Engels: Nun ist es also raus: Gregor Gysi soll Wirtschaftssenator im künftigen rot-roten Senat in Berlin werden. Mancher konservative Politiker sieht nun den Untergang des Abendlandes herauf ziehen, fürchtet, durch die PDS-Beteiligung an der Macht würden Unternehmer und Investoren in der Hauptstadt abgeschreckt. Gregor Gysi sagte heute in einem Interview, er werde Investoren gezielt anlocken wollen. Wie sehen das die Unternehmer selbst. Sprechen wollen wir darüber mit jemandem, der in den letzten Jahren nichts anderes getan hat, als Unternehmen zu werben. Volker Hassemer, er war 1991 bis 1996 Berliner Senator für Stadtentwicklung von der CDU, heute ist er Vorsitzender der Marketinggesellschaft Partner für Berlin. In Ihrer Gesellschaft sind rund 130 Unternehmen engagiert, darunter viele Großkonzerne, um Berlin als Wirtschaftsstandort anzupreisen. Was machen Sie da im Einzelnen.
Hassemer: Wir nennen die Gründe, warum es sich lohnt, sich jetzt mit Berlin zu verbinden. Angesichts der neuen Potentiale und der besseren Randbedingungen nach 1989 ist es eine große Chance, das, was wir das neue Berlin nennen, zu gestalten, und sich daran auch als Investor zu beteiligen. Und das tun wir rund um die Welt, übrigens mit einigem Erfolg. Wir sind allerdings nach wie vor in einem gewaltigen Aufbruchprozess. Genauso wie die ganze Stadt ist auch die Kommunikationsarbeit für dieses neue Berlin noch mittendrin. Wir haben ungefähr Halbzeit und da erwischt uns jetzt diese Situation, die uns die Arbeit sicherlich, das muss man ganz objektiv analysieren, nicht erleichtert.
Engels: Worin analysieren Sie denn objektiv, dass es definitiv schlimmer wird?
Hassemer:: Ich muss betonen, dass ich die Entscheidung nicht kritisiere oder kommentiere. Aber es ist bei so einer Entscheidung gerade jetzt wichtig, realistisch zu sehen, was ist das nun, was bedeutet das und auf diese Weise auch die Arbeit konkretisieren zu können, die nun vor uns liegt. Und da ist es einfach so, dass gerade Unternehmer oder Unternehmen zu einem guten Prozentsatz nach ihrem persönlichen Gefühl urteilen, dass bei der weltweiten Konkurrenz, die wir mittlerweile haben, mindestens zehn oder zwanzig Prozent der Entscheidungen davon abhängen; und dass gerade im Hinblick auf Berlin sehr oft der Aspekt, dass dies eine Stadt ist, die trotz aller kommunistischen Bedrohungen ihre Existenz über lange Zeit erhalten hat, für die Unternehmer eine emotionale Komponente ist, die mitgespielt hat, und da ist eine solche Nachricht, unabhängig von den Details der politischen Absichten - darein wird sich ein Investor aus Chikago nicht vertiefen - ein Hindernis, über das man sich im Klaren sein muss, um dann auch gegen steuern zu können und es hoffentlich überwinden zu können.
Engels: Schreckt denn die Historie der PDS die Investoren in dem Maße ab wie das die Finanzkrise kann? Ist die Finanzkrise der Stadt, die de facto Pleite der Stadt, nicht der viel größere Faktor, der abschreckt? Und für die ist die PDS ja nicht verantwortlich.
Hassemer: Ja, das ist keine Frage. Überhaupt der ganze Ablauf des Jahres 2001 war für uns - auch das habe ich immer wieder gesagt - nicht unbedingt ein attraktives Jahr. Oder anders ausgedrückt: Es war auch für uns eine Zeit sehr problematischer Nachrichten, die wir zu verdauen hatten oder denen wir dann die eigentlichen Nachrichten, die Essenznachrichten über Berlin entgegen stellen mussten. Darüber gibt es gar keine Frage. Aber aus einem Problem ein zweites folgen zu lassen, ist eine Idee der zweiten Güte. Das darf nicht sein. Sowie wir mit dem ersten zu kämpfen haben, auch mit der Problematik falschen Managements in den Finanzen in der Vergangenheit, so haben wir nun mit einem zusätzlichen Thema zu kämpfen. Das alles wird Berlin nicht umworfen, aber noch einmal: Es ist nichts anderes als der Arbeitsauftrag, über den ich jetzt spreche. Wir müssen uns darüber im klaren sein, dass wir jetzt Besonderes zu tun haben. Der regierende Bürgermeister muss sich in eine besondere Rolle gesetzt sehen. Auch so eine Agentur, wie wir es sind, die wir ja nicht im Politikauftrag, sondern nur im Politikvertrag arbeiten, ist jetzt in einer noch stärker geforderten Rolle, wenn man es gut will mit Berlin.
