Mit stagnierendem Wachstum im Schlussquartal des vergangenen Jahres ist Deutschland nur knapp an der Rezession vorbei, äußerst knapp.
"Wir sind haarscharf an der Rezession vorbei geschrammt. Das blaue Auge ist extrem blau", sagt der Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzeski.
Das extrem blaue Auge verdankt sich der Tatsache, dass Ökonomen von einer Rezession sprechen, wenn die Wirtschaft in zwei Quartalen hintereinander schrumpft. Mit einem Wirtschaftsrückgang im dritten Quartal und Nullwachstum im vierten ist die deutsche Wirtschaft deswegen extrem knapp an einer Rezession vorbei geschlittert.
Von Niedrigwasser bis Handelsstreit
Probleme hatte zuletzt etwa die deutsche Autoindustrie, unter anderem wegen eines neuen Abgasprüfverfahrens. Das Niedrigwasser auf Flüssen wie dem Rhein hat Logistikern und Branchen wie der chemischen Industrie das Leben schwer gemacht. Nicht zu vergessen natürlich die allgemeine Unsicherheit angesichts Handelskrieg und bevorstehendem, möglicherweise chaotischen Brexit.
"Das sind Unsicherheitsfaktoren, die erst langsam, wahrscheinlich in der ersten Jahreshälfte, verschwinden werden. Aber unter diesen Nebelschwaden liegt eigentlich immer noch eine sehr solide wirtschaftliche Entwicklung: Wir haben eine starke Inlandsnachfrage! Wir haben stark Investitionen! Wir haben starken Konsum! Von daher ist mir aktuell nicht bange über die Zukunft der deutschen Konjunktur".
Hohe Lohnabschlüsse steigern die wichtige Binnenkonjunktur
Auch die Bundesregierung ist zumindest für die zweite Jahreshälfte zuversichtlich. Zwar sind die Exporte der deutschen Industrie zurückgegangen – unter anderem China meldet als wichtiger Absatzmarkt eine wirtschaftliche Abkühlung. Dafür läuft aber die Binnenkonjunktur, also die Inlandsnachfrage nach Waren und Dienstleistungen gut. Gestützt wird die durch hohe Beschäftigung und steigende Löhne. Diese Kräfte sorgten nach dem verhaltenen zweiten Halbjahr 2018 im neuen Jahr wieder für etwas Schwung, stellt die Bundesregierung fest. Auch der Chef der staatlichen Förderbank KFW, Günther Bräunig, sieht die hiesige Wirtschaft zu Jahresbeginn in grundsätzlich guter Verfassung.
"Die Lage ist deutlich besser als die Stimmung. Dafür spricht vieles. Dafür spricht nach wie vor eine gut laufende Inlandskonjunktur, dafür sprechen immer noch volle Auftragsbücher. Aber, je mehr sozusagen an schlechter Stimmung jeden Tag nachgelesen werden kann – das drückt sozusagen die Investitionsbereitschaft. Und das wird auch dieses Jahr wichtig sein, damit Deutschland zumindest nahe an sein Potenzialwachstum herankommen kann", so Bräunig bei Vorlage der KFW-Bilanz gestern.
"Der Brexit hat letztendlich alles versaut."
Also: Eine grundlegend gesunde Konjunktur paart sich auch im neuen Jahr mit Unsicherheit mit Blick auf Handelsstreit, China-Wachstum – vor allem aber den anstehenden Brexit.
"Der Brexit ist aktuell das größte kurzfristige Risiko für die deutsche Konjunktur. Handelskriege scheinen sich einigermaßen zu entspannen. Aber der Brexit käme halt dann auch, wenn das ein no-deal-Brexit wird, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Das heißt, er kommt genau in dem Augenblick, in dem die Konjunktur wahrscheinlich wieder ein bisschen anziehen wird. Und dann hat er natürlich wirklich die Kraft und das Potenzial, um über negatives Vertrauen, über Turbulenzen an den Finanzmärkten, über leichte Probleme in Produktionsketten, in Logistik, halt wirklich sozusagen dieser Tropfen zu sein, der die Stimmung wieder kippen lässt, so dass dann im ersten Halbjahr nicht alles wieder besser wird, sondern dass wir dann auch im Sommer da stehen und sagen: Es hätte eigentlich viel besser werden können, aber der Brexit hat letztendlich alles – auf gut deutsch – versaut".