Elf Stockwerke ohne Aufzug, darüber kann David Ruebush inzwischen nur noch müde lächeln. Alleine am Vortag sei er insgesamt 100 Etagen zu Fuß rauf- und runter gehechtet, meistens einen oder mehrere Kunden aus aller Welt im Schlepptau. Der Rohbau im Zentrum von Batumi ist eins von fünf Immobilien-Projekten, die der gebürtige Texaner aktuell vermarktet in der Schwarzmeer-Metropole. Die Käufer: Russen, Ukrainer, zunehmend aber auch Westeuropäer und Israelis. Ruebush steht jetzt auf dem Dach des Gebäudes und blickt auf das Stadtpanorama
Ein Ort für Urlaub und Glücksspiel
"Als wir 2013 nach Batumi gekommen sind, hatte die Stadt vielleicht 30.000 permanente Bewohner, im Sommer natürlich mehr. Es gab vier höhere Gebäude, alles größere Hotelketten wie Sheraton und Radisson. Schauen Sie sich um: Heute kann man gar nicht zählen, wieviele Hochhäuser hier stehen. Vor drei, vier Jahren habe ich vom Dach eines der Gebäude die Anzahl der Baukräne gezählt: Es waren 42. Heute lebt sicherlich eine Viertelmillion Menschen in Batumi. Die Stadt boomt und hat sich buchstäblich von einem Dorf zu einer Stadt entwickelt, und das alles in nur sechs Jahren."
Den Stein ins Rollen gebracht hat Micheil Saakaschwili, von 2004 bis 2013 georgischer Staatspräsident, der unter anderem die Ansiedlung von Casinos in der Stadt förderte - ein einträgliches Geschäft, weil Glücksspiel in der Türkei und in den meisten anderen muslimischen Ländern der Region, aber auch in Russland, weitestgehend verboten ist. Dann wurden die Strände hergerichtet, der Strandboulevard gebaut, um nicht nur Glücksspieler, sondern auch Badegäste nach Batumi zu locken.
"Das Investment von außen hat aber andere Gründe. Ich sage immer: Georgien ist da schon ein Glückspilz gewesen in den vergangenen zehn Jahren, weil man quasi von den Problemen seiner Nachbarn profitiert hat. Als Russland und die Ukraine Probleme miteinander bekamen, haben die Leute ihr Geld von dort abgezogen und nach Batumi gebracht. Als die türkische Lira ins Trudeln geriet, dasselbe. Und als der Iran für eine gewisse Zeit offener wurde, kamen auch von dort Investoren. Und: Georgien ist stabil, es gibt keine Korruption, und hier ändert sich nicht gleich alles, wenn eine neue Regierung an die Macht kommt, anders als in den meisten Ländern Osteuropas."
Das zumindest ist Ruebushs Eindruck. Doch der architektonische Wildwuchs, der teils an Disney Land erinnert, gefällt nicht allen in der Stadt.
Häuser im historischen Zentrum weichen modernen Bauprojekten
Irma Zoidze zum Beispiel. Viele Häuser im historischen Zentrum von Batumi seien in den vergangenen Jahren quasi über Nacht abgerissen worden, kritisiert die Journalistin. Sie macht sich in einer NGO für den Erhalt der alten Bausubstanz stark und steht an diesem Herbstmorgen auf der "Piazza", einem kleinen Platz, der wohl italienisch wirken soll und fast erdrückt wird von den umliegenden Restaurants und Bars.
"Das ist purer Kitsch hier, schrecklich. Aber das eigentlich Schlimme an der Sache ist, dass hier früher eine Grundschule stand. Die hat man abgerissen, es gibt aber kein Ersatzgebäude. Abgerissen und fertig. Kein Problem. Und das ist nicht die einzige Schule, mit der so verfahren wurde."
Und dann das Glücksspiel-Thema: Auf einem zentralen Platz unweit der Altstadt blickt Irma Zoidze um sich und zählt jene zehn Casinos auf, die alleine im Umkreis von 500 Metern stehen. Die Aktivistin erwartet jedenfalls nichts Gutes für die Zukunft der Stadt, in der sie geboren wurde. Eine Art Geisterstadt werde Batumi irgendwann sein, mit leeren Hotelburgen im Winter, fürchtet sie. Ganz anders sieht das natürlich der Investor David Ruebush.
Langfristig kann sich der Amerikaner sogar vorstellen, dass Batumi mit seinem milden Klima, den niedrigen Preisen und langen Strände zu einem Domizil für Ruheständler vor allem aus Westeuropa werden könnte.