Engels: Haben Sie denn schon konkrete Reaktionen von Unternehmen, die jetzt mit dem rot-roten Senat nicht mehr bereit sind, sich zu engagieren?
Hassemer: Es ist ja oft so in der Politik und nicht nur in der Gesellschaft, dass solche Befürchtungen einem noch nicht so an die Nieren gehen, aber wenn nun und da nun das Faktum da ist, sagen sehr viele Unternehmer: Jetzt wollen wir einfach im Hinblick auf Berlin mal eine Pause machen und uns um andere Dinge kümmern. Das ist uns jetzt mindestens für eine gewisse Zeit ein zu kompliziertes und schwieriges Thema, und ich weiß auch schon im vornherein von Unternehmern und Geschäftsführern, die hier für Unternehmer arbeiten, die nicht in Berlin sitzen, dass die auch den Auftrag haben, nachzudenken, wie man jetzt in dieser neuen Situation mit dem Standort Berlin umgeht. Das ist alles auch ganz und gar nicht verwunderlich, und das ist mein zentraler Punkt: Ich klage nicht über das Schicksal Berlins, sondern ich sage, dass man das alles wissen muss, um dann mit einem Arbeitsansatz zu kommen, der vor der alltäglichen Technik des Wirtschaftssenators liegt, der eben diesen schwierigen Berg zusätzlicher Probleme erst einmal angeht und hoffentlich vielleicht auch abträgt. Das ist jetzt das, was Berlin zu leisten hat. Wir haben es jetzt miteinander furchtbar schwer angesichts dieser Entscheidung - der Wirtschaftssenator selbst, aber auch die Stadt mit ihm.
Engels: Was empfehlen Sie denn dann aus ihrer Erfahrung heraus Gregor Gysi als ersten Schritte. Er hat ja angekündigt, dass er Investoren fördern wolle. Er wolle allerdings auch Bedenken gegen die betriebliche Mitbestimmung ausräumen, aber er gilt ja auch als jemand mit gutem rhetorischen Talent. Könnte er Ihrer Einschätzung nach ein Werber für Berlin werden?
Hassemer: Das rhetorische Talent schadet gar nicht, ist aber absolut keine hinreichende Bedingung gerade für Investoren. Und deshalb kann ich nur sagen - ich habe zwei Themen angedeutet: Er muss sich im klaren sein, dass seine Rhetorik allein das, was mit ihm verbunden wird, nämlich die Nachfolgepartei der SED zu sein, für die er steht, nicht alleine vom Tisch fegen kann. Da wird der regierende Bürgermeister eine besondere Rolle spielen müssen, die er nicht spielen müsste, wenn diese Besonderheit bei seinem Wirtschaftssenator nicht vorhanden wäre. Es wird auch so sein, dass Gysi sich mehr als andere auf Mitstreiter aus dem Bereich der Wirtschaft wird verlassen und abstützen müssen. Ich rede jetzt nicht von denen, die überzeugt werden müssen, sondern von denen, die ihm bei der Überzeugung zur Seite stehen. Er muss - ich wage das zu sagen, obwohl ich ihn jetzt vor Augen habe - in einer Art von Bescheidenheit sich klar machen, dass er jetzt mit einer Aufgabe zu tun hat, die er nicht alleine stemmt, dass er andere dazu braucht, dass er mit Geduld und Zurückhaltung sagen muss: Ich will der Stadt dienen, ich will der Wirtschaftspolitik dienen. Dass das bereits im Blutkreislauf eines PDS-Politikers liegt, dass will ich den Leuten gar nicht als Überzeugung zumuten, sondern ich will mich gerade deshalb in besonderer Weise beispielsweise für Initiativen, wie wir es sind, aber auch für andere, öffnen, um damit meine Kompetenz zu verbreitern und die Glaubwürdigkeit, die für Berlin spricht, breiter zu machen als ich es selbst oder meine Partei es sind.
Engels: Noch kurz zum Schluss: Sie selbst wollen Ihr Amt aufgeben. Stand das schon vorher fest, oder ist das jetzt entschieden durch den rot-roten Senat?
