sieht man die 1.600 Kilometer lange Grenze zwischen Finnland und Russland.
    "Für Finnland ist es eine ungemein schwierige Lage. Dass nun ausgerechnet Wirtschaftssanktionen als Instrument der EU gegen Russland gewählt wurden, spüren wir hier sofort. Wir haben auf so vielen Ebenen enge Beziehungen zu Russland, da schaden uns die Sanktionen sehr."
    Kein anderes Land in Europa ist so direkt betroffen. Russland sorgt für Finnlands Energie: Erdgas, Öl, Atomkraft, fast alles liegt in russischer Hand. Die Nachbarn im Osten waren für die Finnen die mit Abstand wichtigsten Handelspartner.
    Und jetzt?
    Erst die Krise, dann die Krim
    Maxim Pesochinsky, ein Immobilienmakler aus Russland, hat kaum noch was zu tun. Vor einem Jahr war das noch anders. Viele gutverdienende Russen hatten sich eine Ferienwohnung rund um die idyllischen Seen und Wälder bei Lappeenranta gekauft. Jetzt ist die Blase geplatzt. Viele Häuser stehen leer.
    "Ich habe gar nicht richtig mitbekommen, wann genau das losging. Ich erinnere mich an die Olympischen Spiele in Sotchi, und dass der Rubel danach massiv an Wert verloren hat."
    Erst kam die Krise und dann erst die Krim. Auch ohne die Ukraine, auch ohne alle Sanktionen - Lappeenranta würde es kaum besser gehen, meint der Makler. Das neue Misstrauen allerdings mache alles noch schlimmer.
    "Ich hatte einige wirklich intensive Diskussionen mit Finnen. Die glauben mittlerweile ja, das Putin ein Monster sei und nicht mehr weiß, was er tut. Aber für mich er ein Präsident, der weiß, was er tut, er ist ein Profi."
    Finnen und Russen verstehen sich nicht mehr.
    Der Armani Anzug landet zurück im Regal. Maxim Pesochinsky will zurück nach St. Petersburg.