Hassemer: Das steht für mich seit einem Jahr fest. Sie haben es vorher gesagt: Ich war 13 Jahre Senator in Berlin und habe dann irgendwann einmal gesagt, dass ich das beschließe und etwas Neues beginne. Es hat immer mit Berlin zu tun und so etwa war das nun auch nach sechs Jahren "Partner für Berlin". Die Organisation ist stabil und gerade jetzt sehr wichtig und da ist es nicht mehr absolut nötig, dass man dann an seinem Stuhl hängt, was seit einem Jahr schon für mich entschieden ist und wobei ich auch bleiben werde.
Engels: Vielen Dank. Das war Volker Hassemar. Er ist noch Vorsitzender der Marketinggesellschaft "Partner für Berlin". Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Hassemer: Wir nennen die Gründe, warum es sich lohnt, sich jetzt mit Berlin zu verbinden. Angesichts der neuen Potentiale und der besseren Randbedingungen nach 1989 ist es eine große Chance, das, was wir das neue Berlin nennen, zu gestalten, und sich daran auch als Investor zu beteiligen. Und das tun wir rund um die Welt, übrigens mit einigem Erfolg. Wir sind allerdings nach wie vor in einem gewaltigen Aufbruchprozess. Genauso wie die ganze Stadt ist auch die Kommunikationsarbeit für dieses neue Berlin noch mittendrin. Wir haben ungefähr Halbzeit und da erwischt uns jetzt diese Situation, die uns die Arbeit sicherlich, das muss man ganz objektiv analysieren, nicht erleichtert.
Engels: Worin analysieren Sie denn objektiv, dass es definitiv schlimmer wird?
Hassemer:: Ich muss betonen, dass ich die Entscheidung nicht kritisiere oder kommentiere. Aber es ist bei so einer Entscheidung gerade jetzt wichtig, realistisch zu sehen, was ist das nun, was bedeutet das und auf diese Weise auch die Arbeit konkretisieren zu können, die nun vor uns liegt. Und da ist es einfach so, dass gerade Unternehmer oder Unternehmen zu einem guten Prozentsatz nach ihrem persönlichen Gefühl urteilen, dass bei der weltweiten Konkurrenz, die wir mittlerweile haben, mindestens zehn oder zwanzig Prozent der Entscheidungen davon abhängen; und dass gerade im Hinblick auf Berlin sehr oft der Aspekt, dass dies eine Stadt ist, die trotz aller kommunistischen Bedrohungen ihre Existenz über lange Zeit erhalten hat, für die Unternehmer eine emotionale Komponente ist, die mitgespielt hat, und da ist eine solche Nachricht, unabhängig von den Details der politischen Absichten - darein wird sich ein Investor aus Chikago nicht vertiefen - ein Hindernis, über das man sich im Klaren sein muss, um dann auch gegen steuern zu können und es hoffentlich überwinden zu können.
Engels: Schreckt denn die Historie der PDS die Investoren in dem Maße ab wie das die Finanzkrise kann? Ist die Finanzkrise der Stadt, die de facto Pleite der Stadt, nicht der viel größere Faktor, der abschreckt? Und für die ist die PDS ja nicht verantwortlich.
Hassemer: Ja, das ist keine Frage. Überhaupt der ganze Ablauf des Jahres 2001 war für uns - auch das habe ich immer wieder gesagt - nicht unbedingt ein attraktives Jahr. Oder anders ausgedrückt: Es war auch für uns eine Zeit sehr problematischer Nachrichten, die wir zu verdauen hatten oder denen wir dann die eigentlichen Nachrichten, die Essenznachrichten über Berlin entgegen stellen mussten. Darüber gibt es gar keine Frage. Aber aus einem Problem ein zweites folgen zu lassen, ist eine Idee der zweiten Güte. Das darf nicht sein. Sowie wir mit dem ersten zu kämpfen haben, auch mit der Problematik falschen Managements in den Finanzen in der Vergangenheit, so haben wir nun mit einem zusätzlichen Thema zu kämpfen. Das alles wird Berlin nicht umworfen, aber noch einmal: Es ist nichts anderes als der Arbeitsauftrag, über den ich jetzt spreche. Wir müssen uns darüber im klaren sein, dass wir jetzt Besonderes zu tun haben. Der regierende Bürgermeister muss sich in eine besondere Rolle gesetzt sehen. Auch so eine Agentur, wie wir es sind, die wir ja nicht im Politikauftrag, sondern nur im Politikvertrag arbeiten, ist jetzt in einer noch stärker geforderten Rolle, wenn man es gut will mit Berlin.
Engels: Haben Sie denn schon konkrete Reaktionen von Unternehmen, die jetzt mit dem rot-roten Senat nicht mehr bereit sind, sich zu engagieren?
Hassemer: Es ist ja oft so in der Politik und nicht nur in der Gesellschaft, dass solche Befürchtungen einem noch nicht so an die Nieren gehen, aber wenn nun und da nun das Faktum da ist, sagen sehr viele Unternehmer: Jetzt wollen wir einfach im Hinblick auf Berlin mal eine Pause machen und uns um andere Dinge kümmern. Das ist uns jetzt mindestens für eine gewisse Zeit ein zu kompliziertes und schwieriges Thema, und ich weiß auch schon im vornherein von Unternehmern und Geschäftsführern, die hier für Unternehmer arbeiten, die nicht in Berlin sitzen, dass die auch den Auftrag haben, nachzudenken, wie man jetzt in dieser neuen Situation mit dem Standort Berlin umgeht. Das ist alles auch ganz und gar nicht verwunderlich, und das ist mein zentraler Punkt: Ich klage nicht über das Schicksal Berlins, sondern ich sage, dass man das alles wissen muss, um dann mit einem Arbeitsansatz zu kommen, der vor der alltäglichen Technik des Wirtschaftssenators liegt, der eben diesen schwierigen Berg zusätzlicher Probleme erst einmal angeht und hoffentlich vielleicht auch abträgt. Das ist jetzt das, was Berlin zu leisten hat. Wir haben es jetzt miteinander furchtbar schwer angesichts dieser Entscheidung - der Wirtschaftssenator selbst, aber auch die Stadt mit ihm.
Engels: Was empfehlen Sie denn dann aus ihrer Erfahrung heraus Gregor Gysi als ersten Schritte. Er hat ja angekündigt, dass er Investoren fördern wolle. Er wolle allerdings auch Bedenken gegen die betriebliche Mitbestimmung ausräumen, aber er gilt ja auch als jemand mit gutem rhetorischen Talent. Könnte er Ihrer Einschätzung nach ein Werber für Berlin werden?
Hassemer: Das rhetorische Talent schadet gar nicht, ist aber absolut keine hinreichende Bedingung gerade für Investoren. Und deshalb kann ich nur sagen - ich habe zwei Themen angedeutet: Er muss sich im klaren sein, dass seine Rhetorik allein das, was mit ihm verbunden wird, nämlich die Nachfolgepartei der SED zu sein, für die er steht, nicht alleine vom Tisch fegen kann. Da wird der regierende Bürgermeister eine besondere Rolle spielen müssen, die er nicht spielen müsste, wenn diese Besonderheit bei seinem Wirtschaftssenator nicht vorhanden wäre. Es wird auch so sein, dass Gysi sich mehr als andere auf Mitstreiter aus dem Bereich der Wirtschaft wird verlassen und abstützen müssen. Ich rede jetzt nicht von denen, die überzeugt werden müssen, sondern von denen, die ihm bei der Überzeugung zur Seite stehen. Er muss - ich wage das zu sagen, obwohl ich ihn jetzt vor Augen habe - in einer Art von Bescheidenheit sich klar machen, dass er jetzt mit einer Aufgabe zu tun hat, die er nicht alleine stemmt, dass er andere dazu braucht, dass er mit Geduld und Zurückhaltung sagen muss: Ich will der Stadt dienen, ich will der Wirtschaftspolitik dienen. Dass das bereits im Blutkreislauf eines PDS-Politikers liegt, dass will ich den Leuten gar nicht als Überzeugung zumuten, sondern ich will mich gerade deshalb in besonderer Weise beispielsweise für Initiativen, wie wir es sind, aber auch für andere, öffnen, um damit meine Kompetenz zu verbreitern und die Glaubwürdigkeit, die für Berlin spricht, breiter zu machen als ich es selbst oder meine Partei es sind.
Engels: Noch kurz zum Schluss: Sie selbst wollen Ihr Amt aufgeben. Stand das schon vorher fest, oder ist das jetzt entschieden durch den rot-roten Senat?
Hassemer: Das steht für mich seit einem Jahr fest. Sie haben es vorher gesagt: Ich war 13 Jahre Senator in Berlin und habe dann irgendwann einmal gesagt, dass ich das beschließe und etwas Neues beginne. Es hat immer mit Berlin zu tun und so etwa war das nun auch nach sechs Jahren "Partner für Berlin". Die Organisation ist stabil und gerade jetzt sehr wichtig und da ist es nicht mehr absolut nötig, dass man dann an seinem Stuhl hängt, was seit einem Jahr schon für mich entschieden ist und wobei ich auch bleiben werde.
Engels: Vielen Dank. Das war Volker Hassemar. Er ist noch Vorsitzender der Marketinggesellschaft "Partner für Berlin". Ich danke Ihnen für das Gespräch.